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Nutzenbewertung nützt nichts

DAK-AMNOG-Report: Chef der DAK-Gesundheit fordert verpflichtende Information der Ärzte

BERLIN (ks) | Der Chef der DAK-Gesundheit, Herbert Rebscher, findet die frühe Nutzenbewertung richtig und wichtig. Doch in ihrem zweiten AMNOG-Report zieht die Kasse eine ernüchternde Bilanz. Da der Zusatznutzen nicht in der Breite ankomme, fordert er eine verpflichtende Information der Ärzte.

Für ihren jüngsten AMNOG-Report – nach nunmehr gut fünf Jahren früher Nutzenbewertung – konnten die Autoren, die Gesundheitsökonomen Professor Wolfgang Greiner und Julian Witte, 134 abgeschlossene Bewertungen unter die Lupe nehmen. Ernüchternd wirken da einige Zahlen: Mit 52 Prozent bekam nur etwa die Hälfte der neuen Arzneimittel einen Zusatznutzen attestiert – zumindest in einer Teil­indikation. Dabei zeigt sich: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) liegen oft, aber nicht immer, auf einer Linie. 18 Mal hat der G-BA eine IQWiG-Empfehlung aufgewertet, 13 Mal abgewertet.

Ebenso macht die Analyse deutlich, dass einige Indikationen besser abschneiden als andere. In der Onkologie gibt es am häufigsten einen Zusatznutzen (36 von 40 Fällen). Auch Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten (12 von 14) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (7 von 8) haben eine recht gute Quote. Anders sieht es bei chronischen Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes aus – hier erhielten nur 16 von 29 Präparaten einen Zusatz­nutzen.

Doch wie kommen die Beschlüsse in der Versorgungswirklichkeit an? Tatsache ist: Bei Präparaten, bei denen kein Zusatznutzen festgestellt wurde, steigt die Zahl der Verschreibungen im Jahr nach der Bewertung um 14,7 Prozent. Dies ist noch etwas stärker als bei jenen mit beträchtlichem Zusatznutzen, deren Verordnungen nur um 14,2 Prozent zulegen. Ein ähnliches Bild zeigt sich laut Analyse, wenn man die Tagesdosen betrachtet. Hier sehen die Autoren des Reports und die DAK Handlungsbedarf. Es gehe allerdings ­weniger darum, die Verordnung von Arzneimitteln ohne Zusatznutzen zurück­zudrängen – schließlich haben sie ja nur keinen Zusatznutzen, können aber durchaus so gut sein wie vergleichbare Therapien. Nach den Verhandlungen des Erstattungsbetrags dürfte ihr Preis auch nicht höher sein als die Vergleichsmedikation – sodass sie zumindest finanziell kein großes Problem sind. Manchmal kann die Verordnung dieser Präparate sogar sehr sinnvoll sein. Als Beispiel nannte Greiner Tecfidera® (Dimethylfumarat). Im Gegensatz zur Vergleichstherapie sei dieses Präparat oral einzunehmen – viele Patienten werden dies einer Injektion vorziehen. Doch dieser Vorteil spielt im AMNOG-Prozess keine Rolle.

Präparate mit Zusatznutzen stärken

Versorgungspolitisch sähe es die DAK aber gerne, wenn sich Präparate mit Zusatznutzen stärker durchsetzen könnten. Dazu müssten Ärzte besser informiert werden. Dass diese die Original-Beschlüsse des G-BA nicht lesen, kann Rebscher ihnen nachsehen. Die Ergebnisse müssten vielmehr im Workflow, sprich in der Arztsoftware, hinterlegt sein. Dies müsse nicht nur möglich, sondern auch verpflichtend gemacht werden, so der Kassen-Chef.

Problematisches Schiedsverfahren

Weiterhin haben sich die Autoren des Reports die Verhandlungen des Erstattungsbetrags genauer angeschaut – hier konnten sie 104 Fälle untersuchen. Immerhin: In 78 Fällen einigten sich Hersteller und GKV-Spitzenverband. Dieses Verfahren habe sich laut Greiner etabliert. Allerdings gab es auch 20 Marktrücknahmen, viele der betroffenen Arzneimittel durchliefen zuvor das Schiedsverfahren. Lediglich zwei Präparate, für die die Schiedsstelle bis Ende 2015 einen Erstattungsbetrag festsetzte, sind noch auf dem Markt, für eines ist die Rücknahme bereits angekündigt. Das Schiedsverfahren und die Frage, wie Marktrücknahmen verhindert werden können, gehören aus Sicht der DAK ebenfalls zu den AMNOG-Baustellen, an denen noch nachzuarbeiten ist.

Kompromiss zum rückwirkenden Erstattungsbetrag

Weniger streng zeigt sich der DAK-Report bei der Forderung nach einem rückwirkenden Erstattungsbetrag. Die Studienautoren sehen hier keinen großen Handlungsbedarf. Das mögliche Einsparpotenzial sei eher überschaubar. Auch Rebscher sieht die Problematik „differenzierter“ als andere Kassen, die fordern, der Erstattungsbetrag müsse ab dem ersten Tag auf dem Markt gelten. Diskussionswürdig findet Rebscher allerdings eine Rückwirkung zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung – also sechs Monate nach Markteintritt. Dann wisse der Hersteller bereits, wo die Reise hingehe. Und in den ersten Monaten habe ein Arzneimittel in der Regel noch keine so große Marktdurchdringung.

Da die frühe Nutzenbewertung bislang nicht die erhofften Einsparungen bringt, fordert die DAK-Gesundheit zur Eindämmung der Arzneimittelausgaben eine langfristige, systematische Kosten-Nutzen-Analyse. In dieser sollten die Arzneimittelpreise und dadurch eingesparte Behandlungskosten gegenüberstellt werden. |

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