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Ein sachgerechter Kompromiss

Neuer Rechtsrahmen Medizinprodukte im Schlusspurt

BERLIN (hb) | Vier Jahre lang haben die europäischen Gesetzgeber und die Stakeholder um die rund 350 Seiten der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte gerungen. Nun steht der im Trilog erzielte Kompromiss. Eine Diskussionsrunde beim BAH im Dialog am 29. September beleuchtete das Ergebnis und die Konsequenzen für die Unternehmen.

Gesine Meißner, Abgeordnete des Europäischen Parlaments (FDP), die mit einem Impulsvortrag in die Thematik einführte, sagte: „Das ist das komplizierteste Gesetzgebungsverfahren, mit dem ich je zu tun hatte.“ Sie hat den Prozess als sogenannte „Schatten-Berichterstatterin“ ihrer Fraktion im Europäischen Parlament maßgeblich mit begleitet.

Foto: DAZ/hb
Diskutierten über die neue EU-Medizinprodukteverordnung (v. l.):Dr. Elmar Kroth, BAH, Jörg Wilke, ecm-Zertifizierungsgesellschaft für Medizinprodukte in Europa, Dr. Guido Middeler, Partner der Diapharm, Gesine Meißner, Abgeordnete des Europäischen Parlaments (FDP), Dr. Hubertus Cranz, AESGP, Dr. William Shang, Johnson & Johnson

Konsequenzen für stoffliche Medizinprodukte

Den breitesten Raum nahmen bei der Podiumsdiskussion die stofflichen Medizinprodukte ein. Das sind Produkte, die von der Aufmachung her vielfach Arzneimitteln ähneln, aber nicht unter die Definition eines Arzneimittels fallen, wie etwa Macrogol-Präparate, Meersalz-Nasenspray und Hyaluronsäure-haltige Lutschpastillen. Sie werden nun mit der neuen Verordnung in höhere Risikoklassen umgestuft und damit zum Teil auf eine Stufe z. B. mit Produkten wie Herzschrittmachern gestellt. Dies bringt für die Hersteller einen erheblich größeren Aufwand für den Marktzugang mit sich.

Die Bedeutung der stofflichen Medizinprodukte war im frühen Gesetzgebungsverfahren zunächst nicht erkannt worden. „Das Verständnis für diese Kategorie ist erst durch die intensiven Diskussionen in den letzten Jahren gewachsen,“ betonte Dr. Hubertus Cranz, Generaldirektor des Europäischen Dachverbandes für die Selbstmedikation (AESGP). Angesichts des ursprünglichen Ansinnens der EU-Kommission, sie komplett aus dem Medizinprodukterecht herauszunehmen, ist dies für ihn nun ein sachgerechter Kompromiss.

Ähnlich erleichtert gaben sich Dr. William Shang, der bei der Johnson & Johnson GmbH für den Geschäftsbereich Consumer in Zentraleuropa verantwortlich ist, und Dr. Guido Middeler, Partner der Diapharm GmbH & Co. KG. „Wir sind über die erzielte Lösung sogar heilfroh,“ meinte Shang. Middeler verwies jedoch auch auf die starke Betroffenheit der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie müssten nun ihr Portfolio sichten, um die Produkte herauszufiltern, für die sich der anstehende Aufwand rechnet. Danach würden sicher einige vom Markt verschwinden.

In Zukunft weniger Benannte Stellen?

Die Benannten Stellen, die für die Zertifizierung und damit für den Marktzugang von Medizinprodukten verantwortlich sind, müssen sich nach der neuen EU-Verordnung in einem Übergangsprozess neu benennen lassen. Wie viele dabei auf der Strecke bleiben sei ungewiss, sagte Jörg Wilke von der ecm-Zertifizierungsgesellschaft für Medizinprodukte in Europa mbH. Die Zahl der Zertifizierungsstellen habe sich in den letzten Jahren ohnehin bereits um 20 bis 25 Prozent reduziert. Nun befürchtet Wilke einen weiteren Rückgang. Dies könnte besonders die stofflichen Medizinprodukte treffen, die bei den Benannten Stellen keinen großen Anklang finden, weil ihre Einordnung oft schwierig ist.

„Aus der Sicht der Industrie ist im Gesetzgebungsprozess viel erreicht worden, obwohl nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten,“ resümierte der Moderator der Diskussionsrunde, BAH-Geschäftsführer Wissenschaft Dr. Elmar Kroth. Laut Kroth beinhaltet die Verordnung Ermächtigungen für insgesamt rund 60 delegierte Rechtsakte, mit denen die Vorgaben weiter konkretisiert werden sollen, eine noch völlig unüberschaubare Mammutaufgabe.

Die finale Abstimmung über die neue EU-Verordnung über Medizinprodukte im Rat ist für den 17. Februar 2017 ­anberaumt. Parallel dazu gibt es eine neue Verordnung über In-vitro-Dia­gnostika. Meißner rechnet damit, dass die Texte im März 2017 veröffentlicht werden. |

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