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Medizin

Zellulitis – eine Infektionskrankheit

Bakterielle Hautinfektionen können systemisch werden

Akute Hautinfektionen sind ein häufigerer Grund für einen Arztbesuch als gemeinhin an­genommen. Die unkomplizierte Form wird in der Regel von Staphylokokken oder Streptokokken verursacht und lässt sich antibiotisch gut therapieren. Dabei muss auf Risikofaktoren und Komorbiditäten des Patienten ge­achtet werden. Eine gefürchtete, wenn auch seltene Komplikation ist eine tiefe Infektion mit Faszienbeteiligung und systemischer Ausdehnung, die mit einer hohen Mortalität einhergeht. | Von Clemens Bilharz

Unter Zellulitis versteht man eine akute, bakteriell verursachte Hautinfektion, welche die Epidermis (Oberhaut) und Dermis (Lederhaut) sowie das subkutane Gewebe betrifft (zur nicht-entzündlichen Cellulite siehe den Kasten). International werden Haut- und Weichteilinfektionen terminologisch nicht einheitlich beschrieben, oft werden die Begriffe Zellulitis und Erysipel synonym gebraucht. Beim Erysipel ist die Infektion auf die (Epi-)Dermis beschränkt, allerdings sind die Lymphgefäße mitbefallen.

Zellulitis? Cellulitis? Cellulite?

Bekanntermaßen bezeichnet der Begriff „Zellulitis“ auch die sich bei nahezu allen Frauen entwickelnde Veränderung von Haut und Subkutangewebe. Vor allem an den Hüften und Oberschenkeln nehmen im Laufe des Lebens die Unebenheiten des kutanen Oberflächenreliefs zu („Orangenhaut“). Die „Dellen“ können durch einen Kneiftest provoziert werden (Grad 1) oder von allein im Stehen (Grad 2) oder auch im Liegen (Grad 3) vorhanden sein.

Die Ursachen sind nach wie vor nicht sicher geklärt; es werden u. a. folgende Einflussfaktoren diskutiert:

  • eine Dickenzunahme der subkutanen Fettschicht,
  • eine verringerte Dicke der Dermis (Lederhaut mit Kollagen- und elastischen Fasern),
  • intradermale Fettgewebsprotrusionen,
  • eine verringerte Dichte subkutaner Bindegewebssepten.

Um diese Hautveränderung von der entzündlichen Hauterkrankung Zellulitis (oder: Cellulitis) abzugrenzen, verwendet man besser den ursprünglichen französischen Begriff „Cellulite“. Der Fachterminus ist „gynoide Dystrophie“.

Wird die Infektion purulent (eitrig), ohne dass sich ein drainierbarer Abszess bildet, spricht man im deutschsprachigen Raum auch von einer Phlegmone. Die eitrigen Infektionen sind diffus, reichen bis zur Faszie oder gar zum Muskel- und Sehnengewebe und können zu großflächigen Nekrosen führen. Die Grenze zur nekrotisierenden Fasziitis ist hierbei fließend.

Epidemiologisch sind Haut- und Weichteilinfektionen wegen der unklaren Abgrenzung zu anderen Entzündungen nicht leicht zu erfassen. Insgesamt hat ihre Häufigkeit weltweit zugenommen, nicht zuletzt auch aufgrund der Ausbreitung des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA).

Schwieriger Erregernachweis

Die häufigsten Erreger der Zellulitis bei immunkompetenten Personen sind Staphylococcus aureus und β-hämolysierende Streptokokken vor allem der Gruppe A (S. pyogenes). In manchen Fällen kommen auch gramnegative Bakterien infrage, etwa bei Patienten mit Immunschwäche, Diabetes mellitus oder Leberzirrhose.

Ein eindeutiger Erregernachweis ist generell schwierig. Blutkulturen sind in lediglich fünf bis acht Prozent der Fälle positiv. Kulturen aus einer Stanzbiopsie ergeben in 20 bis 30 Prozent und Kulturen aus einer Nadelaspiration in bis zu 40 Prozent der Fälle positive Resultate. In einer amerikani­schen Studie mit erwachsenen und pädiatrischen Patienten fanden sich in 51 Prozent der positiven Kulturen S. aureus und in 27 Prozent β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A.

Mehr als die Hälfte der purulenten Zellulitiden wird in den USA durch „community associated“ MRSA (CA-MRSA) verursacht – also durch Infektionen im familiären oder sozialen Umfeld außerhalb von Kliniken. Auch in Europa wurde ein vermehrtes Auftreten von CA-MRSA-Infektionen registriert, allerdings gibt es große nationale Unterschiede. Hierzulande kommen CA-MRSA nach wie vor nur selten vor. Zudem waren in Deutschland die nosokomialen MRSA-Fälle laut Robert Koch-Institut 2014 (wie auch in den Jahren zuvor) leicht rückläufig.

Die Beine sind am häufigsten befallen

Typisch für eine akute Zellulitis ist eine schmerzhafte und überwärmte Hautrötung, die sich rasch ausbreitet und mit einem (Lymph-)Ödem einhergeht. Anders als beim Erysipel ist der Entzündungsrand nicht scharf demarkiert. Bei schweren Verläufen können sich mit klarer Flüssigkeit gefüllte Blasen ausbilden; auch punktförmige (Petechien) oder fleckenförmige Hautblutungen (Ekchymosen) sind möglich.

In der Regel tritt die Zellulitis einseitig auf und ist am ­häufigsten an der unteren Extremität lokalisiert. Die obere Extremität kann z. B. betroffen sein durch häufige unsterile i.v.-Drogenapplikation oder – als Handphlegmone – durch eine infizierte Biss- oder Stichverletzung.

Je nach Evaluation geht die akute Zellulitis in 22,5 bis 77,3 Prozent der Fälle mit Fieber einher. Bei schwererem Verlauf sind auch andere systemische Infektionszeichen möglich, z. B. Krankheitsgefühl, Tachykardie, Hypotonie, Leukozytose und erhöhtes C-reaktives Protein (sog. SIRS-Kriterien, s. Abb. 1).

Zu den SIRS-Kriterien (systemic inflammatory response syndrome) gehören u. a. Körpertemperatur > 38 °C (bzw. < 36 °C), Herzfrequenz > 90/min, Atemfrequenz > 20/min und Leukozytenzahl > 12.000/mm3 (bzw. < 4000/mm3). Quelle: Infectious Disease Society of America, Practice Guidelines, 2014.

Man geht davon aus, dass die Infektion weniger aufgrund der (ohnehin oft geringen) Bakterienkonzentration eskaliert als aufgrund der Wirkung von Bakterientoxinen und Entzündungsmediatoren.

Beim Erysipel ist das Lymphsystem beteiligt

Ein Erysipel wird fast immer durch β-hämolysierende Streptokokken (meist der Gruppe A) verursacht wird, seltener durch Staphylokokken (bei Eiter ist S. aureus der wahrscheinlichste Erreger). Bestimmte Symptome lassen Rückschlüsse auf weitere Erreger zu. So ist eine Krepitation („Knirschen“) bei der Palpation der Rötung oder Schwellung verdächtig auf gasbildende Bakterien (z. B. gramnegative Bazillen), während ein süßlicher Geruch auf Clostridien oder Pseudomonas hinweisen kann.

Wie bei der Zellulitis sind die Beine am häufigsten betroffen. Bei der Abgrenzung beider Krankheiten sprechen folgende Merkmale für ein Erysipel:

  • Das Erythem ist – im Gegensatz zur Zellulitis – scharf begrenzt und flammend rot (deshalb im Volksmund „Wundrose“ oder „Rotlauf“); die Hautläsionen können erhaben sein.
  • Typisch ist auch die Beteiligung des lymphatischen Systems mit einer Lymphangitis und schmerzhaften regionalen Lymphknoten.

Eine klassische, wenn auch eher seltene Mani­festation ist das schmetterlingsförmige Gesichts­erysipel.

An prädisponierende Faktoren denken

Da die bakterielle Anzüchtung oft unergiebig ist, wird die Zellulitis zunächst aufgrund der Anamnese sowie der klinischen Untersuchung diagnostiziert, je nach Fragestellung flankiert von einer sonografischen oder radiologischen Diagnostik. Ein erhöhter Laborwert der Creatinkinase (CK) kann auf einen muskulären Befall und damit auf eine nekrotisierende Fasziitis hinweisen.

Verschiedene lokale sowie systemische Risikofaktoren können zur Entwicklung einer Zellulitis oder eines Erysipels beitragen (Tab. 1). Eine gestörte epidermale Barriere aufgrund einer Hautläsion dient als lokale Eintrittspforte für Erreger. Als wichtiger systemischer Risikofaktor der Zellulitis gilt das Lymphödem, weil Lymphe das Bakterienwachstum zu fördern scheint.

Tab. 1: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Zellulitis oder eines Erysipels.
Lokal: Hautläsionen
Systemisch: Erkrankungen
  • trockene Haut mit Fissuren
  • Verletzung der Haut durch Trauma (Schnitt, Biss) oder chirurgischen Eingriff
  • Schädigung der Haut durch (Druck-)Ulzera, Mykosen wie Tinea pedis (Fußpilz) oder eingewachsenen Zehennagel
  • chronisches juckendes Hautekzem
  • Adipositas
  • Diabetes mellitus
  • periphere arterielle Verschlusskrankheit
  • chronische venöse Insuffizienz
  • Lymphödem
  • Zustand nach Entfernung der Vena saphena magna
  • Immunschwäche

Was die Hautrötung betrifft, kommt differenzialdiagnostisch u. a. eine allergische Reaktion oder Kontaktdermatitis infrage, aber auch Gicht, Herpes zoster im Frühstadium vor der Bläschenbildung, eine akute Bursitis (Schleimbeutel­entzündung) oder – selten – ein Erythema migrans (Lyme-Borreliose). Da Zellulitis und Erysipel am häufigsten die unteren Extremitäten betreffen, wird eine Stauungsdermatitis bei chronischer venöser Insuffizienz häufig als entzünd­liche Hautinfektion fehldiagnostiziert.

Therapie mit Antibiotika

Dem mutmaßlichen Erregerspektrum entsprechend muss die antibiotische Therapie einer milden bis moderaten Zellulitis gut wirksam gegen Streptokokken und S. aureus sein. Mögliche Optionen bei nicht-purulenter Zellulitis zeigt der Algorithmus (Abb. 1). Um das Ansprechen auf die Therapie klinisch beurteilen zu können, muss die Ausdehnung der Hautrötung initial klar markiert oder dokumentiert werden. Die befallene Extremität sollte hochgelagert werden, damit das Ödem und Entzündungsmediatoren rascher drainiert werden. Bei gutem Verlauf wird für die meisten Fälle eine Therapiedauer zwischen fünf und zehn Tagen empfohlen.

Extremer Verlauf: nekrotisierende Fasziitis

In seltenen Fällen kommt es zu einer foudroyant verlaufenden, über die Subkutis hinausgehenden Infektion, die mit einer rasch fortschreitenden Nekrose auch des Fettgewebes und der Faszien einhergehen kann (Abb. 2). Da die typischen klinischen Merkmale initial fehlen, ist die nekrotisierende Fasziitis im Frühstadium nicht leicht von der Zellulitis oder dem Erysipel zu unterscheiden. Alarmzeichen sind

starke Schmerzen, die inadäquat erscheinen angesichts eines geringen oder fehlenden Lokalbefunds,

nach subakutem Verlauf eine plötzliche und rasche Ausbreitung der Rötung (auch unter bereits begonnener Antibiotikatherapie),

Ödembildung mit holzartiger Verhärtung des subkutanen Gewebes,

schwere systemische Infektions­zeichen (hohes Fieber, ausgeprägte Hypotonie, rasche Verschlechterung des Allgemeinzustands).

Foto: Science Photo Library/Custom Medical Stock Photo/Ribotsky D.p.m.
Abb. 2: Nekrotisierende Fasziitis. Der Befund zeigt dunkel verfärbte Haut, Ulzerationen, mit visköser Flüssigkeit gefüllte Blasen und subkutane Nekrosen.

Im weiteren Verlauf wird die Hautrötung fleckförmig inhomogen und verfärbt sich dunkelrot bis bläulich-livid. Zusätzlich bilden sich Blasen mit hämorrhagischem Inhalt sowie Nekrosen, die von der Haut über das Subkutangewebe bis zu den Faszien reichen. Manchmal führt die Zerstörung sensibler Hautnerven zu einer Anästhesie der darüber liegenden Hautareale. Eine intensivmedizinische Überwachung eines Patienten mit nekrotisierender Fasziitis in diesem Stadium ist obligat. Ohne frühzeitige chirurgische Intervention droht ein Schock mit Multiorganversagen; die Mortalität liegt bei bis zu 40 Prozent.

Chirurgisch ist in der Regel ein radikales, oft auch wiederholtes Debridement mit vollständiger Entfernung der nekrotischen Strukturen indiziert.

Antibiotisch wird „breit“ therapiert, ähnlich wie bei der nicht-purulenten Zellulitis, etwa mit Imipenem/Cilastin, Meropenem oder Piperacillin/Tazobactam kombiniert mit Clindamycin (Abb. 1). |

Literatur

[1] Raff AB. Cellulitis. A Review. JAMA 2016;316(3):325-337

[2] Bassetti S, Piso RJ, Itin P. Haut- und Weichteilinfektionen: Zellulitis, Erysipel und nekrotisierende Fasziitis. Schweiz Med Forum 2013;13(35):672-677

[3] Robert Koch-Institut. MRSA in Deutschland – Update 2013/2014. ­Epidemiologisches Bulletin 31/2015

[4] Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Diagnostik und Therapie Staphylococcus aureus bedingter Infektionen der Haut und Schleimhäute. AWMF-Register Nr. 013-038, Stand 4/2011 (zurzeit in Überprüfung)

Autor

Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.

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