Arzneimittel und Therapie

Oxybutynin gegen starkes Schwitzen?

Wirkstoff gegen überaktive Blase könnte eine Option bei Hyperhidrose sein

Starkes Schwitzen, das über die Erfordernisse der Thermoregulation hinausgeht, kann im Alltag sehr belastend sein. Oxybutynin könnte eine Therapieoption sein.
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Starkes Schwitzen ohne erkennbare Ursache, die primäre Hyperhidrose, ist typischerweise auf Achselhöhlen (Hyperhidrosis axillaris), Handinnenflächen (H. palmaris) und Fußsohlen (H. plantaris) begrenzt, kann jedoch auch generalisiert, das heißt am ganzen Körper, vorkommen. Etwa 1 bis 2,9% der Bevölkerung sollen Schätzungen zufolge von einer primären Hyperhidrose betroffen sein. Dabei sind die Schweißdrüsen weder vermehrt noch vergrößert, sondern lediglich überstimuliert. Bei starker Ausprägung kann diese Fehlfunktion im Alltag oder Berufsleben eine erhebliche Belastung darstellen, etwa, wenn mehrmals täglich die Kleidung gewechselt werden muss oder ausgeprägte Schwitzflecken unter den Achseln und ein feuchter Händedruck den Eindruck von Überforderung und fehlender Souveränität aufkommen lassen. Da die Störung gutartig ist, haben nicht-invasive risikoarme Behandlungsverfahren Vorrang. Hierzu zählt die topische Therapie mit Antiperspiranzien und die Leitungswasseriontophorese. Externa mit Aluminiumchloridhexahydrat – in Form von Deorollern, Cremes oder Pulvern – bewirken eine Schweißreduktion durch Verschluss der Ausführungsgänge der Schweißdrüsen.

Die Leitungswasseriontophorese kann eingesetzt werden, wenn Hände und Füße betroffen sind. In schwereren Fällen können auch die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A oder die systemische Therapie mit anticholinergen Wirkstoffen erwogen werden. Als ultima ratio gilt die operative Entfernung der Schweißdrüsen.

Pharmakologisch macht man sich zunutze, dass die ekkrinen Schweißdrüsen zwar sympathisch innerviert werden, der Botenstoff jedoch Acetylcholin ist. Hier setzen zwei Behandlungsmöglichkeiten an. Intrakutan injiziertes Botulinumtoxin A blockiert irreversibel die Freisetzung von Acetylcholin aus präsynaptischen Nervenendigungen, so dass die Schweißdrüsen chemisch denerviert werden, bis nach etwa sechs Monaten neue Nervenendigungen eingesprosst sind. Anticholinergika zum Einnehmen wirken an den Muskarin-Rezeptoren der Schweißdrüsen als kompetitive Antagonisten gegen freigesetztes Acetylcholin, beeinflussen jedoch durch ihre unselektive Wirkung auch andere Organe mit Muskarin-Rezeptoren, so dass unangenehme Störwirkungen den Einsatz einschränken. Bei Hyperhidrose zugelassen sind Methantheliniumbromid (Vagantin®) und Bornaprin (Sormodren®).

Besserung mit Oxybutynin

In einer in Frankreich durchgeführten, randomisierten klinischen Studie wurde nun an 62 Betroffenen untersucht, wie der nicht-selektive Muskarinrezeptor-Antagonist Oxybutynin im Vergleich zu Placebo abschneidet. Zugelassen ist Oxybutynin für die Indikation „überaktive Blase“ in einer üblichen Dosierung von 7,5 bis 15 mg, wobei auch Tagesdosen von 20 mg Oxybutynin möglich sind. In der aktuellen Hyperhidrose-Studie betrug die Maximaldosis 7,5 mg Oxybutynin.

An der Studie nahmen 34 Frauen und 26 Männer teil; das durchschnittliche Alter betrug 34 Jahre. 50 hatten eine „generalisierte“ Hyperhidrose. Diese war definiert als eine Hyperhidrose an zwei oder mehr Stellen, also z. B. an Händen und Füßen. Bei zehn Teilnehmern war die Hyperhidrose lediglich auf eine Körperstelle beschränkt (lokalisierte Hyperhidrose). Zu Studienbeginn gaben 20 Studienteilnehmer auf der validierten 4-Punkte-Hyperhidrosis-Disease-Severity-Skala (HDSS) den höchsten Schweregrad an („Mein übermäßiges Schwitzen ist unerträglich und beeinträchtigt meine Alltagsaktivitäten immer“), für 35 war das übermäßige Schwitzen kaum zu ertragen und beeinträchtigte häufig die Alltagsaktivitäten.

Primärer Endpunkt war die Verbesserung um mindestens einen Punkt auf der HDSS nach sechs Wochen Behandlung. 32 Teilnehmer wurden randomisiert der Oxybutynin-Gruppe zugeteilt, 30 dem Placebo-Arm.

Eine Verbesserung um mindestens einen Punkt auf der Hyperhidrosis-Disease-Severity-Skala erreichten 60% (n = 18) im Oxybutynin-Arm und 27% (n = 8) unter Placebo. Außerdem erreichten unter Oxybutynin mehr Patienten eine Verbesserung von zwei oder drei Punkten auf der HDSS als mit Placebo. Damit war die Wirksamkeit von Oxybutynin dennoch etwas geringer als erwartet; bei der Fallzahlplanung war man von einer Ansprechrate von 70% in der Oxybutynin-Gruppe ausgegangen. Bei immerhin zwölf mit Oxybutynin Behandelten wurde keine Verbesserung erreicht (Placebo: 20). 13 von 30 Patienten unter Oxybutynin bemerkten Mundtrockenheit (Placebo: 3 von 28), vier hatten Sehstörungen (Placebo: keiner). Diese typischen anticholinergen Wirkungen lassen Zweifel an einer gelungenen Verblindung zu.

Kein Studienteilnehmer brach die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen vorzeitig ab.

Wie brauchbar Oxybutynin bei einer längerfristigen Behandlung ist, bleibt offen. Aus dem Einsatz bei überaktiver Blase ist bekannt, dass anticholinerge systemische Nebenwirkungen häufig zum Therapieabbruch führen. Potenzielle Störwirkungen sind neben der sehr häufig vorkommenden Mundtrockenheit Sehstörungen, Verstopfung, Harnverhalt und die Beeinträchtigung der kognitiven Leistung, was die Brauchbarkeit in der Praxis erheblich einschränkt.

Fazit

Nach den Ergebnissen dieser Studie kann bei Betroffenen mit generalisierter Hyperhidrose und hohem Leidensdruck ein Behandlungsversuch mit niedrig dosiertem Oxybutynin infrage kommen (derzeit hierfür aber nicht zugelassen). Sinnvoll ist, zunächst lokale Therapien – neben allgemeinen hygienischen Maßnahmen – auszuschöpfen. |

Quelle

Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. S1-Leitlinie, AWMF-Register Nr. 013/059. Stand: 15. Januar 2012. Verfügbar unter: www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-059l_S1_primäre_Hyperhidrose_Definition_Therapie

Schollhammer M, Brenaut E, Menard-Andivot N et al. Oxybutynin as a treatment for generalized hyperhidrosis: a randomized, placebo-controlled trial. Br J Dermatol 2015;173:1163-1168

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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