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Arzneimittel und Therapie
Multiple Sklerose: Forschung zahlt sich aus
Langzeitstudie bestätigt Nutzen der Pharmakotherapie
MS ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems und verläuft zumeist in Schüben. Hierbei greift ein fehlgeleitetes Immunsystem die Myelinscheiden an und zerstört die Nervenzellen. Je nachdem, ob sich die angegriffenen Regionen im ZNS regenerieren oder vernarben, normalisieren sich die Funktionen nach einem Schub wieder, oder aber die Patienten bleiben beeinträchtigt. Bei MS-Patienten können im Krankheitsverlauf viele solcher Vernarbungen („multiple Sklerosen“) entstehen, woraus sich auch der Name der Krankheit ergibt.
Therapie stetig verbessert
Für Patienten mit schubförmiger MS stehen mehrere Medikamente zur Verfügung, die den Angriff des Immunsystems auf die Nervenzellen abschwächen, wobei die Möglichkeiten zur Therapie im Laufe der Zeit erheblich verbessert wurden. Bei einer akuten schubförmigen Verschlechterung wurden bis vor 20 Jahren hauptsächlich Cortison-Präparate als Stoß-Therapie aber auch bei primär oder sekundär chronisch-progredienten Verläufen eingesetzt, um die Symptome zu dämpfen und ein rasches Abklingen zu erzielen. Mit seit den 1990er-Jahren erhältlichen Interferon-Beta-Präparaten standen erstmals immunmodulierende Basistherapeutika zur Verfügung, die MS-Schübe verhindern und zum Teil das Fortschreiten der Krankheit hinauszögern konnten. Seit 2001 ist das besser verträgliche synthetische Peptidgemisch Glatirameracetat (Copaxone®) zugelassen. Zehn Jahre später wurden mit Fingolimod (Gilenya®), Teriflunomid (Aubagio®) und Dimethylfumarat (Tecfidera®) orale Basistherapeutika verfügbar, was die Compliance der MS-Patienten förderte. Darüber hinaus ergänzen monoklonale Antikörper wie Rituximab (MabThera®), Natalizumab (Tysabri®) oder Alemtuzumab (Lemtrada®) das Repertoire an MS-Therapeutika.
Was haben die Patienten davon?
Um die Effekte der neuen medikamentösen Therapieoptionen auf den Langzeitverlauf der Erkrankung zu beurteilen, hat ein Forscherteam der University of California in San Francisco die Daten von 517 Patienten ausgewertet, die ab Behandlungsbeginn bis zu zehn Jahre beobachtet wurden. Die Entwicklung der Symptomatik seit Diagnosestellung wurde mittels EDSS (Expanded Disability Status Scale) verifiziert und reichte von 0 (keine neurologischen Auffälligkeiten) bis 10 (Tod). Die meisten Patienten erhielten anfänglich eine Behandlung mit Interferon-Beta oder Glatirameracetat und dann gegebenenfalls neuere Substanzen wie Natalizumab, Rituximab oder Cyclophosphamid bzw. Fingolimod, Dimethylfumarat und Teriflunomid. Hierbei zeigte sich, dass der EDSS-Wert bei 41% der Patienten stabil blieb oder sich sogar verbesserte. Einen Wert von 6 oder mehr erreichten während der medianen Krankheitszeit von 16,8 Jahren nur 10,7% der Patienten, gegenüber bis zu 50% aus Daten früherer Studien. 18,1% der Patienten, die anfänglich mit einer schubförmigen MS therapiert wurden, entwickelten eine progrediente MS. Dieser schwerste Krankheitsverlauf ist auch mit den modernen MS-Therapeutika kaum beeinflussbar. Dennoch zeigt sich auch hier eine erhebliche Verbesserung: In früheren Studien lag die Rate an Konversionen noch bei 35 bis 50%.
Ursache bald geklärt?
Deutsche Wissenschaftler haben erstmals einen Zusammenhang zwischen dem Blutgerinnungssystem und dem Entstehen von multipler Sklerose (MS) beim Menschen nachgewiesen. Der Spiegel der Gerinnungsfaktoren Prothrombin und Faktor X ist im Blut von Patienten mit schubförmiger MS höher als bei Gesunden. Man vermutet, dass Gerinnungsfaktoren die Entzündungsprozesse bei neurologischen Krankheiten maßgeblich vorantreiben.
Weitermachen!
Insgesamt entwickelten jedoch 59% der Patienten eine klinisch relevante Behinderung, weshalb weiterhin der Bedarf an neuen, hochpotenten und gut verträglichen MS-Therapeutika besteht. Mehrere potenzielle Wirkstoffkandidaten (z. B. Siponimod, Ozanimod) befinden sich derzeit in klinischer Prüfung. Wichtig wäre es auch, eine entsprechende Vorhersage für den Verlauf und das individuelle Ansprechen auf die Therapie zu ermöglichen. Im Rahmen der Studie wurde vor allem der Kernspintomografie ein klinisch relevanter Nutzen abgesprochen. Es bedarf somit auch zukünftig intensiver Forschung auf dem Gebiet der bildgebenden Verfahren zur Verlaufskontrolle bei MS. |
Quellen
https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/dauerbehandlung-multiple-sklerose (27.11.2016)
University of California, San Francisco MS-EPIC Team. Ann Neurol 2016;80(4):499-510
2 Kommentare
MS ist beeinflussbar.
von Hermann Büsken am 11.10.2019 um 11:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
MS ist beeinflussbar.
von Hermann Büsken am 11.10.2019 um 11:20 Uhr
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