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Klarer, lauter, diskussionsfreudiger

Interview mit dem Hamburger Kammerpräsidenten Kai-Peter Siemsen

Neben dem amtierenden ABDA-­Präsidenten Friedemann Schmidt hat kürzlich auch der Präsident der Hamburger Apothekerkammer, Kai-Peter Siemsen, seinen Hut in den Ring für die ABDA-Wahlen im Dezember geworfen. ADEXA hat ihn zu seinen berufspolitischen Zielen und Überzeugungen befragt:
Foto: Apothekerkammer Hamburg
Kai-Peter Siemsen

ADEXA: Herr Siemsen, auf der Website Ihrer Apotheke finden sich Leitbilder für Ihre Apotheke, die 1999 zusammen mit Ihrem Team in einem moderierten Workshop erarbeitet wurden. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind der Überzeugung, dass die Mitarbeiter das größte Kapital des Unternehmens sind“ und „Wir verstehen die Mitarbeiter als Mitunternehmer, nicht als Arbeitnehmer“. Was bedeutet das konkret?

Kai-Peter Siemsen: In einem Dienstleistungsbetrieb, wie es klassisch eine Apotheke ist, sind es keine Maschinen und Computer, die die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden erkennen und Lösungen anbieten. Natürlich ist eine moderne Apotheke heute ohne IT-Unterstützung und entsprechende Computer und Maschinen nicht mehr vorstellbar. Aber die Leistung erbringen die Menschen in der Apotheke. Jeder an seiner Position. Unsere Apotheke kann also nur so gut sein wie wir alle zusammen: Chef, Approbierte, PTAs und PKAs, aber auch unsere anderen Mitarbeiter. Je eigenständiger die Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen, selbstbestimmt, motiviert und selbstverantwortlich in den Grenzen der Rechtsnormen und den Anforderungen des Betriebes, desto besser wird der Kunde unsere Apotheke und unsere Leistungen empfinden. Es ist zielführender, wenn angestellte „Mitunternehmer“ die Erfordernisse selbstständig erkennen und handeln, als „Arbeitnehmer“ mit Arbeitsaufträgen zu füttern. Ich habe bei uns festgestellt, dass dies allen Seiten deutlich mehr Freude macht und dazu noch bessere Ergebnisse liefert.

ADEXA: Welchen Stellenwert haben in Ihrem Team die Berufsgruppen PKA, PTA und Approbierte?

Siemsen: Jede Berufsgruppe hat ihre speziellen Aufgabenbereiche und ist unverzichtbar für meine Apotheke. Ohne eine der Berufsgruppen fehlt der Apotheke etwas. Das pharmazeutische Personal hat seine Stärken, ebenso wie die PKAs. Bei mir wird als Beispiel der Einkauf bei der pharmazeu­tischen Industrie durch eine PKA-­Kollegin erledigt. Seit dieser Bereich nicht mehr „Chefsache“ ist, sind die betriebswirtschaftlichen Eckdaten im Bereich Lagermanagement und Beschaffung deutlich verbessert.

ADEXA: Glauben Sie, dass Gesundheitspolitiker, Medien und Bevölkerung die Arbeit der Apothekenangestellten ausreichend kennen und wertschätzen?

Siemsen: Wenn ich mir die Bilder oder Videoeinspielungen zur öffentlichen Apotheke in den Endverbraucher­medien so anschaue, finde ich da immer den gleichen Klassiker: „Hand greift ein Arzneimittel aus der Schublade.“ Der „Schubladenzieher“ ist fest verwurzelt in allen Köpfen. Nein, ich glaube nicht, dass das Leistungsspektrum der deutschen Apotheke und ihrer Mitarbeiter bekannt ist. Aber ich glaube, das ist für unsere Kunden auch nicht die entscheidende Frage. Auch wenn unsere Kunden beim Tag der offenen Tür immer wieder erstaunt sind, was „da alles dranhängt“, bis ein Arzneimittel den Kunden erreicht, die Wertschätzung in der Bevölkerung haben wir meist inne. In der Politik gibt es immer wieder freundliche Lippen­bekenntnisse, sobald es ums Honorar geht, fehlt aber oft das entsprechende Handeln. Eine Wertschätzung für die Apothekenmitarbeiter kann ich bei ­einigen Krankenkassenfunktionären gar nicht erkennen, aber die gehen ja zunehmend in Rente.

ADEXA: Was würden Sie als ABDA-­Präsident anders machen als der jetzige Amtsinhaber – besonders auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit?

Siemsen: Der ABDA-Präsident Siemsen wird klarer in der Führung, diskus­sionsfreudiger mit den Mitgliedsorganisationen und lauter und deutlicher, aber auch beständiger in der Öffentlichkeitsarbeit sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass man berechtigte Forderungen nicht nur auf Papier schreiben und auf dem Schreibtisch verstauben lassen darf, sondern stets in die Öffentlichkeit tragen muss. Auch wenn der politische Wind gerade nicht günstig für unsere wirtschaft­lichen Forderungen steht, müssen diese Forderungen dennoch permanent öffentlich vorgetragen werden. Die Erzieherinnen in den Kitas kannten den Finanzmangel der Kommunen auch, und fordern trotzdem eine deutliche Erhöhung. Wir Apotheker sollten auch bei anderen Berufsgruppen schauen, wie hier vorgegangen wird.

ADEXA: Macht es nach Ihrer Erfahrung einen Unterschied, ob in standespolitischen Gremien angestellte Approbierte zahlenmäßig angemessen repräsentiert sind oder nicht?

Siemsen: Ich mache keinen Unterschied zwischen selbstständigen und nicht-selbstständigen Vertretern in den Gremien, mit denen ich arbeite. Für mich kommt es auf die Persön­lichkeit an, auf Einsatzbereitschaft, Offenheit, Kritikfreude, Loyalität und Engagement, nicht auf den Status. In Hamburg, aber auch in Berlin, mache ich sehr gute Erfahrungen mit den Nicht-Selbstständigen, die mir, ent­gegen ihrer Gruppenbezeichnung, ­extrem selbstständig begegnen. Mein Hamburger Kammervorstand ist paritätisch besetzt, und alle Mitglieder sind eine Bereicherung für meine ­Arbeit als Kammerpräsident.

ADEXA: Wie wichtig sind für Sie die Tarifverträge?

Siemsen: Tarifverträge erleichtern Angestellten wie Arbeitgebern den vertraglichen Umgang miteinander. Sofern keine Seite super zufrieden ist, ist aus meiner Sicht der Tarifvertrag gelungen. Kompromisse sind der Ausdruck der demokratischen Willens­bildung in der Politik. Aber auch die Tarifverträge sind von beiden Seiten getragen. Hardliner beklagen die Nichtberücksichtigung von Extremforderungen. Im Alltag des Zusammen­lebens führen aber Verträge mit deutlichen Gewinnern und Verlierern zu Unzufriedenheit und Streit. Der Tarifvertrag ist eine gute Basis für ein gedeihliches Miteinander-Arbeiten.

ADEXA: Wie stehen Sie zu einer tarif­lichen Honorierung von Fort- und Weiterbildung?

Siemsen: Ich sehe Fortbildung als ständige Selbstverpflichtung aller Berufsgruppen an. Egal an welcher Stelle Mann oder Frau im Betrieb die Arbeit erledigt, es wird niemals ausreichen, ein Berufsleben lang ausschließlich auf die Erkenntnisse der Ausbildung zurückzugreifen. Der Erkenntniszuwachs in der Wissenschaft verdoppelt sich zunehmend schneller, da muss jeder Schritt halten, um nicht abgehängt zu werden. Dies ist sicher nur mit entsprechender Fortbildung möglich. Die Anstellungsverträge sind zweiseitige Willensbekundungen mit beiderseitigen Rechten und Pflichten. So wie die Mitarbeiter eine termingerechte Gehaltszahlung erwarten dürfen, wird gegenüber den Arbeitgebern die Arbeitsleistung geschuldet. Dazu gehört eine fachkundige Ausübung des Berufs auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und sonstigen Erkenntnissen.

Weiterbildung ist dagegen die besonders intensive Auseinandersetzung mit den Erfordernissen eines Berufsbereichs. Die weitergebildeten Kolleginnen und Kollegen können hier besondere Kenntnisse vorweisen und sind sicher eine klare Bereicherung. Die wirtschaftlichen Eckdaten unseres politisch bestimmten Honorars lassen den meisten Apotheken hier keinen Spielraum, die Anerkennung dieser Fähigkeiten monetär vorzunehmen. Die letzte Honorarerhöhung betrug, wie Sie sich erinnern, magere drei Prozent. Das entspricht rechnerisch einer Honoraranpassung von 0,25 Prozent p. a. Deshalb ist die Verweigerung der Politik, unser Honorar der allgemeinen Kostenentwicklung anzupassen, ein klarer Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter, nicht nur der Apothekenleiter.

ADEXA: Herr Kammerpräsident, vielen Dank für das Interview! |

Fragen: Barbara Stücken-Neusetzer, Dr. Sigrid Joachimsthaler

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