Rezension

Der Klassiker der „grünen Pharmazie“

Der neue „Wichtl“ ist erschienen

Sechs Jahre mussten wir eingefleischten Fans des „Wichtl“ warten, bis endlich die neue Auflage auf den Markt kam. Aber jetzt ist er da: gewohnt groß, gewohnt schwer, gewohnt informativ. Natürlich hat es nicht umsonst ein paar Jahre gedauert, bis die 6. Auflage bearbeitet war. Schließlich will das wissenschaftliche Material zu insgesamt 240 (!) Arzneipflanzen-Monografien gesichtet, bewertet und eingearbeitet werden. Dafür gehen etliche Stunden ins Land, selbst wenn mittlerweile ein ganzer Autorenstab daran mitwirkt. Diejenigen, die das Buch nicht kennen, könnten jetzt behaupten, dass man in Zeiten von Google und Wikipedia eigentlich auf derartige Kompendien verzichten könnte. Zugegeben: Wikipedia bietet meist recht brauchbare Informationen, aber an die Qualität eines „Wichtl“ kommt es doch nicht so schnell heran.

Jede Monografie ist nach dem bewährten Muster aufgebaut: Auf eine kurze botanische Beschreibung folgt die pharmazeutisch relevante Information über die eigentliche Droge, was natürlich die Inhaltsstoffe sowie deren mögliche Wirkungen und die Anwendungsmöglichkeiten mit umfasst. War bisher immer ein relativ umfassendes Zitat aus der entsprechenden Monografie der Kommission E mit aufgeführt, wurde in der Neuauflage aus Platzgründen darauf verzichtet, allerdings wurden sehr konsequent die Inhalte der jeweiligen Monografien des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) an der European Medicines Agency (EMA) und der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) mit ergänzt. Nach wie vor erwähnen die Autoren die volksmedizinische Anwendung der jeweiligen Droge und gehen auf Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und mögliche Wechselwirkungen ein. Interessant ist zudem die Aufzählung der verfügbaren Teepräparate und Phytopharmaka, um die Bedeutung einer Arzneipflanze/-droge abschätzen zu können. Sehr viel Wert wird in der Neuauflage wieder auf die Bebilderung der Monografien gelegt, nicht nur bezüglich der ganzen Pflanze und der makroskopischen Merkmale, sondern auch bezüglich der mikroskopischen Kennzeichen. Leider ist die Druckqualität der Fotos nicht mit der früherer Auflagen vergleichbar. Vielleicht ist das der Kompromiss, um den unschlagbaren Preis von unter 100 Euro für das Werk zu ermöglichen. Eventuell vermissen manche Leser die Fotos der dünnschichtchromatografischen Analysen der verschiedenen Drogen – insgesamt wurde inzwischen gänzlich auf den Abschnitt „Identitätsprüfung mittels DC“ in den Monografien verzichtet. Allerdings wurden die so genannten Kurzmonografien weiter aufbereitet und in die Reihe der „großen“ Monografien mit aufgenommen. Für Zingiberis rhizoma wurden zusätzlich zur normalen Zusammenfassung noch beispielhaft die Monografien des PhEur, des HMPC, der ESCOP, der WHO und der Kommission E im Originalwortlaut mit aufgeführt.

Etwas überflüssig erscheint einem geübten „Wichtl“-Nutzer die vermeintliche Hilfe in der Kopfzeile: zum einen der kleine Ausschnitt aus dem Foto der jeweiligen Droge zu Beginn der Monografie und zum anderen die fett gedruckten ersten drei Buchstaben des Drogennamens, der selbst nur wenige Millimeter entfernt in der Kopfzeile steht. Hier wäre unserer persönlichen Meinung nach weniger mehr gewesen.

Natürlich liegt der Schwerpunkt des Buches eindeutig auf den Monografien der Arzneipflanzen und ihrer Drogen. Aber auch die Informationen „drumherum“ sind wieder sehr lesenswert, vor allem für Studierende, die sich noch nicht so viel mit den Unterschieden und Abgrenzungen zwischen Arzneitees, Nahrungsergänzungsmitteln und Phytopharmaka beschäftigt haben. Im Wirrwarr der Präparate, die sich auf dem Markt befinden, verliert man schon mal schnell den Durch- und Überblick: Was ist konkret der Unterschied zwischen einer Traditional-use-Registrierung und einer Well-established-use-Zulassung und bei welchen Beschwerden kann man gut Arzneitees oder aber dann doch besser Phytopharmaka einsetzen? Auf viele Fragen sucht man sich inzwischen im Internet Antworten. Nachdem gerade auch die Stichworte „Phyto“ und „Arzneipflanzen“ in den verschiedenen Suchmaschinen eine sehr unübersichtliche Zahl an Treffern unterschiedlichster Qualität liefern, ist die in der Neuauflage vorgenommene Erweiterung des allgemeinen einführenden Abschnitts „Pflanz­liche Arzneimittel und Internet“ um etliche hilfreiche und seriöse Internet­adressen sehr positiv. Alles in allem ist der „Wichtl“ wieder sehr gelungen und gehört auch in der Neuauflage in jeden „Pharmazeuten“-Haushalt. |

Prof. Dr. Robert Fürst und Dr. Ilse Zündorf, Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka

Ein Handbuch für die Praxis

Wolfgang Blaschek (Hrsg.), Max Wichtl (Begr.)

6., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2016.

XVI, 800 S., 303 s/w Abb., 703 farb. Abb., 521 s/w Zeichn. Gebunden. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

ISBN 978-3-8047-3068-7

98,– Euro , Subskriptionspreis bis 30. März 2016: 79,– Euro

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