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Beratung

„Ich kann nicht schlafen!“

Möglichkeiten der Selbstmedikation bei behandlungsbedürftigen Schlafstörungen

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Schlaf. Trotzdem ist dieser bis heute ein in weiten Teilen unverstandenes Phänomen. Unstrittig ist, dass erholsamer Schlaf sowohl für das seelische als auch für das körperliche Wohlbefinden unverzichtbar ist, denn währenddessen laufen wichtige Regenerationsprozesse ab. Umso wichtiger ist es, bei Problemen mit dem Ein- oder Durchschlafen Hilfe anbieten zu können. | Von Silke Laubscher

Laut einer repräsentativen Studie des Robert Koch-Instituts zur „Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ litt circa ein Drittel der 8000 Teilnehmer während der letzten vier Wochen unter Ein- oder Durchschlafstörungen. Bei 5,7% der Befragten waren die Beschwerden so stark ausgeprägt, dass sie behandelt werden mussten. Dabei waren Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer - Altersunterschiede gab es erstaunlicherweise keine. Doch wann ist eine Schlafstörung behandlungsbedürftig? Das ist dann der Fall, wenn Betroffene länger als einen Monat mindestens dreimal pro Woche an Schlafstörungen leiden und zusätzlich eine Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit z. B. der Leistungsfähigkeit oder Aufmerksamkeit auftritt.

Fragen an den Patienten

  • Wer ist betroffen?
  • Seit wann haben Sie die Schlafbeschwerden?
  • Wie äußert sich die Schlafstörung?
  • Wie viele Stunden schlafen Sie?
  • Könnten äußere Umstände Ihre Schlafschwierigkeiten verursachen? (Schichtarbeit, Prüfung, Lärm …)
  • Haben Sie irgendwelche Grunderkrankungen?
  • Nehmen Sie weitere Arzneimittel ein?
  • Was haben Sie bereits gegen Ihre Schlafstörungen unternommen?

Vielfältige Ursachen

Es gibt viele Auslöser für ruhelose Nächte. So können seelische Belastungen und Stress dazu führen, dass die Patienten kein Auge zubekommen. Auch ungünstige Umgebungsbedingungen wie ein lauthals schnarchender Partner, zu hohe Raumtemperaturen oder einfach nur eine unbequeme Matratze können zu schlaflosen Nächten führen. Durch Abweichungen vom natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus kann es zu einer Störung der inneren Uhr kommen. Das äußert sich nach dem Überfliegen mehrerer Zeitzonen im Jetlag, aber auch Schicht- oder Nachtarbeiter kennen dieses Problem. Außerdem gibt es eine Reihe von Grunderkrankungen, die für schlechte Nächte sorgen können. So klagen 75% der Patienten mit Morbus Parkinson und mehr als die Hälfte aller Schlaganfall-Patienten über Schlafstörungen. Aber auch Kunden, die an Depressionen, Angststörungen, chronischen Schmerzen, Epilepsie oder schlafbezogenen Atmungs- und Bewegungsstörungen wie dem Schlafapnoe- oder Restless-Legs-Syndrom leiden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, nachts wach zu liegen. Dies gilt ebenso für Menschen mit Hypertonie, koronarer Herzkrankheit (KHK), Asthma, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Diabetes oder Hyperthyreose. Prinzipiell muss zunächst die für die Schlafstörung verantwortliche Grunderkrankung ärztlich behandelt werden, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden. Auch Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche mit Schlafproblemen sollten grundsätzlich immer zuerst an einen Arzt verwiesen werden.

Der Apotheker sollte im Beratungsgespräch aber auch im Auge behalten, dass es eine lange Liste von Arzneimitteln gibt, die vor allem bei längerfristiger Anwendung einen erholsamen Schlaf verhindern können (siehe Kasten „Arzneistoffe, die den Schlaf stören können“).

Substanzen, die den Schlaf stören können

  • Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer)
  • Anticholinergika (z. B. Darifenacin)
  • antriebsteigernde Antidepressiva
  • Antihypertensiva (z. B. Betablocker)
  • Antiparkinsonmittel (z. B. L-Dopa)
  • Coffein (z. B. in Schmerz- und Grippemitteln)
  • Glucocorticoide
  • Antidementiva (Donepezil, Rivastigmin)
  • Diuretika (durch Nykturie)
  • Schilddrüsenhormone
  • Sympathomimetika (z. B. Pseudoephedrin)
  • Antiasthmatika (Theophyllin)
  • Alkohol, Nicotin

Manchmal reichen bereits kleine Maßnahmen aus, um dieses Problem zu umschiffen. Werden beispielsweise Diuretika abends eingenommen, kann der nächtliche Harndrang die Bettruhe stören. Hier liegt die Lösung auf der Hand: Der Patient sollte die Einnahme seiner „Wassertabletten“ auf den Morgen verschieben. In den meisten Fällen genügen solche einfachen Umstellungen allerdings nicht, und der Arzt muss zu Rate gezogen werden. Gegebenenfalls ist das Absetzen der schlafstörenden Arzneimittel oder ein Medikamentenwechsel sinnvoll.

Arzneimittel sind nicht die einzigen Substanzen, die den Schlaf erschweren können. Für anregende Genussmittel wie Kaffee oder Cola, die Coffein enthalten, und für Nicotin ist dies allgemein bekannt. Weniger geläufig ist den meisten Menschen, dass Alkohol ebenfalls den Schlaf beeinträchtigt. Er wirkt zwar zunächst zentral dämpfend und erleichtert damit das Einschlafen. Im Laufe der Nacht kommt es allerdings zu einer Aktivierung des Sympathikus, was mit Schwitzen und Tachykardie einhergeht. Außerdem wird der Schlaf flach und unruhig – es kommt zu einer Veränderung der Schlafarchitektur (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Schlafstadien Gesunder Schaf durchläuft verschiedene Stadien in ca. 90-minütigen Zyklen, die sich im Laufe der Nacht vier- bis sechsmal wiederholen. Dabei werden die Phasen mit REM(Rapid Eye Movement)-Schlaf (Traumschlaf) länger und die Tiefschlaf­phasen (Non-REM-Schlaf) immer kürzer.

Auf den Schlaf fokussierte Verhaltenstherapie kann helfen

Schlafprobleme beeinträchtigen kurzfristig die Leistungsfähigkeit und sind mittel- und langfristig mit einer Verschlechterung oder dem Neuauftreten verschiedener Gesundheitsstörungen verbunden (siehe Kasten „Mögliche Folgen von Schlafstörungen“). So haben beispielsweise Patienten, die länger als sechs Monate an einer Schlafstörung leiden, verglichen mit Menschen mit gesundem Schlaf, ein bis zu vierfach erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken. Deshalb bedarf die Insomnie einer therapeutischen Intervention. Bevor jedoch Arzneimittel eingesetzt werden, sollten nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, denn mehrere Studien zeigen, dass zwei Drittel der Betroffenen hiervon profitieren.

Mögliche Folgen von Schlafstörungen

  • Müdigkeit, Tagesschläfrigkeit
  • verringerte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit
  • Koordinationsstörungen
  • Nervosität, Aggressivität
  • Depression
  • Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden
  • geschwächtes Immunsystem, gesteigerte Infektanfälligkeit
  • erhöhter Blutdruck, erhöhtes Herzinfarktrisiko
  • Appetitanregung
  • gestörter Kohlenhydrat-Stoffwechsel, erhöhte Blutzuckerwerte
  • erhöhter Cortisol-Spiegel
  • Schilddrüsenhormone geraten aus dem Gleichgewicht

Zunächst sollte der Apotheker mit dem Patienten die Regeln zur Schlafhygiene besprechen (siehe Kasten „Regeln zur Schlafhygiene“). Ist hierdurch keine Verbesserung der Schlafstörung zu erreichen, kommt als nächster Schritt die Verhaltenstherapie in Betracht. Hierbei erlernt der Betrof­fene unter professioneller Anleitung schlaffördernde Verhaltensweisen. Problem der nicht-medikamentösen Maßnahmen: Der Patient braucht Geduld, denn es dauert einige Zeit, bis diese wirken. Deshalb greift mehr als ein Drittel der Betroffenen (zusätzlich) zu Hypnotika, um eine schnelle Hilfe zu erhalten. In der Selbstmedikation stehen neben den pflanzlichen Sedativa die Antihistaminika der ersten Generation und das nur selten eingesetzte L-Tryptophan zur Verfügung.

Regeln zur Schlafhygiene

  • regelmäßige körperliche Aktivität am Tag
  • regelmäßige Bett- und Aufstehzeiten einhalten
  • kein Mittagsschlaf (wenn unverzichtbar: maximal 30 Minuten vor 14 Uhr)
  • nach dem Mittagessen keine Coffein-haltigen Getränke verzehren
  • vor allem abends weitgehend auf Alkohol verzichten
  • am Abend schwere Mahlzeiten vermeiden
  • persönliches Einschlafritual einführen, z. B. Tee trinken
  • vor dem Schlafen zur Toilette gehen
  • Störquellen (Lärm und Licht) beseitigen und angenehmes Raumklima schaffen
  • im Bett nicht essen oder fernsehen
  • aufstehen, wenn man nach 20 Minuten noch nicht eingeschlafen ist
  • nachts nicht auf die Uhr schauen

Pflanzliche Helfer

Die wissenschaftliche Sachverständigenkommission des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (heute Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM]) für pflanzliche Arzneimittel ist die sogenannte Kommission E. Diese hat die Extrakte und Extraktkombinationen aus Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Lavendelblüten, Melissenblättern und Passionsblumenkraut positiv bewertet. Diese Extrakte wirken schlafunterstützend. Klare Vorteile der pflanzlichen Sedativa sind die vergleichsweise wenigen Neben- und Wechselwirkungen, ihre große therapeutische Breite und das fehlende Abhängigkeitspotenzial. Wichtig ist, dass sie ausreichend hoch dosiert und lange genug eingesetzt werden.

Obwohl Baldrianwurzel die am besten untersuchte Droge unter den pflanzlichen Sedativa ist, konnte ihr Wirkmechanismus noch nicht endgültig aufgeklärt werden. Diskutiert werden sowohl eine agonistische Wirkung des Baldrian-­Lignans Olivil auf Adenosin-A1-Rezeptoren als auch eine GABAerge Wirkung. Die Kommission E empfiehlt bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen die ein- bis mehrmals tägliche Verwendung von 2 bis 3 g der Droge. Das entspricht einer Trockenextrakt-Dosis von etwa 600 mg. Der Patient sollte zu Beginn der Therapie darüber aufgeklärt werden, dass Baldrian einen verzögerten Wirkungseintritt hat, der bis zu vier Wochen auf sich warten lässt. Trotzdem berichten die Kunden immer wieder von einer sofortigen Wirksamkeit. Dies kann auf den nicht zu unterschätzenden Placebo-Effekt zurückzuführen sein.

Hopfenzapfen werden meistens in Kombination mit Baldrianwurzel verwendet. Möglicherweise werden durch die Inhaltsstoffe des Hopfens Effluxtransporter und metabolische Enzyme gehemmt, so dass die Wirkung des Baldrians verstärkt wird. Außerdem wird eine Bindung des Inhaltsstoffes Luzindol an Melatonin-Rezeptoren postuliert. Soweit nicht anders verordnet, werden laut Kommission E bei Unruhe- und Angstzuständen sowie bei Schlafstörungen 0,5 g der Droge als Einzelgabe verwendet.

Bei Befindlichkeitsstörungen wie Unruhezustände, Einschlafstörungen und funktionelle Oberbauchbeschwerden (z. B. nervöser Reizmagen, Meteorismus) empfiehlt die Kommission E zur Zubereitung eines Teeaufgusses ein bis zwei Teelöffel Lavendelblüten pro Tasse. Die Wirkung wird vor allem auf die Inhaltsstoffe Linalool und Linalylacetat zurückgeführt. Diese wirken antagonistisch an Calcium-Kanälen der Nervenzellen. Durch den verminderten Einstrom von Calcium-Ionen wird die Ausschüttung erregender Neurotransmitter gesenkt und die natürliche Reizfilterfunktion bei der Informationsweitergabe verbessert.

Für Melissenblätter sehen die Experten der Kommission E gleich zwei Einsatzgebiete – nämlich die Behandlung nervös bedingter Einschlafstörungen und funktioneller Magen-Darm-Beschwerden. Man nimmt je nach Bedarf bis zu 4,5 g der Droge mehrmals täglich ein. Meist werden Melissen­blätter in Kombination mit anderen Drogen wie z. B. Baldrian­wurzel verwendet. Als möglicher Wirkmechanismus kommt eine Hemmung des Abbaus von GABA in Betracht.

Passionsblumenkraut wird in der Monotherapie bei nervösen Unruhezuständen angewendet. In Kombination mit Baldrian und Hopfen bzw. Baldrian und Melisse kann man es auch bei nervös bedingten Einschlafstörungen einsetzen. Neben dem beruhigenden Effekt konnte man in klinischen Untersuchungen eine anxiolytische Wirksamkeit nachweisen. Auch beim Passionsblumenkraut wird ein GABAerger Wirkmechanismus vermutet. Die Tagesdosis sollte laut Kommission E 4 bis 8 g der Droge entsprechen. Es gibt zwar einige Untersuchungen, die auf eine Wirksamkeit der pflanzlichen Sedativa hindeuten, allerdings reicht die Studienlage nicht aus, um eine evidenzbasierte Empfehlung aussprechen zu können. Auch die Autoren der Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf – Schlafstörungen“ (die allerdings schon seit 2012 abgelaufen ist) bemängeln die Datenlage. Bleibt abzuwarten, ob die neue Leitlinie, deren Fertigstellung bereits seit Monaten erwartet wird, Änderungen mit sich bringt. 

Tab. 1: Pflanzliche Präparate auf der Basis von Baldrian (Beispiele) [Lauer Fischer Taxe, Stand: 25. Oktober 2016] AM = Auszugsmittel
Extrakt
Handelsname
Indikation
Gegenanzeige
Zusammensetzung
Baldrian
Baldrian ratiopharm®
überzogene Tabletten
bei leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
450 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V)
Baldriparan® Stark für die Nacht
überzogene Tabletten
nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
441,35 mg Trockenextrakt aus Baldrian­wurzeln (6 – 7,4 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V)
Baldrivit®
überzogene Tabletten
bei leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
600 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V)
Baldurat®
Filmtabletten
bei leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
650 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V)
Euvegal® Balance Filmtabletten
bei leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
500 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V)
Baldrian und Hopfen
Allunapret®Filmtabletten
Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
187,0 mg Trockenextrakt aus Baldrian­wurzeln (5 – 8 : 1), AM: Methanol 45% (m/m); 41,88 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (7 – 10 : 1), AM: Methanol 45% (m/m)
Ardeysedon® Nacht
überzogene Tabletten
nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
200 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (4 – 7 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V);
68 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (4 – 8 : 1), AM: Ethanol 40% (V/V)
Baldrian Dispert® Nacht zum Einschlafen
überzogene Tabletten
nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
200 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (4 – 7 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V);
68 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (4 – 8 : 1), AM: Ethanol 40% (V/V)
Selon®
überzogene Tabletten
Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
225,0 mg Trockenextrakt aus Baldrian­wurzeln (6 – 7 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V); 30,0 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen
(11 – 14 : 1), AM: Ethanol 96% (V/V)
Baldrian und Melisse
Plantival® forte
Filmtabletten
Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter sechs Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
320 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzel (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V);
160 mg Trockenextrakt aus Melissenblättern (4 – 6 : 1), AM: Ethanol 30% (m/m)
Sandrin®
Filmtabletten
Unruhezustände
  • nicht für Kinder unter sechs Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
160 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzel (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V);
80 mg Trockenextrakt aus Melissenblättern (4 – 6 : 1), AM: Ethanol 30% (m/m)
Baldrian, Hopfen, Passionsblume
Kytta-Sedativum®Dragees
überzogene Tabletten
Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter drei Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
150 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (3 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V); 30 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (4 – 8 : 1), AM: Ethanol 40% (V/V); 80 mg Trockenextrakt aus Passionsblumenkraut (4 – 7 : 1), AM: Ethanol 50% (V/V)
Baldrian, Hopfen, Melisse
Sedacur® forteBeruhigungsdragees
überzogene Tabletten
Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen
  • nicht für Kinder unter zwölf Jahren
  • nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
75 mg Trockenextrakt aus Baldrianwurzeln (5 – 6 : 1), AM: Ethanol 70% (V/V);
23 mg Trockenextrakt aus Hopfenzapfen (4 – 8 : 1), AM: Methanol 40% (V/V);
45 mg Trockenextrakt aus Melissenblättern (4 – 6 : 1), AM: Wasser

Rezeptfreie Schlafmittel sind nur wenig überzeugend

Auch die H1-Antihistaminika der ersten Generation werden in der besagten Leitlinie erwähnt, aber aufgrund fehlender Evidenz ebenfalls nicht empfohlen. Sie wurden ursprünglich zur Behandlung von Allergien entwickelt. Da sie die Blut-Hirn-Schranke leicht überwinden, wirken sie durch kompetitive Hemmung an zentralen H1-Rezeptoren sedierend. Deshalb werden sowohl Diphenhydramin als auch Doxylamin heutzutage zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen verwendet.

In klinischen Studien zeigten sich durch ihren Einsatz eine subjektiv verbesserte Schlafqualität sowie eine verkürzte abendliche Einschlafzeit. Allerdings stellten sich teilweise schon nach dreitägiger Gabe Adaptionseffekte und damit ein Verlust der Wirksamkeit ein. Dies kann eine nicht erwünschte Dosissteigerung durch den Patienten nach sich ziehen. Ein weiterer Nachteil der Antihistaminika ist der Eingriff in das physiologische Schlafprofil. Darüber hinaus sind Antihistaminika nicht für jedermann geeignet. Sie dürfen z. B. nicht von Patienten mit Epilepsie, Glaukom, Prostatahyperplasie, akutem Asthmaanfall oder in Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden. Auch die gleichzeitige Anwendung von Inhibitoren der Monoaminoxidase (MAO-Hemmern) gehört zu den absoluten Kontraindikationen.

Antihistaminika gehören zu den sogenannten „dirty drugs“, sie greifen nicht nur selektiv an den H1-Rezeptoren an. Durch die Hemmung spannungsabhängiger K+-Kanäle am Herzen kann es zu QT-Zeit-Verlängerungen kommen, die potenziell tödliche Herzrhythmusstörungen vom Torsade-de-pointes-Typ zur Folge haben können. Zusätzlich werden muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren blockiert. Das führt zu den typischen anticholinergen Nebenwirkungen wie erhöhter Augeninnendruck, Sehstörungen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Reflux, Obstipation und Miktionsstörungen.

Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen treten verstärkt bei älteren Patienten auf. Diphenhydramin wird bei den Senioren außerdem mit kognitiven Beeinträchtigungen und einem erhöhten Risiko für Delir-Symptome in Zusammenhang gebracht. Durch die Anwendung von Doxylamin wird nicht nur die Sturzgefahr bei Älteren erhöht, es kann auch zu EKG-Veränderungen kommen. Deshalb gehören sowohl Diphenhydramin als auch Doxylamin laut Priscus-Liste zu den potenziell inadäquaten Arzneimitteln für ältere Menschen. Wollen Senioren trotz allem nicht auf ihre Einnahme verzichten, sollte die Dosis entsprechend reduziert werden.

Die üblicherweise empfohlene Einzeldosis liegt sowohl für Diphenhydramin als auch für Doxylamin zwischen 25 mg und 50 mg. Der Patient sollte sie ca. 30 Minuten vor dem Schlafengehen und möglichst acht Stunden vor dem geplanten Aufstehzeitpunkt einnehmen. Eine ausreichende Schlaf­dauer ist wichtig – ansonsten kann es am nächsten Morgen zu Hangover-Effekten wie Beeinträchtigungen des Reaktionsvermögens kommen. Aus dem gleichen Grund sollten Patienten mit Durchschlafstörungen in der Nacht nicht nochmal nachdosieren.

L-Tryptophan findet in der Selbstmedikation von Schlafstörungen vergleichsweise wenig Beachtung. Es gehört zu den essenziellen Aminosäuren und ist unter anderem Ausgangsstoff für die Biosynthese von Serotonin und Melatonin. Ein Sinken des Serotonin-Spiegels im Gehirn während der nächtlichen Ruhephase kann zu Schlafstörungen führen. Durch das Angebot der Vorstufe soll mit L-Tryptophan einem Serotonin-Mangel entgegengewirkt werden. Der Patient sollte 1 g der Aminosäure 20 bis 30 Minuten vor dem Schlafengehen einnehmen. Nach Rücksprache mit dem Arzt ist eine Dosissteigerung auf bis zu 2 g täglich möglich. Die Herstellerfirmen werben mit einer verkürzten Einschlafzeit und einer Verbesserung des natürlichen Schlafprofils bei guter Verträglichkeit ohne Hangover-Effekt. Ein weiteres Plus ist das fehlende Abhängigkeitspotenzial. Allerdings ist die hypnotische Potenz relativ gering und der Gabe von Placebo kaum überlegen. Vermutlich wird L-Tryptophan deswegen in den entsprechenden Leitlinien zur Therapie der Insomnie gar nicht erst erwähnt.

Tab. 2:H1-Antihistaminika-haltige Schlafmittel (Beispiele) [Lauer Fischer Taxe, Stand: 25. Oktober 2016]
Wirkstoff
Handelspräparat (Beispiele)
Indikation
Gegenanzeigen
Dosierung
(Erwachsene)
Einnahmezeitpunkt
Diphenhydramin
Betadorm® D
Tabletten
Dolestan®Tabletten
Dorm®
Tabletten
Dormutil® N Tabletten
Halbmond®Tabletten
Moradorm®Tabletten
Vivinox® Sleep Schlafdragees
überzogene Tabletten
zur Kurzzeit­behandlung von Schlafstörungen
  • akutes Asthma bronchiale
  • Engwinkel-Glaukom
  • Phäochromozytom
  • Prostatahyperplasie mit Restharnbildung
  • Epilepsie
  • Hypokaliämie, Hypomagnesiämie
  • Bradykardie, angeborenes langes QT-Syndrom, Erregungsleitungsstörungen, Arrhythmien
  • gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern (Antiarrhythmika, Antibiotika, Malaria-Mittel, Antihistaminika, Neuroleptika)
  • gleichzeitige Einnahme von Alkohol oder MAO-Hemmern
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Kinder und Jugendliche
  • gleichzeitige Einnahme von Arzneimitteln, die zu einer Hypokaliämie führen
25 mg bis 50 mg
  • Einschlafstörungen: ca. 30 Minuten vor dem Schlafengehen einnehmen
  • Durchschlafstörungen: direkt vor dem Zubettgehen einnehmen
  • anschließend sollte eine ausreichende Schlafdauer (sieben bis acht Stunden) gewährleistet sein
Doxylamin
Gittalun®Trinktabletten
zur Beruhigung vor dem Einschlafen und bei unruhigem Schlaf
  • akuter Asthma-Anfall
  • Engwinkel-Glaukom
  • Phäochromozytom
  • Prostata-Hypertrophie mit Restharnbildung
  • akute Vergiftung durch Alkohol, Schlaf- oder Schmerzmittel sowie Psychopharmaka (Neuroleptika, Tranquilizer, Antidepressiva, Lithium)
  • Epilepsie
  • gleichzeitige Behandlung mit Monoaminoxidase-Hemmern
  • in der Schwangerschaft nur nach strenger Nutzen-­Risiko-Abwägung
  • Kinder und Jugendliche (gilt nicht für Sedaplus® Saft, hier ist für Kinder und Jugendliche eine Anwendung nach ärztlicher Rücksprache möglich)
25 mg bis 50 mg
  • Einschlafstörungen: ca. 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen einnehmen
  • Durchschlafstörungen: direkt vor dem Zubettgehen einnehmen
  • nach der Einnahme auf ausreichende Schlafdauer achten
Hoggar® night Tabletten
zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen
Schlafsterne® ­Tabletten
medikamentös behandlungsbedürftige Ein- und Durchschlaf­störungen
Schlaftabs®ratiopharm Tabletten
zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen
Sedaplus®Saft
zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen
Valocordin®Doxylamin Lösung
zur symptomatischen Behandlung gelegentlich auftretender Schlafstörungen (Einschlaf-und Durchschlaf­störungen)

Auch die Zeitschrift Öko-Test hat sich in der diesjährigen Septemberausgabe mit dem Thema rezeptfreie Schlafmittel befasst. Den Beleg für die Wirksamkeit fanden die Tester sowohl für die Antihistaminika als auch für die Phytopharmaka „wenig überzeugend“. Als Bestnote vergaben sie deshalb das Gesamturteil „ausreichend“. Öko-Test-Gutachter Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie an der Universität Frankfurt lässt kein gutes Haar an den zur Verfügung stehenden Antihistaminika: „Ob Doxylamin und Diphenhydramin effektiv gegen Schlafstörungen helfen, ist bis heute nicht überzeugend belegt.“ Ebenso negativ fällt sein Urteil über die Phytopharmaka aus: „Bei allen Präparaten sei allenfalls mit einem ausgeprägten Placebo-Effekt zu rechnen. Denn drei neuere, umfassende Forschungsanalysen urteilen unisono: Von Mitteln auf Baldrian-Basis ist objektiv keine positive Wirkung zu erwarten. Für die mit Baldrian kombinierten Extrakte aus etwa Hopfen und Passionsblumenkraut existierten ebenfalls keine Wirkbeweise nach heutigen Standards.“

Diese Ergebnisse sind ziemlich ernüchternd. Welche Folgen haben sie nun aber für die Apothekenpraxis? Für Patienten mit Schlafstörungen, die in der Apotheke Rat suchen, ist es wenig hilfreich, wenn ihnen von allen rezeptfrei verfügbaren Arzneimitteln aufgrund fehlender Evidenz abgeraten wird. In der Selbstmedikation gibt es bislang keine besseren Alternativen, und die Rückmeldungen der Kunden spiegeln häufig anderes wider. Deshalb lohnt sich – unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Besonderheiten der entsprechenden Arzneimittel – durchaus auch deren Einsatz. |

Zum Weiterlesen

Foto: ingimage.com

Pharmako-logisch! UPDATE

Schlafstörungen und Hypnotika

Es gibt verschiedene schlaf­fördernde Wirkstoffe, die bei verschiedenen Schlafstörungen auch im Alter eingesetzt werden können. Diese Aspekte hat Professor Thomas Herdegen im Schwerpunkt „Pharmako-­logisch! Schlafstörungen und Angst – Verlust der inneren Ruhe“ in der DAZ 2011, Nr. 9, S. 45 ausführlich vorgestellt. Da sich aber die Kenntnisse über die Bedeutung eines gesunden Schlafes in den letzten Jahren ebenso erweitert haben wie das Wissen über die destruktive Kraft von Schlafstörungen bei psychischen Krankheiten, folgte 2016 eine Aktualisierung: „Pharmako-logisch! UPDATE Schlafstörungen und Hypnotika“ in der DAZ 2016, Nr. 22, S. 47.

Literatur

Literatur bei der Verfasserin

Autorin

Apothekerin Silke Laubscher hat an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Pharmazie studiert und 1998 die Approbation erhalten, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Wissenschaftliche Leiterin des Heidelberger Herbstkongresses, Mitglied der Kommunalen Gesundheitskonferenz Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und Referentin für die LAK Baden-Württemberg.

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