Arzneimittel und Therapie

Setmelanotide gegen Übergewicht?

Melanocortin-4-Rezeptoragonist wirksam bei genetisch bedingter Adipositas

ms | Menschen, die aufgrund einer seltenen Mutation unter einem POMC-Mangel leiden, haben unter anderem starkes Übergewicht und sind gegenüber den bisherigen Therapiemethoden resistent. Ein Melanocortin-4-Rezeptoragonist wurde nun an zwei betroffenen Probandinnen getestet. Er führte zu einem reduzierten Hungergefühl und einer hohen Gewichtsabnahme. Ob die Substanz auch bei anderen Formen der Adipositas einsetzbar ist, muss noch geklärt werden.

Aus dem Hypophysenhormon Proopiomelanocortin (POMC) werden die Hormone Corticotropin und Melanotropin gebildet. Corticotropin stimuliert die Produktion von Glucocorticoiden, Melanotropin ist für die Produktion des Pigmentstoffs Melanin zuständig. Darüber hinaus reguliert es aber auch den Energiehaushalt und das Hungergefühl. Als Agonist am Melanocortin-4-Rezeptor wirkt es appetitzügelnd. Patienten mit einem Defekt im für POMC codierenden Gen leiden daher nicht nur unter Hypopigmentierung und Hypocortisolismus, sondern auch unter Adipositas und Essstörungen. Die durch den Corticotropin-Mangel verursachten Symptome können durch Substitution mit Hydrocortison behandelt werden.

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Ein genetischer Proopiomelanocortin-Mangel führt unter anderem auch zu Adipositas. Die Behandlung mit einem Melanocortin-4-Rezeptoragonisten scheint vielversprechend zu sein.

Weniger Hunger

Ob auch eine Therapie der Adipositas möglich ist, wurde nun in einer Studie mit dem Melanocortin-4-Rezeptoragonisten Setmelanotide an zwei Probandinnen getestet. Beide Studienteil­nehmerinnen hatten ein genetisches POMC-Defizit und waren übergewichtig (BMI 49,8 und 54,1). Ebenfalls berichteten die Patientinnen von einem extremen, anhaltenden Hungergefühl. Seit frühester Kindheit wurden sie mit einer Hydrocortison-Ersatztherapie behandelt. Während der Studie erhielten sie für drei Monate täglich subkutane Dosen von Setmelanotide, die in wöchentlichen Abständen erhöht wurden (beginnend bei 0,25 mg bis 1,5 mg). Das Hungergefühl verringerte sich deutlich ab 1,0 mg und war bei 1,5 mg so gut wie verschwunden. Mit dem stabilen Sättigungsgefühl stellte sich bei beiden auch eine konstante Gewichtsreduktion ein. Nach 13 Wochen hatten die Patientinnen 16,6% und 13,4% ihres initialen Körpergewichts verloren. Auch die zu Beginn der Studie festgestellten erhöhten Insulin-Spiegel, die auf eine Insulin-Resistenz hinweisen, wurden im Lauf der Therapie reduziert. Während der Studie kam es zu keiner Erhöhung des Blutdrucks, einem Effekt, der bei früheren Melanocortin-4-Rezeptoragonisten beobachtet wurde.

Anstoß für weitere Forschung

Die Studie hatte offensichtliche Mängel, wie die kleine Teilnehmerzahl, die sich jedoch aus dem seltenen Vorkommen der Erkrankung ergibt. Für die Wirksamkeit der Therapie sprechen die nachgewiesenen Dosis-Wirkungsbeziehungen und die Tatsache, dass bei einer Patientin das Hungergefühl nach Absetzen der Therapie wieder zunahm. Setmelanotide könnte damit eine Therapieoption für Menschen mit genetischem POMC-Mangel darstellen. Weiterhin traten auch keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Die Patientinnen zeigten eine stärkere Pigmentierung der Haut und eine Färbung der Haare von rot zu braun. Dies deutet darauf hin, dass Setmelanotide auch auf andere Melanocortin-Rezeptoren wirkt. In der Hypophyse wird die Freisetzung von Melanocortin von Leptin beeinflusst. Daher besteht die Hoffnung, dass Setmelanotide auch bei Leptin-Resistenz und anderen Formen der Adipositas eingesetzt werden könnte. Studien hierfür stehen allerdings noch aus. |

Quellen

Kühnen P et al. Proopiomelanocortin Deficiency Treated with a Melanocortin-4 Receptor Agonist. NJEM Juli 2016; 375(3):240-246

Reitman ML. Hormone-Replacement Therapy for Melanocyte-Stimulating Hormone Deficiency. NJEM Juli 2016 375(3):278-279

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