Die Seite 3

„Ein Satz geht immer“

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Bereits 2002 hat die Apothekerkammer Niedersachsen die Aktion „Ein Satz geht immer“ gestartet. „Die Aktion hat zum Ziel, dass jeder Apothekenkunde – auch wenn es noch so hektisch zugeht – wenigstens mit einem Satz angesprochen wird (über die Nennung des Preises hinaus), der das konkrete Angebot zu einer Beratung, falls gewünscht, signalisiert“, hat die DAZ damals geschrieben. Anlass waren schon vor über zehn Jahren die zunehmenden Testkäufe in Apotheken, deren Ziel es sei, „der Öffentlichkeit vorzuführen, in Apotheken werde nicht beraten und Arzneimittel könnten demzufolge genauso gut per Versand aus dem Ausland zugestellt werden.“

Jetzt wollen die Niedersachsen die „Ein Satz geht immer“-Kampagne wiederbeleben und dem Ganzen mit eigenen Testkäufern („Pseudo Customer“) Nachdruck verleihen. Sie sollen, sofern die Kammerversammlung im April zustimmt, zukünftig prüfen, ob dem Kunden wenigstens eine pharmazeutische Frage gestellt wird (s. „Mindestens eine pharmazeutische Frage“ in dieser DAZ).

Eine einzige Frage reicht aus um zu signalisieren, dass der Apotheker für eine Beratung zur Verfügung steht. Offene Fragen, die nicht mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können, sind oft der Einstieg in ein ausführliches Beratungsgespräch. Mit ihnen kann aber auf der anderen Seite auch sichergestellt werden, dass diejenigen Patienten, die ein Arzneimittel wirklich gut kennen und auch objektiv keinen Beratungsbedarf haben, nicht mit langen Ausführungen genervt werden – das soll es ja durchaus geben.

Apotheker sind zur Beratung verpflichtet! Der niedersächsischen Kammerpräsidentin Magdalene Linz ist deshalb beizupflichten, wenn sie betont, dass Beratung gerade in der Selbstmedikation von essenzieller Bedeutung für eine Beibehaltung der Apothekenpflicht ist. Grund genug also für eine Kammer, die Beratungs­bereitschaft ihrer Mitglieder sicherzustellen, sollte man meinen. Und doch wird sofort Kritik laut – die Linz wohl schon geahnt hatte. Gegenüber DAZ.online betonte sie gleich, dass es sich bei dem Vorhaben keinesfalls um Schikane handle. Vergebens: „Schnüffelei“, „Gängelung“, „Fingerzeigstrategie“, so lauten die Vorwürfe einiger Kollegen.

Niemand lässt sich gerne kontrollieren – die einen fühlen sich ertappt, die anderen zu unrecht schikaniert. Aber wenn heute Testkäufe – sowohl die der Kammern wie auch die von TV-Magazinen, „Verbraucherschützern“ und anderen – immer noch ähnliche Ergebnisse wie vor zehn oder mehr Jahren haben, dann besteht Handlungsbedarf. Das eigentliche Problem ist nicht die Kontrolle durch die Kammer, sondern dass es immer noch notwendig zu sein scheint, Kollegen für die Notwendigkeit der aktiven Beratung „zu sensibilisieren“. „Wenn wir in der Apotheke keine Beratung anbieten, sägen wird den Ast ab auf dem wir sitzen“, sagt Linz. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dr. Benjamin Wessinger


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