Management

Das Scharlatan-Syndrom

Wie Sie Ihre Selbstzweifel bekämpfen können

Typisch Frau! Wer sich bei mangelndem Selbstvertrauen der eigenen Fähigkeiten nicht bewusst ist, empfindet sich leicht als Hochstaplerin oder Scharlatan. Das führt dazu, dass viele Kolleginnen ihr Licht unter den Scheffel stellen und bei der Arbeit weniger leisten, als sie tatsächlich könnten. Von Ute Jürgens

Ein Scharlatan gibt Kenntnisse und Fähigkeiten vor, die er gar nicht besitzt. Viele Menschen sind sich ihrer Fähigkeiten nicht bewusst und glauben, nur durch Glück oder das Wohlwollen von Lehrern etc. ihre Ausbildung gut abgeschlossen zu haben. Durchaus bekannt sind dagegen besonders uns Frauen unsere Schwächen, wir fokussieren eher darauf und befürchten, dass andere entdecken, wie wenig wir können und wissen.

In der Apotheke führt das aufgrund von Unsicherheit zu nur zögerlicher Beratung, die Betreffende versucht, die Kontakte kurz zu halten und möglichst nicht mit den Kunden ins Gespräch zu kommen, sie hat Angst, etwas Falsches zu sagen und „aufzufliegen“. Dadurch bleibt sie hinter ihren Möglichkeiten zurück und der Kunde bekommt zu wenig ­Informationen, Aufmerksamkeit und Zuwendung. Nicht selten kauft er sogar das falsche Produkt, da die Fachkraft die Lage nicht ausreichend sondiert hat. Hier handelt es sich beileibe nicht nur um Anfängerinnen, sondern oft genug um gestandenes pharmazeutisches Personal mit viel Wissen und Erfahrung.

Ursache für dieses Verhalten ist mangelndes Selbstvertrauen. Kindheit, Schule, Jugend, Ausbildung, Studium oder Apotheke – überall lauern die Gefahren, Gesagtes oder tatsächlich auch negativ Gemeintes auf den eigenen Selbstwert zu beziehen. Manchmal reicht schon ein Blick, eine Geste, vielleicht auch ein gut gemeinter Hinweis, der als Kritik am (vermeintlichen) Mangel aufgefasst wird.

Foto: Christian Schwier – Fotolia.com
Was man als Kind erlebt, prägt das Erwachsenendasein So kann auch das Selbstvertrauen einen Knacks bekommen, wenn man als Kind nicht richtig wahrgenommen wurde. Die gute Nachricht: Erkennt man als Erwachsener seine wunden Punkte, kann man daran arbeiten.

Daher ist die Stärkung des Selbstvertrauens angesagt, einerseits durch beobachtende Teammitglieder, insbesondere aber durch die vermeintliche Hochstaplerin selbst. Das geheime negative Bild lässt sich löschen, dafür existieren verschiedene Ansätze, die die Psychologin Eva Wlodarek beschreibt. Sie plädiert eher für den kausalen als für den symptomatischen Ansatz, da Letzterer an der Oberfläche bleibt. Kausal heißt hier, dass wir ein bisschen in die Tiefe gehen und die Ursachen des fehlenden Vertrauens anschauen. Mögliche Ursachen sind:

  • Ängstliche Eltern
  • Liebe nur als Lohn bei An­passung
  • Anders sein in Aussehen, Sprache, Kleidung, Herkunft usw.
  • Unvergessen und verunsichernd: Versagen, selbst wenn es nur einmalig war
  • Mangelnde Unterstützung und übersehen werden in der Kindheit

Wlodarek: „Was immer uns in jungen Jahren auferlegt wurde, prägt unsere Persönlichkeit meist so tief, dass es uns bis heute bestimmt.“ Es ist wertvoll, wenn Sie Ihre wunden Punkte erkennen, dann ist ein wunderbarer Ansatzpunkt da. Sind wir uns unserer Gefühle bewusst, können wir damit arbeiten. Was uns als Kind bedroht oder verunsichert hat, vermögen wir heute als Erwachsene zu hinterfragen. Wenn wir es für uns distanziert beschreiben, gelingt es, davon Abstand zu nehmen.

Ein Beispiel: Sie beraten einen Kunden am Kosmetikregal. Plötzlich wendet er sich Ihnen zu und meint: „Sie sind ja auch ganz rot und haben Pickel, taugt Ihr Zeug hier nichts?“ Sie haben schon als Jugendliche unter Akne gelitten und wurden durch Mitschülerinnen deswegen „streuselkuchenmäßig“ gehänselt. Das geht Ihnen immer noch nach und natürlich erinnern Sie sich ausgerechnet in diesem Moment daran – vielleicht ist Ihnen Ihr Aussehen peinlich oder Sie sind genervt bzw. traurig. Als Fachfrau bleiben Sie aber bewusst ganz ruhig und wiederholen einfach nur freundlich: „Ja, ich bin gerade rot im Gesicht, aber wir beraten jetzt nicht mich, sondern ich nehme mir gerne Zeit für Sie.“ Dann fahren Sie fort und gehen gar nicht weiter auf die Bemerkung des Kunden ein. Hier haben Sie einfach nur eine Bemerkung wiederholt und sind dann wieder auf die ursprüng­liche Bahn eingeschwenkt. Die Routine hilft, derartige „witzige“ Bemerkungen kennen wir zuhauf, wenn wir selbst einmal erkältet sind und mit roter Nase im HV stehen.

Wendemanöver starten

Unsere wunden Punkte sind erworbene Muster und nicht angeboren, sie lassen sich verändern. Erwischen Sie sich, wenn ein solcher wunder Punkt Sie bei der Arbeit stört, dann fragen Sie sich: Was will ich jetzt anders machen als sonst? Es sind oft minimale Schritte der Veränderung, die zählen.

So haben wir es beispielsweise selbst in der Hand, ob wir unsere eigenen Interessen zukünftig stärker vertreten wollen. Wundern Sie sich nicht über irritierte Reaktionen im Team oder zu Hause, es verunsichert andere Menschen, wenn Sie zum Beispiel nicht mehr IMMER die Retterin und Ja-Sagerin sind. Das ist neu und unbequem und Sie werden hören: „Was ist denn mit dir los?“ oder „Da ist ja eine ganz neue Seite, die Sie da zeigen“. Wlodarek beschreibt diverse Manipulationen anderer und Gegenstrategien dazu. Bleiben Sie standhaft, auch Sie haben das Recht, selbst mal um Hilfe zu fragen, sich zurückzulehnen, zu widersprechen, Ansprüche zu stellen etc. Ecken und Kanten tauchen auf, an denen bleibt dann schon mal jemand hängen …, zwinkern Sie sich innerlich zu, wenn Sie es bemerken!

Die Autorin Meera Lee Patel zitiert verschiedene „Meister“ und ent­wickelt daraus Übungen, zum Beispiel:

„Die Frage ist nicht, wer mich lässt, sondern wer mich aufhält“

Ayn Rand

Ihre Übung dazu: Entwerfen Sie eine dreispaltige Tabelle, in der ersten Spalte tragen Sie ein, was Sie tun werden, in der zweiten, was andere davon halten werden und in der letzten, was andere dann tun werden. So sind Sie vorgewarnt, es wird übrigens auch jede Menge positive Überraschungen geben, seien Sie sich dessen gewiss!

Stärkungsmittel anwenden

Wie trainiert man sein Selbstvertrauen? Hier ein paar Tipps:

  • Nehmen Sie sich so an, wie Sie sind, mit allen Schwächen und Stärken. Lieben Sie Ihre eigene Unvollkommenheit!
  • Ein gutes Selbstwertgefühl ist keine unerschütterliche Festung, sondern schwankt, Selbstzweifel und Sich-infrage-Stellen sind normal für ein gesundes Wachstum.
  • Jeder hat auf anderen Gebieten und auf andere Weise Selbstzweifel. Wir können den Menschen nicht unbedingt ansehen, ob sie sich so sicher fühlen, wie sie es nach außen zeigen.
  • Vergleichen Sie sich entweder gar nicht mit anderen oder sowohl nach oben als nach unten (nicht nur wer ist besser, sondern auch wer ist schlechter in dieser oder jener Fähigkeit). Mit wem würden Sie tatsächlich Ihr Leben komplett tauschen wollen?
  • Entwickeln Sie einen freund­lichen Umgang mit sich selbst. Muntern Sie sich auf, belohnen Sie sich, seien Sie liebe- und respektvoll.
  • Trennen Sie sich von Nörglern in Ihrer Umgebung und wenden Sie sich unterstützenden Menschen zu.
  • Fragen Sie Freunde und Bekannte, was diese an Ihnen schätzen.
  • Besinnen Sie sich selbst auf Ihre Stärken. Machen Sie sich eine Liste (schriftlich!) und denken Sie öfters mal an diese Eigenschaften und Fähigkeiten.
  • Mehr Selbstbewusstsein gewinnen Sie auch, wenn Sie etwas riskieren und neue Verhaltensweisen ausprobieren. Suchen Sie sich eine Schwäche aus, an der Sie arbeiten wollen, stellen Sie sich eine Aufgabe und gehen Sie diese in Ihrer Fantasie in allen Einzelheiten durch. Setzen Sie dann dieses Verhalten in die Realität um. Suchen Sie sich zuerst kleine und einfache, dann immer schwierigere Aufgaben aus. Lassen Sie sich von Fehlschlägen nicht entmutigen, sondern nehmen Sie diese als Anregung und Herausforderung an. Feiern Sie Erfolge!
  • Verbessern Sie Ihre Körperwahrnehmung. Zufrieden machen uns die kleinen Dinge, die wir im Körper fühlen und die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen.

Wenn Sie einmal nicht weiter wissen, fragen Sie sich: „Was würde eine selbstbewusste Person jetzt tun?“ Dann setzen Sie genau das um.

Patel zitiert Albert Camus:

„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“

Ihre Übung dazu: Spüren Sie Ihre innere Quelle der Kraft auf, wie sieht sie aus? Zeichnen Sie Ihre Idee! Pinnen Sie das Bild an die Innenseite Ihrer Schranktür in der Apotheke und schauen Sie täglich drauf!

Wann fühlen Sie sich unsicher oder zweifeln an sich? Wir kommen nur weiter, wenn wir diese Situationen innerlich bearbeiten. Oder mit Freundinnen bzw. Kolleginnen darüber sprechen, wie diese in so einer Lage handeln – würde es sich so für Sie besser anfühlen?

Zum Abschluss noch eine letzte Zitatübung von Patel:

„Auf den ersten Blick könnte es Dir zu schwer vorkommen. SCHAU NOCH EINMAL HIN. Schau immer noch einmal hin.“

Mary Anne Radmacher

Dieses Mal zeichnen Sie wieder eine Tabelle, zwei Spalten: „Meine größte Herausforderung im letzten Jahr“ und „Wie ich sie gemeistert habe“. Dann kommt ein Querstrich und Sie schreiben in die erste Spalte darunter „Meine größte derzeitige Herausforderung“ und „Wie ich sie meistern kann!“. Bleiben Sie dran!

Übrigens: Es gibt durchaus auch Männer, die unter Selbstzweifeln leiden. Aber anders als Frauen, die meist zu Perfektionismus streben, kompensieren Männer dies oft mit forschem Auftreten. Wlodarek nennt dazu ein Beispiel: Bekommen Männer ein interessantes Projekt angeboten, von dem sie eigentlich zu wenig verstehen, greifen sie zu in dem Vertrauen, das irgendwie hinzubekommen. Frauen dagegen melden sich erst einmal zur Fortbildung an … |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de

Literatur

Meera Lee Patel

Entdecke Dein Leben – Eine Gebrauchsanweisung.

Knaur Balance.

ISBN: 426-0-308-35044-3



Eva Wlodarek

Selbstvertrauen stärken und ausstrahlen

Kreuz Verlag,

ISBN: 978-3-451-61301-2




Zu beziehen über:

Deutscher Apotheker Verlag, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart

Telefon 0711 2582-341, Telefax 0711 2582-290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

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