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Stress lass nach!
Was Arbeitnehmer von ihren Chefs erwarten
Die Wirtschaftswissenschaftler Elena Shvartsman und Michael Beckmann von der Universität Basel haben untersucht, welche Arbeitsbedingungen den Stresspegel von Arbeitnehmern erhöhen. Besonders groß ist das Risiko für Stress – und die damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen –, wenn die Arbeitgeber von ihnen sowohl lange Arbeitszeiten erwarten als auch hohe Flexibilität einfordern. Kann der Arbeitnehmer dagegen weitgehend autonom entscheiden, ob er Überstunden macht und wann er arbeitet, empfindet er selbst lange Arbeitszeiten und Mehrarbeit nicht unbedingt als belastend.
Tendenz zur Selbstausbeutung
Die durchschnittliche Zahl an Überstunden variiert im Übrigen: Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit völlig frei bestimmen können, arbeiten pro Woche rund acht Stunden mehr als vertraglich vereinbart. Gibt es einen Rahmen für die eigene Flexibilität, z. B. ein Arbeitszeitkonto, sind es weniger als vier Stunden pro Woche. Wer festgelegte Arbeitszeiten hat, kommt auf fast die gleiche Summe an wöchentlicher Mehrarbeit. Ein Arbeitszeitkonto scheint also für Mitarbeiter eine gute Lösung zu sein, wenn sie die variablen Zeiten selbst bestimmen können. Wenn dies nicht der Fall ist, arbeiten sie im Schnitt fünf Stunden mehr als ihre Wochenstundenzahl im Arbeitsvertrag beträgt.
„Stress muss sich lohnen“
Die Autoren haben auch den Einfluss von Beförderungen und Gehältern analysiert. Sind die Aufstiegschancen schlecht, steigt das Stressrisiko. Das trifft auch zu, wenn Arbeitnehmer ihr Gehalt als unangemessen niedrig bewerten. Wer hohen Einsatz zeigt, will also auch eine entsprechende Anerkennung vom Unternehmen erhalten.
Das Fazit von Shvartsman und Beckmann: „Erstens sollten Arbeitgeber darauf achten, adäquate Gehälter zu zahlen. Zweitens sollten sie Aufstiegschancen ermöglichen. Und schließlich sollten sie Mitarbeitern mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit gewähren, beispielsweise durch Gleitzeit oder selbstbestimmte Arbeitszeit.“
Erfolgreich am Markt
In einer weiteren Studie haben sich Sozialwissenschaftler aus München und von der Universität Göttingen mit der Erwartungshaltung von Arbeitnehmern befasst. Dafür wurden 320 Beschäftigte aus dem Dienstleistungssektor, der Industrie und dem Baugewerbe befragt sowie 70 Vertreter aus Betriebsräten, Gewerkschaften und dem Management interviewt.
Primär waren die Arbeitnehmer an einer „Leistungsgerechtigkeit“ interessiert, was Gehälter, Arbeitsbedingungen und Belastungen betrifft. Außerdem wünschten sie sich Selbstverwirklichung und Beteiligung im eigenen betrieblichen Umfeld. Als ungerecht empfanden sie prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Diskriminierung, Beleidigung und Sexismus.
Gerechtigkeit ist jedoch nicht alles: „Die Beschäftigten wollen einen gut funktionierenden, erfolgreichen Betrieb“, stellen die Autoren klar. Dabei legen die Arbeitnehmer Wert auf kompetente Führungskräfte, transparente Unternehmensregeln sowie die effiziente Nutzung von Ressourcen.
Mega-Thema Wertschätzung
Der generelle Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung bleibt besonders bei den Dienstleistungsberufen im Sozialbereich oft unerfüllt. Hier wird die Bezahlung von den Befragten als unzureichend bewertet.
Außerdem fühlen sich viele Arbeitnehmer immer stärker belastet durch Arbeitsverdichtung, steigende Zielvorgaben und wachsende Komplexität der Aufgaben. Massiver Stress und Folgekrankheiten sind weit verbreitet.
Gewerkschaften, Betriebsräte
Um die gestiegenen Anforderungen bewältigen zu können, setzen Mitarbeiter meist auf individuelle Lösungen, anstatt sich beispielsweise gewerkschaftlich zu organisieren. Anders die Erzieherinnen: Hier hat die als besonders ungerecht empfundene Vergütung offenbar dazu geführt, dass das gewerkschaftliche Engagement nachhaltig hoch bleibt. Auch andere Befragte trauen den Gewerkschaften die Umsetzung von Ansprüchen und Interessen zu. Und vor allem in großen Unternehmen hat auch die Betriebsratsarbeit weiterhin einen hohen Stellenwert.
„Alles wird schlechter“
Viele Befragte sehen eine generelle Tendenz zur Verschlechterung, was die soziale Ungleichheit, die Sicherheit von Arbeitsverhältnissen, das Lohnniveau und die beruflichen Belastungen angeht. Erstaunlicherweise bewerten trotzdem viele Arbeitnehmer ihre persönliche Situation als relativ günstig – weil sie sich beispielsweise mit Arbeitnehmern in Krisenländern wie Griechenland vergleichen. |
Quellen
Elena Shvartsman, Michael Beckmann. Stressed by Your Job: What Is the Role of Personnel Policy? SOEPpapers 814, November 2015
Nick Kratzer, Wolfgang Menz, Knut Tullius, Harald Wolf. Beschäftigte wollen Gerechtigkeit – und einen effektiv geführten Betrieb. Policy Brief, Februar 2016. In Böckler Impuls 03/2016
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