Arzneimittel und Therapie

Lebensretter Herzschrittmacher

Damit der Taktgeber nicht aus dem Takt gerät

Von Beate Fessler | Herzschrittmacher gehören zum festen Repertoire kardiologischer Therapieformen, vor allem bei ausgeprägten Bradykardien. In Deutschland wurde 1961 der erste Herzschrittmacher implantiert. Inzwischen sind die Geräte immer kleiner, immer sicherer und immer raffinierter geworden. Sie sind MRT-fähig, werden direkt in die Herzkammer implantiert und kommen möglicherweise bald ohne ­Batterie aus. Eine Entwicklungs­geschichte.

Vor 55 Jahren war es so weit: Im Oktober 1961 fasste ein junger Chirurg, Heinz Joachim Sykosch, Mut und setzte erstmals in Deutschland einem 19-jährigen Unfallopfer einen Herzschrittmacher ein – gegen den Willen seines Chefs (Abb. 1). Und mit Erfolg. Inzwischen ist die Implantation von Herzschrittmachern Routine. Immer mehr Menschen tragen den kleinen Elektrostimulator unter dem Schlüsselbein. Allein 2011 wurden laut Jahresbericht des deutschen Herzschrittmacher-Registers 75.000 Menschen in Deutschland mit einem Herzschrittmacher versorgt. Mehr als 80% waren bei der Operation älter als 70 Jahre. Bradykarde Herzrhythmusstörungen gehören zu den häufigsten Indikationen für eine Herzschrittmachertherapie. Zwingende Gründe für die Implantation sind neben diesen Bradykardien mit Beschwerden wie Schwindel und Ohnmachtsanfälle auch höhergradige Leitungsstörungen (AV-Block) auch ohne Beschwerden, kombinierte Rhythmusstörungen (Bradykardie-Tachykardie-Syndrom) oder auch ein nicht ausreichender Pulsanstieg bei Belastung, eine sogenannte chrono­trope Inkompetenz.

Foto: SPL/Medical Photo Nhs Lothian
Abb. 1: Der erste Herzschrittmacher wurde 1958 in Schweden implantiert. In Deutschland war das genau vor 55 Jahren der Fall: Das Modell Chardack Greatbatch, das im Oktober 1961 eingesetzt wurde, wog noch ca. 300 g – links im Bild.

Immer kleiner, immer sicherer, immer raffinierter

Angesichts des großen Bedarfs war die Forschung in den letzten 55 Jahren nicht untätig. Die Entwicklung ging und geht dabei hin zu immer kleineren Geräten mit integrierten Funktionen, längerer Haltbarkeit und flexibler Programmierung von außen sowie Überwachungsfunktionen. Die Geräte sind immer kleiner und sicherer geworden, sie sind MRT-fähig, Mini-Schrittmacher werden direkt ins Herz implantiert und kommen ohne Elektroden aus. Und vielleicht schon bald benötigen sie keine Batterie mehr, sondern lassen das Herz den Strom selber erzeugen. Doch der Reihe nach. Noch werden die meisten Schrittmacher in einer kleinen Operation meist unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut implantiert (Abb. 2). Sie stimulieren den Herzmuskel mithilfe von elektrischen Impulsen und regen ihn zur Kontraktion an. Dazu kontrollieren Elektroden, die mit der Herzkammer und/oder dem Vorhof verbunden sind, den Herzrhythmus. Bleibt der Herzschlag zu lange aus, regen sie ihn mit schwachen elektrischen Impulsen an.

Foto: SPL/Dr. P. Marazzi
Abb. 2: Implantat Unterhalb des Schlüsselbeins werden über einen Hautschnitt die Elektroden durch eine Vene bis zum Herz vorgeschoben. Sie werden an den Herzschrittmacher angeschlossen, das Gerät dann unter die Haut geschoben und der Hautschnitt vernäht.

Ein- oder Zwei-Kammer-Systeme

Am häufigsten werden Zwei-Kammer-Systeme genutzt, bei denen die Stimulation über zwei Elektroden erfolgt, die im rechten Vorhof und in der rechten Herzkammer platziert sind. Ein-Kammer-Systeme arbeiten nur mit einer Sonde, die im rechten Vorhof oder im rechten Ventrikel platziert werden kann. Zudem gibt es Frequenz-adaptierte Herzschrittmacher. Sie können die Herzfrequenz an den körperlichen Bedarf anpassen, indem sie Körperbewegung und Atmungs­volumen erfassen.

Mit Schrittmacher ins MRT?

Das war lange Zeit unmöglich. Das sehr starke Magnetfeld im Kernspintomografen hätte die Schrittmacherfunktion extrem gestört. Zu groß war die Gefahr, dass das Magnetfeld die Funktion des Herzschrittmachers beeinträchtigen könnte. Die starken und schnell wechselnden magnetischen Felder können die Software stören, die Batterien schädigen oder die Sondenspitzen erwärmen. Für Patienten mit einem Herzschrittmacher war die Diagnostik deshalb lange Zeit keine oder nur eine eingeschränkte Option. Das hat sich schon seit Längerem geändert. Inzwischen stehen MRT-fähige Herzschrittmacher zur Verfügung. Dafür wurden magnetisch aufladbare Teile reduziert und Schaltungen geschützt. Durch die Verwendung einer besonderen Stimulationselektrode wird das Risiko, dass sie sich erhitzt und das Herzgewebe schädigt, reduziert.

Herzschrittmacher en miniature

Die modernen Herzschrittmacher werden immer kleiner und kompakter. Die neuesten Systeme sind winzig und kommen ohne Elektroden daher. So ist das Micra®-System gerade einmal 24 mm lang mit einem Durchmesser von 9 mm (siehe Abb. 3). Und damit knapp so groß wie ein Zwei-­Euro-Stück und ein Zehntel herkömmlicher Schrittmacher. Der Trick: Die Schrittmacherkapsel wird über eine Leistenvene vom Oberschenkel mit einem Katheter in die rechte Herzkammer transportiert und verankert sich mit feinen Titanärmchen direkt in der Herzwand. Dort übernehmen sie die Funktion von Impulsgeber und Elektrode – und kommen deshalb ohne gesonderte Elektrode aus. Ist die Batterie leer, kann ein zweiter Schrittmacher eingesetzt werden, ohne dass der andere entfernt werden muss. Die Einschränkung: Es handelt sich um einen Ein-Kammer-Schrittmacher mit Stimulation des rechten Ventrikels. Solche Schrittmachersysteme werden nur bei 10 bis 15% aller implantierten Herzschrittmacher genutzt. Wichtig für den Erfolg ist zudem, dass die Ärzte mit der Implantation vertraut sind. Noch ist die Zahl der implantierten Geräte in Deutschland begrenzt. Bis April 2016 waren in Deutschland 160 Micra®-Herz­schrittmachersysteme implantiert.

Foto: Medtronic GmbH
Abb. 3: Kardiokapsel Als der kleinste Herzschrittmacher der Welt gilt die Micra®Kardiokapsel. Sie wird durch eine Vene vom Bein aus in das Herz eingebracht und benötigt keine Elektrode. Die Batterie einer Kardiokapsel hält ca. zehn Jahre nach der Implantation.

Das Herz als Stromquelle

Bleiben noch die Batterien, die nicht dauerhaft halten. Sie müssen regelmäßig überprüft und bei Bedarf operativ ausgetauscht bzw. ein komplett neues Herzschrittmachersystem eingesetzt werden. In der Entwicklung ist ein batterieloser Herzschrittmacher, der nach dem Prinzip der Automatikuhr funktioniert und die Herztätigkeit als Energiequelle nutzt. Schon 2014 konnte in Tierversuchen nachgewiesen werden, dass das Prinzip funktioniert. Nun wurde auf dem diesjährigen Kardiologenkongress ein Prototyp dieses Geräts vorgestellt. Das torpedoförmige Implantat, gerade einmal 3,6 g schwer bei einem Durchmesser von 6,2 mm, bringt ein Schaufelrad zum Rotieren, wenn es von Blut umströmt wird. Dieses Schaufelrad treibt über eine magnetische Kupplung einen Mikrogenerator im Inneren des Gehäuses an. ­Dabei wird durchaus genug Strom ­produziert. So liegt die Pumpleistung des Herzens bei über einem Watt, moderne Herzschrittmacher benötigen gerade einmal 5 Mikrowatt.

Störungsquellen beachten!

Ein Herzschrittmacher kann lebensrettend sein. Einschränkungen im Alltag gibt es kaum. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass er nicht aus dem Tritt gerät. Wird die Herzschrittmacherfunktion gestört, etwa durch Magnetfelder, kann das harmlos sein, aber auch schwerwiegende Folgen haben. Die deutsche Herzstiftung (www.herzstiftung.de) hat dazu konkrete und umfassende Empfehlungen gegeben. Generell muss bei der Bewertung auch berücksichtigt werden, wie alt der Herzschrittmacher ist und ob die Elektrogeräte in Ordnung oder defekt sind. Defekte Geräte sind immer problematisch.

  • Manche Geräte, die zu Störungen führen können, sind entsprechend gekennzeichnet, etwa die Metall­detektoren im Sicherheitsbereich des Flughafens. Beim Vorzeigen des Implantatausweises, den jeder Patient mit einem Herzschrittmacher erhält, wird per Hand kontrolliert.
  • Mobiltelefone bereiten bei neueren Herzschrittmachern keine Probleme, vor allem, wenn bipolare Schrittmacher-Elektroden implantiert wurden, die besser vor äußeren Störquellen geschützt sind. Dennoch: Es wird empfohlen, einen Mindestabstand von 15 bis 20 cm zwischen dem eingeschalteten Mobiltelefon und dem Herzschrittmacher einzuhalten. Konkret: Das eingeschaltete Mobiltelefon sollte nicht in der Brusttasche getragen werden. Beim Telefonieren sollte das Handy an das Ohr gehalten werden, das dem implantierten Herzschrittmacher-Aggregat gegenüberliegt. Auf Magnetschmuck sollte eher verzichtet werden.
  • Im Badezimmer drohen keine Gefahren: elektrische Zahnbürsten, Rasierapparate, Lockenstäbe oder Haarföhn sind unbedenklich.
  • Durch ordnungsgemäß funktionierende Haushaltsgeräte wie zum Beispiel Mikrowellen werden die Schrittmachergeräte nicht beeinflusst. Die Herzstiftung empfiehlt aber, zwischen Herzschrittmacher und Haushaltsgeräten einen Abstand von 15 bis 30 cm einzuhalten. Dabei nennt sie neben Toaster, Waschmaschine, Spülmaschine, Trockner und elektrische Dosenöffner auch den Elektroherd. Bei Induktionsherden sollte geklärt werden, etwa durch den Blick in die Bedienungsanleitung, ob die Benutzung für Träger von Herzschritt­machern erlaubt ist bzw. ob es bestimmte Warnhinweise gibt.
  • Gefährlich werden können elektrische Werkzeuge. Bei Bohrmaschinen ist ein Sicherheitsabstand von 30 cm zum Schrittmacheraggregat einzuhalten. Gleiches gilt für elektrische Laub- und Kettensägen sowie akkubetriebene Geräte. Besonders wichtig ist der Abstand bei Rasenmähern und Heckenscheren, da die Motoren oft nicht ausreichend abgeschirmt sind. Gewarnt wird auch vor Heizkissen und –decken.
  • Grundsätzlich problematisch ist das Tragen eines Herzschrittmachers bei Patienten, die sich beruflich in Industrieanlagen aufhalten, z. B. Transformatoren, Induktionsöfen oder Schweißvorlagen. Hier sollte eventuell der Kardiologe zur Risikobewertung eingeschaltet werden.

Weitere umfassende Informationen bietet die Herzstiftung: Sie hat zwei Sonderdrucke veröffentlicht, die unter www.herzstiftung.de zum Download zur Verfügung stehen – kostenfrei allerdings nur für Mitglieder.

Komplikationen nach Implantation

Selten kommt es nach Implantation eines Herzschrittmachers zu einer Komplikation, beispielsweise zu einer Infektion. Sie lässt sich durch eine gespannte Haut, die warm und gerötet ist, erkennen. Auch Fieber und Schüttelfrost sind möglich. Meist muss das Schrittmachersystem dann entfernt werden. Auch wenn Schwelllungen an der Implantationsstelle auftreten, sollte der Arzt aufgesucht werden.

Batterie regelmäßig prüfen lassen

Die Batterie eines Herzschrittmachers hält fünf bis zehn Jahre, je nachdem wie häufig er einspringen muss. Der Arzt kann bei seinen Kontrolluntersuchungen den Zustand der Batterie prüfen. Wenn sie sich allmählich erschöpft, sind kurzfristigere Überwachungen sinnvoll. Längere Abstände zwischen zwei Nachsorgeuntersuchungen sind bei einer telemedizinischen Überwachung möglich. Hier werden die wichtigsten Schrittmacherdaten regelmäßig automatisch per Funk von einem kleinen Zusatzgerät außerhalb des Körpers ausgelesen und verschlüsselt an das betreuende Herzzentrum geschickt. |

Literatur

Schrittmacher-Indikation. Informationen des Isar Herz Zentrum, www.isarherzzentrum.de/herzschrittmacherindikation

Herzschrittmacher – Aufbau, Operation und Risiken. Deutscher Verlag für Gesundheitsinformationen, www.leading-medicine-guide.de/Medizinische-Fachartikel/Herzschrittmacher

Informationen der Aktion Meditech – Besser leben durch Medizintechnologie. www.aktion-meditech.de

Zurbuchen A et al. A batteryless cardiac pacemaker powered by cardiac motion. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) 2014, Abstract 1268

Die Kardiokapsel – der kleinste Herzschrittmacher der Welt: praktische Erfahrungen eines großen kardiologischen Zentrums und Daten einer weltweit durchgeführten Studie. Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK), Mannheim, 1. April 2016, veranstaltet von der Medtronic GmbH

Informationen der Deutschen Herzstiftung, www.herzstiftung.de

Autorin

Dr. Beate Fessler ist Apothekerin und arbeitet als freie ­Medizinjournalistin unter anderem für die Deutsche ­Apotheker Zeitung.

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