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Arzneimittel und Therapie
Grippewelle hat begonnen
Trivalenter Impfstoff schützt gegen den vorherrschenden Erreger
Die Influenza-Aktivität in Deutschland wird von der am Robert-Koch-Institut ansässigen Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) überwacht. Dafür stehen der AG drei Datenquellen zur Verfügung: Das Sentinelsystem mit Arztpraxen, die regelmäßig Patientendaten melden, Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) und das GrippeWeb. In wöchentlichen Berichten informiert die AG Influenza über die aktuelle Situation.
Sentinelpraxen
538 Arztpraxen melden wöchentlich Patientendaten zu akuten Atemwegserkrankungen (ARE, s. Kasten „Begriffsdefinitionen“). Diese Angaben sind Basis für die Berechnung des sogenannten Praxisindex, der die Aktivität der Atemwegserkrankungen beschreibt (s. Kasten). Auch wenn der Praxisindex nicht nur Influenza-assoziierte Erkrankungen erfasst, dient er zur sogenannten „syndromischen Surveillance“, also zur Beobachtung der mit Influenza verbundenen Morbidität.
Darüber hinaus senden die Praxen Rachenabstriche betroffener Patienten ein, die dann im Nationalen Referenzzentrum für Influenza (NRZ) zur „virologischen Surveillance“ analysiert werden. In grippefreien Zeiten werden wöchentlich zwischen 60 und 90 Proben eingesandt. Aktuell analysiert das Referenzzentrum pro Woche ungefähr 140 Proben. Anhand der virologischen Untersuchung wird die Positivenrate ermittelt (s. Kasten). Diese dient dazu, die Grippewelle zeitlich zu definieren: Die Welle beginnt bzw. endet, wenn die Positivenrate in zwei aufeinanderfolgenden Wochen 10% über- bzw. unterschreitet.
Begriffsdefinitionen
Akute Atemwegserkrankungen (ARE): Das Syndrom „akute Pharyngitis, Bronchitis oder Pneumonie mit oder ohne Fieber“.
Praxisindex: gemittelte relative Abweichung der Anzahl Atemwegserkrankungen gegenüber einem winterlichen Normalniveau ohne anhaltende Influenzazirkulation. Das Normalniveau ist auf 100 festgesetzt. Steigt der Praxisindex über 115, gilt die Aktivität der Atemwegserkrankungen als erhöht.
Positivenrate: Anteil der von den Sentinelpraxen eingesandten Rachenabstriche, bei denen Influenzaviren nachgewiesen wurden. Häufig wird eine zunehmende Positivenrate vor einem signifikanten Anstieg der Erkrankungszahlen beobachtet und dann als „bedeutsame“ Viruszirkulation bezeichnet.
Im Sentinelsystem ist Deutschland in zwölf Regionen aufgeteilt, so dass auch regionale Verläufe verfolgt werden können. Die Einteilung entspricht weitestgehend den sechzehn Bundesländern, allerdings sind Rheinland-Pfalz und das Saarland zusammengefasst sowie die drei Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin dem sie umgebenden Bundesland zugeordnet. Besonders betroffen sind derzeit der Osten Deutschlands, Nordbayern sowie Teile Niedersachsens.
Meldungen gemäß IfSG
Influenza ist eine meldepflichtige Erkrankung. Laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen im Labor nachgewiesene Fälle gemeldet werden – auch dann, wenn sie mit dem patientennahen Influenza-Schnelltest nachgewiesen wurden. Diese Tests werden jedoch bei Weitem nicht für jeden Patienten durchgeführt. Ihr Einsatz ist zudem nicht von der Gesamtzahl der Influenzafälle abhängig, sondern vielmehr von der aktuellen öffentlichen Aufmerksamkeit für die Grippe und von gesetzlichen Vorgaben wie der Kostenerstattung. Zudem ist bei diesen Meldungen der Erregerstamm nicht immer genau spezifiert.
Seit Oktober 2015 wurden im Rahmen des IfSG 4659 labordiagnostisch bestätigte Influenzainfektionen an das Robert-Koch-Institut übermittelt. Auch zehn Todesfälle von Influenza-Patienten wurden gemeldet.
GrippeWeb
Das GrippeWeb ist ein weiteres Projekt des Robert-Koch-Instituts. Die Plattform ging 2011 online und sammelt direkt bei der Bevölkerung Informationen über die Aktivität von Atemwegserkrankungen. Jeder kann dem Aufruf „Spenden Sie der Wissenschaft pro Woche eine Minute!“ folgen und sich auf grippeweb.rki.de registrieren. Teilnehmer melden einmal pro Woche, ob Atemwegserkrankungen bei ihnen selbst oder bei Familienmitgliedern neu aufgetreten sind. Die Rate der innerhalb einer Woche neu aufgetretenen Infektionen liegt unter den 3400 Teilnehmern derzeit bei 9,3%.
Was meldet die AGI aktuell?
Die Grippewelle hat in der zweiten Kalenderwoche begonnen (s. Abbildung), denn die Positivenrate lag in der ersten und zweiten Januarwoche bei zehn bzw. 18% und steigt seitdem weiter. Ende Januar betrug sie bereits 42%. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt in 62% der eingesendeten Proben respiratorische Viren identifiziert. Außer Influenzaviren wurden auch Adeno-, Rhino- Respiratorische Synzytial- sowie humane Metapneumoviren nachgewiesen.
Der Praxisindex zeigte in der dritten Januarwoche mit 129 Punkten eine geringfügig erhöhte und mit 145 in der Folgewoche eine moderat erhöhte Aktivität bei den Atemwegserkrankungen. Die Tendenz ist weiter steigend. Der Verlauf des Praxisindex ist somit dem der Positivenrate ähnlich.
Trivalente Impfstoffe passen
Ein Grund für die vergleichsweise stark ausgeprägte Grippewelle der letzten Saison bestand darin, dass der Impfstoff gegen den am häufigsten auftretenden Erreger A (H2N3) nur unzureichend schützte.
Das könnte dieses Jahr anders sein. Denn bislang hat das Nationale Referenzzentrum bei 70% der Influenzanachweise den Erreger A (H1N1) pdm 09 identifiziert, gegen den die A (H1N1)-Komponente in den diesjährigen trivalenten Impfstoffen wirksam ist (s. Kasten: Impfstoffe der Saison 2015/2016). Auch der mit 8% am seltensten auftretende Erreger A (H3N2) reagiert gut mit den A (H3N2)-Antigenen der aktuellen Impfstoffe. Bei den in 22% der Fälle nachgewiesenen Influenza-B-Viren dominiert die Victoria-Linie, gegen die tetravalente Impfstoffe zusätzlichen Schutz bieten.
Impfstoffe der Saison 2015/16
Trivalente Impfstoffe
enthalten Antigene folgender Stämme:
- A/California/07/2009 (H1N1) pdm 09-ähnlich
- A/Switzerland/9715293/2013 (H3N2)-ähnlich
- B/Phuket/3073/2013-ähnlich (Yamagata-Linie)
Tetravalente Impfstoffe
enthalten zusätzlich Antigene von B/Brisbane/60/2008 (Victoria-Linie)
Impfquoten zu niedrig
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Grippeimpfung für chronisch Kranke, Schwangere, medizinisches Personal und Menschen über 60 Jahren. Zielvorgabe der Europäischen Union war, dass bis zum Jahr 2015 unter den älteren Menschen eine Impfquote von 75% erreicht werden sollte. In Deutschland ist diese Quote allerdings eher rückläufig und liegt derzeit bei nur 37%. Die STIKO fordert deshalb größere Anstrengungen, um den Nutzen der Impfung noch klarer herauszustellen. |
Quelle
Influenza-Wochenbericht KW4 der AG Influenza: influenza.rki.de
Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2014/15 des Robert-Koch-Instituts: influenza.rki.de
Grippeweb: grippeweb.rki.de
Epidemiologisches Bulletin Nr. 1, 11. Januar 2016: www.rki.de
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