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AMTS: Ein Fall für den Innovationsfonds
Auf der Suche nach einem alltagstauglichen Modell zur Arzneimitteltherapiesicherheit
Der Innovationsfonds kommt in Fahrt. Die Strukturen sind geschaffen, der Expertenbeirat berufen – bald können sich Projekte um eine Förderung bewerben. Insgesamt 1,2 Milliarden Euro stehen für vier Jahre zur Verfügung. Viele dürften derzeit auf diese Gelder schielen. Josef Hecken hatte schon früh durchklingen lassen, dass er AMTS-Projekte für besonders förderungswürdig hält. Dies bestätigte er am 2. Februar bei der Konferenz „Innovationen für mehr Sicherheit“ der Techniker Krankenkasse in Berlin.
Es habe seinen Grund, warum AMTS-Projekte schon an „vornehmer Stelle“ in der Gesetzesbegründung – der Innovationsfonds wurde im vergangenen Jahr mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingeführt – zu finden seien. Auch auf der Agenda des Innovationsausschusses stünden sie bei der ersten anstehenden Tranche an vorderster Stelle förderungswürdiger Projekte.
Jeder will AMTS
Schließlich ist AMTS etwas, das jeder will. Dass bei der Arzneimittelversorgung einiges verbesserungswürdig ist, sei kein Geheimnis. Viele Zahlen schwirren zu diesem Komplex durch die Luft: So sollen 6,5 Prozent aller Krankenhauseinweisungen durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen bedingt sein – ältere Menschen sind dabei besonders häufig betroffen. Und die Probleme in diesem Bereich wachsen, je älter und multimorbider die Patienten werden. Doch aller Erkenntnis zum Trotz: Eine echte Lösung ist noch nicht gefunden. Es gibt zwar einige Modellprojekte – doch noch keines brachte einen Durchbruch.
Und hier sieht Hecken die große Chance des Innovationsfonds. Dieser könnte dafür sorgen, dass ein überzeugendes Modell mittelfristig – in vier, fünf Jahren – tatsächlich Einzug in die Regelversorgung hält. Zwei, drei unterschiedliche Ansätze könnten seines Erachtens erprobt werden – am Ende werde sich dann zeigen, wo die Evidenz am überzeugendsten ist.
Apotheker einbeziehen
Allerdings hat Hecken gewisse Vorstellungen und Ansprüche, wie diese Projekte aussehen müssten. Am besten ist aus seiner Sicht eines, bei dem ohne Zeitverzug sämtliche Verordnungsdaten – mit Diagnosen hinterlegt – bei der Krankenkasse zusammenlaufen und dem Folgeverordner zur Verfügung gestellt werden können. Auch im Notfall müsse die bestehende Medikation sofort erkennbar sein. Solange ein solches Medium, in dem unter Einbindung von Hausärzten und Apotheken alles zusammenläuft, nicht vorhanden ist, müsse man sich über andere Projekte, etwa zur Verblisterung von Arzneimitteln, gar nicht unterhalten, so Hecken. Dass Apotheker in die Projekte einbezogen sein müssen, ist für ihn klar. Dies sei schon nötig, um die OTC-Medikation der Patienten im Blick zu behalten.
Dieses von ihm gewünschte Zusammenlaufen der Daten dürfe dabei nicht vom „good will“ des Patienten abhängen, betonte Hecken. Langwierige datenschutzrechtliche Diskussionen will er aber vermeiden. Er hat dazu einen klaren Standpunkt: Wer von der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung profitieren will, muss auch seinen Beitrag leisten und alles dafür tun, dass Belastungen des Systems abgewendet werden. Dazu gehört für Hecken auch, dass der Versicherte seine Daten zur Verfügung stellt. Allerdings sieht er den potenziellen Widerstand auch weniger vom Patienten ausgehen als von den Ärzten, die meinen, sie könnten zu „gläsernen Verordnern“ werden. Hier müsse man den Ärzten deutlich machen, dass das Erfassen der Verordnungsdaten nicht der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung dienen soll. Hecken hätte daher auch nichts gegen eine anonyme Erhebung.
ARMIN und ATHINA
Die niedersächsische Kammerpräsidentin Magdalene Linz zeigte auf, wie AMTS in der Apotheke gelebt wird. Schon die Apothekenbetriebsordnung weise dem Medikationsmanagement und der AMTS ihren Platz in der Apotheke zu. Linz gab einen Überblick über laufende Projekte und ging näher auf die beiden bekanntesten ein: ARMIN – die Arzneimittelinitiative Thüringen und Sachsen – und ATHINA (Arzneimittel-Therapiesicherheit in Apotheken), zu der es Schulungen in Nordrhein, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen gibt. ARMIN hatte bekanntlich mit einigen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen – diese waren technischer Art, die Vernetzung der Software von Ärzten und Apothekern gestaltete sich komplizierter als gedacht. Nunmehr sind 30 Arzt-Apotheker-Testpaare mit der Erprobung des Medikationsplans befasst – wenn es läuft, soll weiter ausgerollt werden.
Näher liegt Linz aber ATHINA, das seinen Ursprung in Nordrhein hatte, nun aber weitere Kreise zieht. Ende 2015 hatten 1009 Apotheker die für die Teilnahme nötige Schulung durchlaufen, 431 ein Zertifikat. 2300 Patienten sind eingebunden, sie sind im Schnitt 75 Jahre alt und nehmen knapp elf Arzneimittel ein. Derzeit, so Linz, laufe an der Universität Heidelberg eine Evaluation. Wichtig sei auch bei diesem Projekt, dass Arzt und Apotheker zusammenarbeiten und sich nicht über ihre Fachkompetenzen streiten. Die Medizinische Hochschule Hannover beteilige sich gerade an einem EU-weiten Projekt zu Polypharmazie (SIMPATHY - Stimulating Innovation Management of Polypharmacy and Adherence in The Elderly), an dem auch die Apothekerkammer Niedersachsen mit ATHINA beteiligt ist. Linz meint: ATHINA ist ein Projekt, das auch den Ansprüchen Heckens genügt.
Zielgenauer Einsatz
Insgesamt ist es um die Erfolgsbilanz bisheriger AMTS-Projekte allerdings nicht zum Besten bestellt. Gut gemeint sei nicht immer gut gemacht, betonte Professor Dr. Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Maßnahmen zur Verbesserung der AMTS seien nun einmal nicht trivial. Problematisch sei vor allem ein zu weiter Ansatz. Vielmehr müssten frühzeitig so gut wie möglich die Patienten identifiziert werden, die von einer Intervention, die für Ärzte und Apotheker durchaus zeitaufwendig ist, tatsächlich profitieren. Erst wenn die komplexe Intervention auf Wirksamkeit und Kosteneffektivität überprüft ist, könne mit der Implementierung in die Regelversorgung mit begleitender Evaluation begonnen werden. |
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