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Hintergrund
Zunehmende Abhängigkeiten
Gefährden neue Kooperationsformen die Freiberuflichkeit von Ärzten?
Die Regeln für die Zusammenarbeit von Ärzten ergeben sich aus den Berufsordnungen der Ärztekammern, deren Gestaltungsmöglichkeiten wiederum von den Heilberufekammergesetzen der Länder abhängen. Für Ärzte, die GKV-Patienten versorgen, kommt das Vertragsrecht hinzu, das insbesondere in § 95 SGB V geregelt und damit bundesweit einheitlich ist. Die meisten Neuerungen der jüngeren Zeit haben sich aus dem Vertragsrecht ergeben. Um den drohenden Ärztemangel zu verhindern, wurden immer mehr Varianten für die Niederlassung eingeführt, die besser mit der individuellen Lebensplanung vereinbar sein sollen als die etablierten Wege. So wurde 2012 die Residenzpflicht abgeschafft und die Umwandlung einer Anstellung in eine Zulassung ermöglicht.
Formen der Kooperation
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellt die Kooperationsformen für Ärzte auf ihrer Internetseite offensiv dar und betont die Vorteile der Zusammenarbeit, beispielsweise den leichteren Berufseinstieg und die bessere Planbarkeit der Arbeitszeit. Ende 2013 waren nach Angaben der KBV 58 Prozent der ärztlichen Niederlassungen Einzelpraxen, 34 Prozent Berufsausübungsgemeinschaften und 8 Prozent MVZ. Dort wird betont, dass auch Ärzte in Einzelpraxen mit Kollegen kooperieren können, indem sie sich einer Praxisgemeinschaft oder einem Praxisnetz anschließen oder Ärzte anstellen. Außer beim Jobsharing braucht jeder tätige Arzt einen eigenen Arztsitz.
Jobsharing oder Anstellung
Beim Jobsharing („hälftige Zulassung“) teilen sich zwei Ärzte einen Arztsitz im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft (siehe unten) oder durch Anstellung eines „Juniorpartners“. Beide gemeinsam dürfen das bisherige Leistungsvolumen der Praxis um höchstens drei Prozent steigern. Nach fünf Jahren wird der „Junior“ bei der Besetzung bevorzugt, wenn der „Senior“ seinen Arztsitz abgibt. Nach zehn Jahren erhält der neu hinzugekommene Arzt eine unbeschränkte Zulassung. In allen anderen Fällen ist für angestellte Ärzte ein freier Arztsitz nötig und die Anstellung muss durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV) genehmigt werden. Für angestellte Ärzte besteht ein eigenes Honorarvolumen.
Praxisgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis
In einer Praxisgemeinschaft nutzen die Ärzte gemeinsam Räume und Geräte, üben ihren Beruf jedoch getrennt aus und rechnen getrennt ab. Dies muss gegenüber der KV nur angezeigt werden. Die Ärzte können sich gegenseitig vertreten, aber bei mehr als 20 Prozent gemeinsamen Patienten wird eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) angenommen.
In einer BAG, die auch Gemeinschaftspraxis genannt wird, üben die Ärzte ihren Beruf gemeinsam aus, führen für jeden Patienten eine gemeinsame Patientenakte und rechnen gemeinsam ab. Die Behandlung durch einen anderen Arzt der BAG gilt nicht als Vertretung. Eine BAG ist nicht an eine einzelne Praxis gebunden, sondern kann überörtlich tätig sein und sogar verschiedene Fachrichtungen verbinden. Für eine BAG schließen sich die Ärzte in einem Gesellschaftsvertrag als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder gemäß dem Partnerschaftsgesetz für Freie Berufe zusammen. Eine BAG muss durch den Zulassungsausschuss der KV genehmigt werden.
Praxisnetze
Mehrere Praxen können sich außerdem zu einem Praxisnetz zusammenschließen, das die Rechtsform eingetragener Verein (e.V.), GbR, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Genossenschaft haben kann. Zu dieser Kooperation können auch andere Gesundheitsberufe im ambulanten oder stationären Bereich gehören. Praxisnetze müssen gegenüber der KV nur angezeigt werden. Die beteiligten Praxen rechnen jeweils für sich allein ab. Doch für Praxisnetze, die aufgrund besonderer Qualitätsanforderungen von der KV anerkannt sind, müssen gemäß § 87b SGB V gesonderte Vergütungsregeln vorgesehen werden. Es können sogar eigene Honorarvolumina gebildet werden.
Außerdem können ambulant tätige Ärzte in verschiedener Weise mit Krankenhäusern kooperieren. Vor- und nachstationäre Leistungen können im Krankenhaus stattfinden und niedergelassene Ärzte können dort operieren.
Folgen für die Freiberuflichkeit
Die bis hier genannten Kooperationsformen betreffen nur die gemeinsame Arbeit ärztlicher Kollegen mit voller wirtschaftlicher Verantwortung oder Anstellungsverhältnisse unter Ärzten. Praxisnetze mit anderen Gesundheitsberufen sind mit diesem Prinzip vereinbar, weil sie nicht die Rechtsverhältnisse zwischen den Praxisinhabern betreffen. Fachliche und wirtschaftliche Verantwortung sind in den Personen der Freien Heilberufler verbunden, so wie dies auch für Apotheken geregelt ist. Dagegen bietet das vielgestaltige Konzept des MVZ Gestaltungsmöglichkeiten, in denen ärztliche und wirtschaftliche Verantwortung auseinanderfallen.
Mögliche Rechtsformen bei anderen Freien Berufen
Wenn mehrere Apotheker eine Apotheke gemeinsam betreiben, dürfen sie dies gemäß § 8 Apothekengesetz (ApoG) nur als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als offene Handelsgesellschaft (OHG). Da Apotheken vollkaufmännische Unternehmen sind, scheidet auch die GbR aus und es bleibt nur die OHG. Apotheken mit nur einem Inhaber dürfen ausschließlich als Einzelunternehmen – eingetragene Kauffrau bzw. eingetragener Kaufmann (e. K.) – geführt werden. In den Rechtsformen des Handelsgesetzbuches e. K., OHG, Kommanditgesellschaft (KG) und damit auch in der GmbH & Co. KG können nur kaufmännische Gewerbe betrieben werden. Sie kommen damit für Freie Berufe, die nicht gleichzeitig Gewerbetreibende sind, nicht in Betracht. Dennoch gibt es für die anderen verkammerten Freien Berufe viele Möglichkeiten. Nachfolgend einige Beispiele:
Rechtsanwälte können sich in einer Sozietät (entspricht der GbR), wie die Ärzte als Partnerschaft (nach Partnergesellschaftsgesetz PartGG), als Rechtsanwalts-GmbH, als Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft oder in Gesellschaften mit bestimmten ausländischen Rechtsformen zusammenschließen. Außer der GbR sind alle diese Gesellschaften haftungsbeschränkt. Bei der Partnerschaft haften nur der jeweilige Partner und die Gesellschaft für Pflichtverletzungen eines Partners – nicht wie bei der GbR jeder Partner. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaft (AG) ist bis auf seltene Ausnahmen die Haftung auf das Betriebsvermögen beschränkt. Als ausländische Rechtsform ist vor allem die englische Limited Liability Partnership (LLP) üblich, weniger häufig die englische Limited Company (Ltd.) sowie die US-Gesellschaftsformen LLP (Limited Liability Partnership) und LLC (Limited Liability Company). Diese zeigen schon durch ihre Bezeichnungen, dass die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen limitiert ist.
Voraussetzung für alle diese Gesellschaftsformen ist, dass die „Tätigkeit nur durch weisungsfreie, eigenverantwortliche Rechtsanwälte ausgeübt wird, der Gesellschafterkreis auf sozietätsfähige Personen beschränkt und eine Haftpflichtversicherung in ausreichender Höhe abgeschlossen worden ist“, wie die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes auf ihrer Website schreibt. Teilweise ist dabei auch der Zusammenschluss mit anderen Berufsgruppen wie Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern möglich und das Bundesverfassungsgericht hat diese Optionen kürzlich erweitert (siehe nebenstehender Beitrag).
Steuerberater können laut der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe gemeinsam als GmbH, GmbH & Co. KG, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), KG, AG oder Partnerschaftsgesellschaft tätig werden. Allerdings darf nicht jedermann Gesellschafter einer solchen Steuerberatungsgesellschaft werden, sondern nur Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte oder andere Steuerberatungsgesellschaften, und die Gesellschaft darf ausschließlich von Steuerberatern geführt werden.
Architekten können sich laut der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen nur als GbR, GmbH, Aktiengesellschaft oder Limited zusammenschließen. Eine Besonderheit bei Architekten stellt die zeitlich befristete und projektbezogene Kooperation in Form einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) dar. Diese ist aus rechtlicher Sicht eine GbR und damit nicht haftungsbeschränkt.
Medizinische Versorgungszentren
MVZ sind in § 95 Absatz 1a SGB V geregelt. In einem MVZ sind Ärzte angestellt oder selbstständig tätig. Das MVZ schließt den Behandlungsvertrag mit den Patienten und rechnet für alle Ärzte gemeinsam ab. Das MVZ muss durch die KV genehmigt und ärztlich geleitet werden, aber anders als bei Praxisgemeinschaften oder BAG dürfen nicht nur Ärzte und Psychotherapeuten beteiligt sein. Ein MVZ kann von zugelassenen Ärzten, zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 SGB V, gemeinnützigen Trägern, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, und seit Kurzem auch von Kommunen gegründet werden. Damit können auch Nicht-Heilberufler und sogar Kapitalgesellschaften, die Krankenhauskonzerne betreiben, ambulant tätige Ärzte für ihre Rechnung arbeiten lassen. Dies ist mittlerweile weit verbreitet. So verfügen die Helios-Kliniken gemäß ihrer Internetseite über 50 MVZ. Auf dem Umweg über Krankenhausbetreiber kann sich jeder Investor finanziell an der ambulanten ärztlichen Versorgung beteiligen. Allerdings stellt diese Tätigkeit in solchen Konzernen typischerweise nur einen sehr kleinen Teil des Geschäftsvolumens dar.
Ein MVZ kann in der Rechtsform einer GmbH betrieben und die Haftung damit begrenzt werden. Die GmbH ist sogar die häufigste Rechtsform für MVZ. Fast alle von Krankenhäusern getragenen MVZ firmieren als GmbH. Eine weitere gebräuchliche Rechtsform für MVZ ist die GbR. Auch der e. V. und die Genossenschaft sind zulässig, aber praktisch bedeutungslos.
Ende 2014 waren nach Angaben der KBV 2.073 MVZ zugelassen, in denen 13.465 Ärzte tätig waren, darunter 1.346 selbstständige Vertragsärzte und 12.119 Angestellte. Mit 1.913 stellten Hausärzte die größte Fachgruppe unter den MVZ-Ärzten, gefolgt von 1.576 fachärztlichen Internisten, 1.021 Chirurgen und 928 Gynäkologen. Die Durchschnittsgröße der MVZ ist von 3,6 im Jahr 2004 auf 6,5 im Jahr 2014 gestiegen. Bei 40,7 Prozent der MVZ waren Vertragsärzte und bei 38,4 Prozent Krankenhäuser an der Trägerschaft beteiligt, bei 20,9 Prozent weitere Arten von Trägern, wobei ein MVZ auch verschiedenartige Träger haben kann. Sowohl die Zahl der MVZ insgesamt als auch die Zahl der MVZ mit Krankenhausbeteiligung steigen. Die Zahl der angestellten Ärzte in MVZ steigt stärker als die Zahl der dort tätigen selbstständigen Ärzte. In MVZ mit Krankenhausbeteiligung arbeiten Ärzte fast nur als Angestellte.
MVZ – nicht nur fachübergreifend
Ein wesentliches Merkmal der MVZ war zunächst, dass dort Ärzte mehrerer Fachrichtungen zusammenarbeiten mussten. Denn diese Kooperationsform wurde eingeführt, um Behandlungen über Fachgrenzen hinweg zu erleichtern. Doch mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz entfiel im Juni 2015 die Voraussetzung der fachübergreifenden Zusammenarbeit, womit die ursprüngliche Zielsetzung nun offenbar als nicht mehr bedeutsam für die Gründung eines MVZ erscheint. Daraufhin wurde gemutmaßt, künftig könnten sogar einzelne Ärzte ihre Praxis in ein MVZ umwandeln und dann als GmbH arbeiten. Die Folgen der Neuregelung bleiben abzuwarten.
Berufsrechtliche Hintergründe
Die Heilberufekammergesetze einiger Bundesländer enthalten detaillierte Voraussetzungen für Ärzte, die ihre Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts führen. Dabei wird typischerweise festgelegt, dass alle Gesellschafter in einem Heilberuf oder einem Ausbildungsberuf des Gesundheitswesens arbeiten und mindestens die Hälfte der Geschäftsführer Kammermitglieder sind. Dies zielt insbesondere auf die Anwendung des Partnerschaftsgesetzes für die Freien Berufe. Allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht Anfang Februar, dass Rechtsanwälte sich künftig mit Ärzten und Apothekern zu einer Partnerschaft zusammenschließen dürfen und eine entgegenstehende Beschränkung in der Bundesrechtsanwaltsordnung nichtig ist.
Unabhängig von den Vorgaben für Gesellschafter von Praxen gestatten die Berufsordnungen der Ärzte weisungsgebundene Tätigkeiten in Praxen, Krankenhäusern und MVZ. Auch Ärzte, die weisungsgebunden arbeiten, sind Freiberufler, die durch ihre Berufsordnung gebunden sind. Sie dürfen durch ihre Arbeitsverträge nicht in ihren ärztlichen Entscheidungen beeinträchtigt werden. Doch das Prinzip, fachliche und wirtschaftliche Verantwortung in einer Person zu verbinden, wird hier durchbrochen.
Fazit
Als Ergebnis dieser Regelungen gibt es zwar bei Humanmedizinern keine Praxisketten, wie sie gerade offenbar bei Tierärzten entstehen. Doch über MVZ können sich berufsfremde Kapitalgeber schon lange an der ambulanten ärztlichen Versorgung beteiligen und dies findet vielfach statt. |
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