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Deutscher Apothekertag 2016
Wie hat die ABDA ihren Job gemacht?
Geschäftsbericht und Generaldebatte
Zunächst listete Schmitz stichwortartig viele Tätigkeiten der ABDA auf, um den Delegierten zu verdeutlichen, auf wie vielen Gebieten die Berufsorganisation aktiv ist. Anschließend ging er näher auf die Honorierung, die Ausschreibungen der Krankenkassen, die Digitalisierung und die Leistungsangebote der Apotheken ein.
Wirtschaftliche Bedingungen
Zur Honorierung erinnerte Schmitz an die zwei bestehenden Forderungen der Apotheker, einen erhöhten Festzuschlag und höhere Entgelte für Rezepturen und dokumentationspflichtige Arzneimittel. Durch den unveränderten Festzuschlag seien die Apotheker nach wie vor von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Schmitz erklärte, das Apothekenhonorar sei seit 2004 nur um 15,4% gestiegen. Dafür wurde er in der folgenden Diskussion kritisiert, weil dieser Anstieg wesentlich auf Mehrarbeit beruht. Allerdings hatte Schmitz diese Zahl nicht nur mit dem Anstieg des Verbraucherpreisindex um 18,5%, sondern auch mit dem um 38% gestiegenen Bruttoinlandsprodukt und den um 53% gestiegenen GKV-Einnahmen verglichen – und in diese beiden Größen geht ebenfalls Mehrarbeit ein. Schmitz erklärte, immerhin habe das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Auftrag für ein Gutachten anerkannt, dass Handlungsbedarf bestehe. Zur zweiten Honorarforderung hätten die Apotheker schon seit Jahren Zusagen und Bekenntnisse der Parteien und nun sei es so weit, dass die Vergütungserhöhung im Regierungsentwurf für das GKV-VSG stehe. Obwohl der GKV-Spitzenverband sich gegen diese Regelung wende, erwartet Schmitz, dass nun „Nägel mit Köpfen gemacht“ würden.
Bei Ausschreibungen der Krankenkassen konstatierte Schmitz eine Fehlentwicklung, die dringend korrigiert werden müsse: Durch den Preisdruck gerate die Qualität der Versorgung unter die Räder. Bei Hilfsmitteln habe die Bundesregierung die Qualitätsdefizite erkannt, sie habe aber offensichtlich nicht den Mut, auf Ausschreibungen vollständig zu verzichten. Dazu verwies Schmitz auf die im geplanten Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz vorgesehenen weiteren Ausschreibungskriterien. Dagegen forderte Schmitz, bei Zytostatika und Hilfsmitteln auf Ausschreibungen unter Leistungserbringern zu verzichten und die Kollektivverträge wieder zu stärken. Zur Digitalisierung verwies Schmitz auf das Positionspapier „E-Health: Ethische Grundsätze“ und die neue ABDA-Abteilung „IT und Telematik“.
Neue Leistungen
Zur neuen, stärker patientenorientierten Rolle der Apotheker erklärte Schmitz, der Wandel einer tief sitzenden gesellschaftlichen Wahrnehmung sei ein längerer Prozess. Die Gesetzeslage hinke der Entwicklung hinterher und der eine oder andere Arzt tue sich schwer damit, eigenständige Entscheidungen der Apotheker über Versorgungsleistungen zu akzeptieren. Doch das Projekt ARMIN durchbreche die althergebrachte Rollen- und Aufgabenverteilung. Nach der Pilotphase im zweiten Quartal sei das Medikationsmanagement bei ARMIN am 28. Juni erfolgreich gestartet. Parallel dazu werde das Medikationsmanagement im Projekt PRIMA überprüft. ARMIN, das Perspektivpapier, das E-Health-Gesetz und viele rund um das Medikationsmanagement fortgebildete Apotheker seien die Grundlage, um weitere pharmazeutische Leistungen zu etablieren.
Ausblick
Zur Umsetzung des Perspektivpapiers berichtete Schmitz über Vorarbeiten zur Änderung der Apothekerausbildung. Um die Diskussion über die Novellierung der Ausbildungsordnung vorzubereiten, sei zunächst das Berufsbild überarbeitet und von der ABDA-Mitgliederversammlung im Juni 2016 in seiner neuen Fassung beschlossen worden. Außerdem werde der Gesetzgeber voraussichtlich noch in diesem Jahr die angestrebten Klarstellungen in der Beschreibung der pharmazeutischen Tätigkeiten in der Bundesapothekerordnung vornehmen.
Das EuGH-Urteil über die Preisbildung war beim Apothekertag und auch bis zum Redaktionsschluss dieser DAZ-Ausgabe nicht bekannt. Schmitz erklärte dazu, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens erwarte die ABDA von der Politik „ein eindeutiges und klares Bekenntnis zur Arzneimittelpreisverordnung als wesentlichem Bestandteil unseres Gesundheitswesens“.
ABDA intern
Zur inneren Sicht der ABDA verwies Schmitz auf die unterschiedlichen Interessen der Apotheker mit verschiedenen Formen der Berufsausübung und der Apotheken an verschiedenen Standorten. Doch die ABDA lebe von dem Gedanken, dass „Kompromisse gefunden und Ergebnisse nach außen als einheitliche Position vertreten werden müssen“, so Schmitz. Diese Einigkeit sei mit demokratischen Verbandsstrukturen zu erreichen.
ABDA-Kurs in der Diskussion
Die an den Geschäftsbericht anschließende Diskussion eröffnete der Hamburger Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen, der neben Schmidt als ABDA-Präsident kandidiert, mit der Frage, wie viel Nähe die ABDA zu den Kollegen „draußen“ habe. Außerdem vermisse er die Frage, ob der Weg richtig sei. Als Antwort verwies Schmidt auf das unter breiter Beteiligung verabschiedete Perspektivpapier und ergänzte, er sehe nicht, dass Korrekturen des Weges nötig seien. Kleine Apothekenbetriebe, die für die Versorgung essenziell seien, würden mehr als große unter der Bürokratie leiden, aber Instrumente zur Unterstützung kleiner Apotheken würden fehlen.
Gegengutachten oder nicht
Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker erklärte, es sei selbstverständlich, dass die ABDA-Vertreter an der Verbesserung der Honorierung „dran bleiben“. „Die Arzneimittelpreisverordnung ist uns heilig“, so Becker. Auf den Vorschlag, die ABDA solle frühzeitig ihre Position zur Honorierung veröffentlichen und ein Gegengutachten zum Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums in Auftrag geben, erklärte Schmitz, dies sei durchaus ein Thema, wenn mehr über das Gutachten für das Wirtschaftsministerium bekannt sei. Schmidt erklärte, es sei noch nicht entschieden, ob die ABDA das Verfahren akzeptiere oder ein Gegengutachten mache. Er zeigte sich wenig optimistisch, denn zuletzt seien Argumente vorgebracht worden, die die ABDA lange für überwunden gehalten habe. Grundsätzlich erklärte Schmidt zur Honorierung, die packungsbezogene Vergütung werde „auf Sicht“ wesentlich bleiben, aber sie müsse ergänzt werden, womit er auf Dienstleistungshonorare anspielte. Dazu müsse die Rechtsgrundlage geschaffen werden.
Europa und Lieferengpässe
Auf die Frage nach einem „Plan B“ für ein ungünstiges EuGH-Urteil versicherte Schmitz: „Wir sind im ersten Schritt handlungsfähig.“ Vor der Bekanntgabe des Urteils wollte er dies aber nicht ausführen. Zur Entwicklung des eigenen IT-Netzes der Apotheker berichtete Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft und Soziales, über die geplante Gründung einer neuen Tochtergesellschaft für das Netz. Auf die Frage von Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, zum Engagement bei der EU erklärte Schmidt, die Ausstattung der ABDA-Stabsstelle in Brüssel müsse eher verbessert werden.
Zu Lieferengpässen verwies Schmidt auf den geplanten Jour fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Außerdem bräuchten die Apotheker die Unterstützung der Politik „gegen das bürokratische Monster der Nicht-Lieferbarkeits-Erklärung“. Becker ergänzte, die Apotheker würden das Mehr-Partner-Modell bei Rabattverträgen fordern. Bei problematischen Wirkstoffen wie Impfstoffen und Antibiotika sollte es keine Rabattverträge geben. Um Lieferengpässe zu verhindern, müsse bereits bei der Wirkstoffproduktion angesetzt werden. Die Politik müsse etwas dafür tun, dass mehr Anbieter nach Europa zurückgeholt werden. |
Verdeckter Wahlkampf
Ein Kommentar von Klaus G. Brauer
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das gilt auch für nicht ganz so große. Aber immerhin: Es stehen Neuwahlen an der Spitze unserer Berufsvertretungen an. Zunächst, am 20. November, wählt die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) einen neuen geschäftsführenden Vorstand, am 30. November folgt der Deutsche Apothekerverband (DAV), bevor dann am 7. Dezember die ABDA-Mitgliederversammlung die neue ABDA-Spitze zu wählen hat – inklusive ABDA-Präsident und Vizepräsident. Jede Mitgliedsorganisation (die regionalen Kammern und Verbände) kann bis zu vier Vertreter in die Mitgliederversammlung entsenden. Die Anzahl der Stimmen, die eine Mitgliedsorganisation zu vergeben hat, richtet sich nach der Anzahl der Mitglieder, über die sie verfügt. Die auf eine Mitgliedsorganisation entfallenden Stimmen können nur einheitlich abgegeben werden.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und sein Vize Mathias Arnold haben angekündigt, dass sie im „Doppelpack“ erneut antreten. Üblicherweise reicht dies für eine Wiederwahl. Diesmal allerdings nicht. Denn es gibt einen Gegenkandidaten. Der Kammerpräsident von Hamburg, Kai-Peter Siemsen, tritt an. Ob er genügend Unterstützer bei den Kammern und Verbänden findet, ist derzeit noch offen. Üblicherweise werden in Vorgesprächen hinter der Kulisse die entscheidenden Weichen gestellt. Informationen darüber, wer wen bislang auf seine Seite gebracht hat, sind noch mit Fragezeichen behaftet. Der Flurfunk signalisiert Unterschiedliches. Aber es gibt Indizien.
Da ist zum Beispiel der Verlauf der Hauptversammlung in München. Auffällig war dort, dass der Beifall für die programmatische und gewohnt brillant vorgetragene Rede des ABDA-Präsidenten diesmal eher mau ausfiel. Das hat man aus den Vorjahren ganz anders in Erinnerung. Dort gab es enthusiastische Reaktionen. Auch wer bei den Diskussionen der Hauptversammlung für wen und welches Thema in die Bütt ging, konnte zuweilen als Signal gewertet werden. Schmidt und Arnold dominierten allein durch ihre Präsenz auf dem Podium. Von dort konnten sie eingreifen, wann immer es ihnen notwendig erschien – nicht nur, wenn sie die Versammlung leiteten. Und sie nutzten ihre Möglichkeiten.
Siemsen hatte es demgegenüber ungleich schwerer. Seine – vor dem Hintergrund seiner Kandidatur – relativ wenigen Redebeiträge über Wortmeldungen aus dem Saal bezogen sich, hanseatisch-sachlich zurückhaltend, fast ausschließlich auf Hamburger Anträge. Sie ließen kaum erkennen, wie er sich als ABDA-Präsident programmatisch anders positionieren würde als der derzeitige Amtsinhaber.
Das Fazit: München gab wenig Aufschluss, ob das Rennen schon gelaufen ist. Möglicherweise bleibt auch der Ausgang des EuGH-Verfahrens zur Zulässigkeit von Boni bei Rx-Arzneimitteln nicht ohne Einfluss. Ein negativer Ausgang könnte der bisherigen Führungsspitze – zu Recht oder zu Unrecht – angelastet werden.
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