Arzneimittel und Therapie

Haloperidol und Risperidon mit wenig Nutzen

Palliativpatienten mit Delir scheinen nicht zu profitieren

Zentraler Bestandteil einer Palliativtherapie ist die Kontrolle und Linderung von belastenden Symptomen für Patienten, deren Erkrankung als nicht heilbar gilt. Für einige eingesetzte Arzneistoffe fehlen jedoch ausreichend klinische Daten, um deren Effekte bei Palliativpatienten vollumfänglich zu bewerten. Jetzt wurde der Einsatz von Halo­peridol und Risperidon bei Delir untersucht.

Trotz enormer Fortschritte, beispielsweise in der Krebsforschung, kann noch immer ein großer Anteil der Patienten nicht von ihrer Erkrankung geheilt werden, weshalb die Palliativ­medizin vor allem auch für unheilbar Kranke eine wichtige Stütze in der ganzheitlichen Versorgung der Betroffenen darstellt. Bei dieser stehen nicht mehr die Heilung und Lebensverlängerung, sondern der Erhalt von Lebensqualität, Schmerzlinderung, Beseitigung begleitender Beschwerden sowie Zuwendung und Nähe im Vordergrund. Der Ansatz der Palliativversorgung ist ganzheitlich, wobei physische, psychische, soziale und spirituelle Faktoren des Patienten Beachtung finden (Definition von Palliativmedizin der WHO). Dabei wird zunächst geklärt, welche Symptome den Patienten am meisten belasten und welche Wünsche im Vordergrund stehen. Je nachdem, wie komplex das Krankheitsbild, die individuelle Situation und die sich daraus ergebenden palliativen Maßnahmen sind, wird die Entscheidung für eine Form der Palliativversorgung getroffen. Man unterscheidet dabei grob zwischen Angeboten der allgemeinen (APV) und der spezialisierten Palliativversorgung (SPV). Die medikamentöse Therapie zielt dabei besonders auf die Behandlung von Schmerzen, Übelkeit und Obstipation, auf die Verbesserung des Appetits sowie die Behandlung von Psychosen und Depressionen.

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Hilfe bis zum Ende. Bei Palliativpatienten steht die Symptomlinderung im Vordergrund, jedoch sind die konventionellen Behandlungsmethoden nicht immer erfolgreich.

Depressionen und Angst

Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung und einer Depression sollten sowohl eine effektive palliativmedizinische Symptomkontrolle als auch eine professionelle psychosoziale Betreuung erhalten. Antidepressiva werden jedoch nicht generell zur Erstbehandlung bei leichten Episoden eingesetzt, sondern allenfalls unter besonders kritischer Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Neue Ansätze der Symptomkontrolle von Depression und Angststörungen beinhalten auch die Anwendung des halluzinogen wirkenden Psilocybin, dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung und unklarer Pro­gnose kürzlich in zwei klinischen Studien bestätigt wurde [1, 2]. Dabei konnten neben akuten vor allem langfristige Erfolge (sechs Monate nach Erstbehandlung) erzielt werden, wobei noch nicht geklärt ist, durch welchen molekularen Mechanismus Psilocybin eine dauerhafte Symptomkontrolle zu vermitteln vermag.

Delir – ein häufiges Problem

Angesichts der hohen Prävalenz des Delirs bei Palliativpatienten mit kurzer Lebenserwartung sollten die Symptome so früh wie möglich erkannt (rascher Beginn und fluktuierender Verlauf, Bewusstseinsstörung, Störung der Aufmerksamkeit und des Denkens, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus) und geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Wird ein Delir als medikamentös behandlungsbedürftig eingestuft, gilt nach derzeitigen Empfehlungen Haloperidol als Mittel der Wahl, da hierzu die beste Datenlage existiert. Dabei standen neben einigen Fallberichten bisher nur zwei randomisierte, kontrollierte Studien, die zudem keine ausreichende statistische Power aufwiesen und von denen eine unverblindet war, zur Verfügung, die die Evidenz zur Wirksamkeit von Halo­peridol und anderen Antipsychotika als medikamentöse Therapie bei deliranten Krebspatienten belegten.

Eine nun veröffentlichte randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie australischer Wissenschaftler, die Haloperidol und Risperidon an 247 deliranten Palliativpatienten im Rahmen individueller Maßnahmen testete, sah jedoch keine Vorteile der medikamen­tösen Therapie gegenüber Placebo [3]. Im Gegenteil schien die Delir-Symptomatik nach Behandlung mit Antipsychotika stärker ausgeprägt als unter Placebo und auch die Überlebensrate war in der Kontrollgruppe höher.

Noch viel zu tun

Die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (DKG) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) erkennt dabei an, dass neben der jahrzehntelangen Erfahrung inzwischen auch viel Studien­evidenz in der Palliativmedizin vorliegt und etwa die Hälfte der Empfehlungen evidenzbasiert sind. Sie macht jedoch auch deutlich, dass der Forschungsbedarf in diesem Gebiet weiterhin hoch ist und es großer Anstrengungen und Investitionen bedarf, um die Palliativversorgung zu verbessern. Die aktuellen Studienergebnisse verdeutlichen hierbei exemplarisch, dass die Palliativmedizin auch weiterhin ein stetig wachsendes und sich änderndes Feld der Patientenversorgung darstellt. |

Quellen

[1] Ross S, et al. Rapid and sustained symptom reduction following psilocybin treatment for anxiety and depression in patients with life-threatening cancer: a randomized controlled trial. J Psychopharmacol 2016;30(12):1165–1180

[2] Griffiths RR, et al. Psilocybin produces substantial and sustained decreases in depression and anxiety in patients with life-threatening cancer: A randomized double-blind trial. J Psychopharmacol 2016;30(12):1181–1197

[3] Agar MR, et al. Efficacy of oral risperidone, haloperidol, or placebo for symptoms of delirium among patients in palliative care: A randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2016, published online am 5. Dezember; doi: 10.1001/jamainternmed.2016.7491

Apotheker Dr. André Said

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