Arzneimittel und Therapie

Mit Bakterien gegen Neurodermitis?

Hinweise auf den therapeutischen Nutzen von Synbiotika

Es gibt Anhaltspunkte, dass der Einsatz von Synbiotika zur Behandlung und Prävention der häufig bei Säuglingen auftretenden atopischen Dermatitis sinnvoll sein kann. In einer neuen Metaanalyse zeigte sich bei Kindern unter einem Jahr in sechs Behandlungsstudien ein Vorteil gegenüber Placebo. In zwei Präventionsstudien konnte ein positiver Effekt auf die Inzidenz gezeigt werden, der aber nicht signifikant war.

Schon länger wird diskutiert, dass Allergien bei Kindern mit einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Darms und einer geringeren Vielfalt an Darmbakterien in Zusammenhang stehen. Daher werden Pro- und Präbiotika als mögliche Therapieoption und zur Prävention allergischer Erkrankungen gesehen. Dazu gehört auch die atopische Dermatitis, die unter Säuglingen und Kindern eine Prävalenz von 15% bis 20% hat. Leider ist die Studienlage zum Einsatz von Probiotika nicht eindeutig, und die große Zahl an unterschiedlichen Präparaten mit verschiedenen Bakterienstämmen und Einnahmemengen erschwert die Interpretation. So legten zwei Metaanalysen einen positiven Effekt nahe, während andere wegen der inkonsistenten Ergebnisse keine Empfehlung abgeben konnten [3, 4]. Eine weitere Metaanalyse beschäftigte sich mit dem präventiven Potenzial von Präbiotika, Ballast­stoffen, die das Wachstum bestimmter Bakterienstämme fördern sollen, und fand ein signifikant verringertes Erkrankungsrisiko [5]. In der aktuellen Metaanalyse konzen­trierten sich Chang et al. auf den Einsatz sogenannter Synbiotika, Kombinationspräparaten aus Prä- und Probiotika [1]. Ausgewählt wurden Studien, in denen Synbiotika oral zur Behandlung oder Prävention von atopischer Dermatitis einsetzt wurden und die als Endpunkte die Schwere der Symptome (z. B. als SCORAD-Index) bzw. die Inzidenz hatten. Auch ist die Studienlage unbefriedigend: Von den 257 ursprünglich gefundenen Artikeln erfüllten nur acht die oben genannten Kriterien. Darunter waren sechs Studien (mit insgesamt 369 Kindern) zur Behandlung der atopischen Dermatitis und zwei Studien (insgesamt 1320 Kindern) zur Prävention.

Anti-, Prä-, Pro- oder Synbiotika?

Diese Begriffe beschreiben Substanzen oder Mikroorganismen, die im weitesten Sinne die Aktivität anderer (Mikro)organismen modulieren können. Antibiotika hemmen das Wachstum von Mikroorganismen. Als Probiotika werden Zubereitungen mit lebensfähigen Mikroorganismen bezeichnet, die einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den gesamten menschlichen Organismus haben sollen. Präbiotika sind keine lebenden Organismen, sondern verschiedene Poly- und Oligosaccharide,die die Aktivität von Bakterienarten speziell im Darm anregen sollen. Synbiotika sind eine Kombination aus Probiotika und Präbiotika, in der sich die Vorteile beider synergistisch ergänzen sollen. Die größte Bedeutung haben derzeit Probiotika mit verschiedenen Stämmen lebender Bakterien oder Hefe bestehen (E. coli Nissle 1917, Lactobacillus rhamnosus GG, Saccharomyces boulardii).

Erfolgreiche Therapie mit Bakterienmix

Bei den Behandlungsstudien schwankte der Behandlungszeitraum zwischen acht und zwölf Wochen. Die Auswertung ergab eine Reduktion des mittleren SCORAD-Index um 6,56 Punkte (max. 103 Punkte, ab 60 Punkten: schwere atopische Dermatitis) im Vergleich zur Kontroll-Gruppe bei einer Behandlungsdauer von acht Wochen. Ein längere Behandlung zeigte keine weiteren Vorteile. Dieser Effekt war jedoch nur signifikant, wenn eine Mischung aus verschiedenen Bakterienstämmen eingesetzt wurde und die Patienten älter als ein Jahr waren. In den beiden Studien, die Synbiotika nicht mit Placebo, sondern mit Präbiotika verglichen, konnte kein signifikanter Unterschied beobachtet werden.

Präventiver Effekt ist fraglich

In den zwei Präventionsstudien lag die Erkrankungsrate bei Kindern unter zwei Jahren in der Synbiotika-Gruppe bei 44% verglichen mit der Placebo-Gruppe. Allerdings waren diese Ergebnisse nicht statistisch signifikant, und beide Studien unterschieden sich in der Durchführung und den verwendeten Präparaten. Diese Metaanalyse brachte zwar ermutigende Ergebnisse, doch die Studienlage bleibt unzureichend. Es fehlen vor allem Daten zum Vergleich von Synbiotika mit Probiotika allein. Den jetzigen Ergebnissen zufolge ist eine Überlegenheit gegenüber Präbiotika nicht bewiesen. Weitere Studien, die auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Bakterienstämmen analysieren, sind vonnöten [2]. |

Quelle

[1] Chang J-S. Synbiotics for Prevention and Treatment of Atopic Dermatitis, JAMA Pediatr published online 25. Januar 2016, doi:10.1001/jamapediatrics.2015.3943

[2] Tang MLK. Examining the Evidence for Using Synbiotics to Treat or Prevent Atopic Dermatitis, JAMA Pediatr published online 25. Januar 2016

[3] Pelucchi C et al. Probiotics supplementation during pregnancy or infancy for the prevention of atopic dermatitis: meta-analysis. Epidemiology 2012;23(3):402-414

[4] Dang D et al. Meta-analysis of probiotics and/or prebiotics for the prevention of eczema. J Int Med Res 2013;41(5):1426-1436

[5] Kim SO et al. Effects of probiotics for the treatment of atopic dermatitis: ameta-analysis of randomized controlled trials. Ann Allergy Asthma Immunol 2014;113(2):217-226

Apothekerin Sarah Katzemich

Das könnte Sie auch interessieren

Probiotika für die Gesundheit einsetzen

Bakterien nutzen

Unterschiedliche Krankheitsbilder bei Ausbruch im Kindes- oder Erwachsenenalter

Atopische Dermatitis: Eine Frage des Alters

Mikrobiomforschung in der Dermatologie

Wohngemeinschaft Haut

Neue Wirkstoffe gegen atopische Dermatitis im Markt und in der Pipeline

Blick in die Zukunft

Pathogenese und leitliniengerechte Therapie der atopischen Dermatitis

Juckreiz, Schuppen, Rötung

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.