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Kooperation

Europaweit vernetzt

Alphega – Apothekenkooperation und europäisches Netzwerk. Ein Porträt.

Alphega, so hat Alliance Healthcare sein europäisches Netzwerk von Apothekenkooperationen genannt. Das Kunstwort ist aus den griechischen Buchstaben Alpha und Omega zusammengesetzt, die den Anfang und das Ende symbolisieren. Seit der Umbenennung der Vivesco-Apotheken gibt es die Marke Alphega in Deutschland. Die Kooperation des Pharmagroßhändlers Alliance Healthcare hat sich unter den großen deutschen Apothekengruppierungen etabliert.  | Von Benjamin Wessinger

In neun europäischen Ländern sind insgesamt etwa 6500 Apotheken Teil des Alphega-Netzwerks, des globalen Apotheken- und Pharmahandelskonzern Walgreens Boots Alliance (WBA), zu dem auch der deutsche Pharmagroßhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD) gehört. Sie alle sind inhabergeführt, befinden sich also nicht im Besitz von WBA, wenngleich in einigen Ländern durchaus ein „hartes“ Franchise-Konzept umgesetzt wird. Die WBA-Großhandels-Chefin Ornella Barra, zu deren Verantwortungs­bereich auch die Alphega-Kooperation gehört, betont immer wieder: Bei WBA wird das Netzwerk der unabhängigen Apotheken vollständig getrennt von den konzerneigenen Apotheken geführt (s. Kasten „Der Healthcare-Gigant“). So sagte Barra 2013 auf einem Treffen europäischer Alphega-Apotheker in Monaco, natürlich betreibe Alliance Boots auch Apothekenketten, wo dies erlaubt sei. Allerdings werde dieses Geschäft nach außen deutlich sichtbar von dem mit den eigenständigen Apotheken getrennt. Bei anderen Unternehmen dagegen gebe es diese Unterscheidung nicht – und das sei ein wichtiger Unterschied.


Der Healthcare-Gigant

Der nach eigenen Angaben „erste globale, Apotheken-geführte Gesundheitskonzern“ Walgreens Boots Alliance (WBA) hat eine eher unübersichtliche Struktur und durchaus komplizierte Entstehungsgeschichte. Hervorgegangen ist der Konzern aus dem regionalen italienischen Arzneimittelgroßhandel der Familie Pessina. Stefano Pessina, heute mit einem Vermögen von 13,9 Milliarden US-Dollar (ca. 12,6 Mrd. Euro) auf Rang 62 der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen, formte daraus durch Übernahmen und Fusionen den europäischen Großhandelskonzern Alliance UniChem. Dieser fusionierte 2006 mit dem britischen Apothekenkonzern Boots zu Alliance Boots.

Im darauffolgenden Jahr kauften die Investmentgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR) und Stefano Pessina Alliance Boots, nahmen den Konzern von der Börse und verlegten den Firmensitz in die schweizerische Steueroase Zug.

Zwischen 2012 und 2014 übernahm der US-Pharmahändler Walgreens nach und nach Alliance Boots. Da ein Teil des Kaufpreises in Aktien bezahlt wurde, wurde Stefano Pessina größter Einzelaktionär der neuen Walgreens Boots Alliance (WBA). Seit Anfang 2015 leitet Pessina das Unternehmen auch, zuerst interimistisch, seit Juli ganz offiziell als Chief Executive Officer (CEO).

WBA ist in drei „Divisions“ aufgeteilt: Das US-Apothekengeschäft (Walgreens), das internationale Apothekengeschäft (Boots International) und das Großhandelsgeschäft (Alliance Healthcare). In den USA ist WBA mit den Marken Walgreens, Duane Read und Rite Aid (die im Oktober 2015 übernommen wurde) der größte Apothekenbetreiber. Das internationale Apothekengeschäft besteht hauptsächlich aus der Marke Boots, die heute neben Großbritannien und Irland auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bahrain, Norwegen, Litauen, Thailand und den Niederlanden aktiv ist. Dazu kommen die „Benavides“-Apotheken in Mexiko und Farmacias Ahumada (FASA) in Chile. Die Großhandels-„Division“ besteht hauptsächlich aus Alliance Healthcare, zu ihr gehört aber auch das Alphega-Apothekennetzwerk.

Im Geschäftsjahr 2014/2015 machte WBA einen Gesamtumsatz von 103,4 Milliarden US-Dollar, belieferte über 200.000 Apotheken und Krankenhäuser in 19 Ländern, hatte 370.000 Angestellte in über 25 Ländern und betrieb 13.100 Geschäfte, Drogerien und Apotheken in elf Ländern.

In Deutschland gehört Alphega mit heute rund 1700 Mit­gliedern zu den größten Apothekenkooperationen. Zum Vergleich: Die zu Celesio (Gehe) gehörende „Gesund leben“ ist mit nach eigenen Angaben rund 2300 Mitgliedern die größte deutsche Apothekenkooperation, die Phoenix-nahe Linda bezeichnet sich mit 1100 Mitgliedern als „größte Apothekendachmarke“ Deutschlands.

Holpriger Start

Dabei war der Start vor drei Jahren alles andere als glatt gelaufen: Die AHD-Kooperation hatte bis dahin Vivesco geheißen und eher marketingorientiert agiert. Viele Mitgliedsapotheken waren in großen Supermärkten, SB-Warenmärkten oder Nahversorgungszentren gelegen und auf Laufkundschaft ausgerichtet. Mit der auffallenden Marke in der Signalfarbe gelb und TV-Spots war es Vivesco gelungen, auch bei der Kundschaft eine gewisse Bekanntheit aufzubauen. Auch im Internet war die Kooperation aktiver als viele andere, beispielsweise beteiligte man sich 2012 am Arzneimittel-Bestellportal dedendo.de, bei dem auch die ProSiebenSat1-Gruppe dabei war. Kunden konnten auf dem Portal Arzneimittel und apothekenübliche Ware „reservieren“ und sie dann in einer der teilnehmenden Apotheken abholen oder sich vom Botendienst der Apotheke liefern lassen. Die beteiligten TV-Sender sollten – ähnlich wie vorher schon bei Zalando – das Portal bekannt machen. Die Zusammenarbeit mit den damals rund 1100 Vivesco-Apotheken sollte dafür sorgen, dass das Angebot flächendeckend funktioniert. Doch so richtig kam das Projekt nicht in Fahrt, im Sommer 2013 stieg ProSiebenSat1 aus, im Dezember dann auch Vivesco, nachdem die dedendo GmbH Insolvenz anmelden musste.

Auch in der folgenden Zeit kam die Kooperation nicht zur Ruhe. So machten bereits zu Beginn des Jahres 2014 Gerüchte die Runde, die deutschen Vivesco-Apotheken sollten in das europäische Kooperationsnetzwerk Alphega integriert werden. Es wurde die Aussage Barras kolportiert, sie wolle überall in Europa Alphega-grüne Apotheken sehen. Nachdem die ebenfalls zu WBA gehörenden niederländischen „Kring“-Apotheken bereits 2013 die Umwidmung in Alphega beschlossen hatten, waren die deutschen Vivesco-Apotheker die „letzten Mohikaner“ im WBA-Apothekennetzwerk.

Insider waren deswegen auch nicht verwundert, dass im Frühjahr 2014 die Vivesco-Mitgliederversammlung über einen Markenwechsel abstimmen sollte. Doch der Versammlung ging eine öffentlich geführte, teilweise sehr emotionale Diskussion voraus. Der Branchendienst Apotheke adhoc schrieb vom „Krimi um Vivesco“ und berichtete teilweise bizarre Details aus der Versammlung, die schlussendlich mit ganz genau der erforderlichen Mindeststimmzahl dafür stimmte, den eingeführten Namen aufzugeben und unter das Dach der europäischen Marke zu schlüpfen. Doch etliche Vivesco-Apotheker wollten den neuen Weg nicht mitgehen und verließen die Kooperation.

Mit Anzeigen wie dieser, die Vivesco-Werbeslogans aufgriff, warb Alphega 2014 für die Umbenennung der Kooperation.

Seither ist es deutlich ruhiger geworden, sowohl aus der Frankfurter Zentrale wie aus der Mitgliederschaft hört man nichts über Querelen. Allenfalls der etwas überraschende Wechsel in der Geschäftsführung im Spätsommer letzten Jahres sorgte kurzzeitig für Spekulationen. Doch Ex-­Geschäftsführer Oliver Prönnecke ist bei der A-plus-Kooperation der Pharma-Privat-Großhändler untergekommen, und mit Mark Böhm hat Alphega Deutschland schnell einen Ersatz aus den eigenen Reihen gefunden (s. Interview „Das neue Konzept ist angekommen“, S. 22 dieser DAZ).

Europaweit aktiv

Alphega wird nicht müde, die großen Vorteile der europaweiten Vernetzung der Kooperation zu betonen. So antwortete Ornella Barra 2013 im Interview mit der DAZ auf die Frage, welche Vorteile ein Apotheker von einer Mitgliedschaft habe: „Wenn Sie heute Abend als unabhängiger Alphega-Apotheker ins Bett gehen, können Sie ruhig schlafen, weil Sie wissen, dass Sie die Unterstützung und Rückendeckung des größten pan-europäischen Netzwerks selbstständiger Apotheker haben – eines Partners, der zur Verbesserung der Rentabilität beiträgt, der „Best Practice“-Beispiele teilt und Trainings anbietet.“

Alphega-Apotheken gibt es neben Deutschland auch in Tschechien, Frankreich, Italien, Spanien, Holland, Russland, der Türkei und Großbritannien. Nach Unternehmensangaben sind insgesamt über 6500 selbstständige Apotheker Teil des 2001 gegründeten Netzwerks.

Das sei nur möglich, weil man die nationalen Bedürfnisse in jedem der Länder genau kenne und vor allem konsequent respektiere, heißt es dazu bei Alphega. Das Ziel sei, die unabhängige Apotheke zu unterstützen, in den einzelnen Märkten jeweils die führende Kooperation zu sein bzw. zu werden und eine beim Verbraucher anerkannte Marke zu schaffen.


Die Frau hinter Alphega

Foto: Alliance Boots

Hinter dem europäischen Alphega-Netzwerk steht eine der schillerndsten Figuren des internationalen Pharmahandels: Ornella Barra. Die 1953 geborene Italienerin, die heute in Monaco lebt, ist seit über 30 Jahren die Lebensgefährtin von Stefano Pessina, größter Aktionär und Vorstandsvorsitzender des weltweit agierenden Apotheken- und Pharmahandelskonzerns Walgreens Boots Alliance (WBA). Bei WBA ist Barra als President and Chief Executive of Global Wholesale and International Retail für das Großhandels­geschäft und damit auch für die Apothekenkooperationen verantwortlich.

Barra hat an der Universität von Genua Pharmazie studiert, 1984 gründete sie eine kleine Pharmagroßhandlung. Deren Übernahme zwei Jahre später durch den Wettbewerber Alleanza Salute Italia war der Startschuss für eine rasante Karriere im heute größten Pharmahandelskonzern der Welt: Walgreens Boots Alliance. Das US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ führt Barra aktuell auf Platz 5 der mächtigsten Frauen in Europa, Nahost und Afrika.

1999 gründete Barra das European Pharmacist Forum, dessen Executive Director sie ist. Dieses Netzwerk von selbstständigen Apothekern aus zehn europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik und Türkei) soll den Austausch und Dialog zwischen Apothekern, aber auch mit Behörden und Arzneimittelherstellern fördern. Barra ist Honorarprofessorin an der Pharmacy School der Universität von Nottingham.

Angebote in Deutschland

Wie in den anderen europäischen Ländern verändert sich auch der deutsche Apothekenmarkt unter dem Einfluss von „Krankheitstrends, steigendem Kostendruck und in Bezug auf den Zugang zu gesundheitlicher Beratung und Medikamenten“ stellt eine aktuelle Alphega-Broschüre fest. Der Apotheker werde dadurch zunehmend zu einem Gesundheitsberater. Durch die Herausforderungen müsse der Apotheker in Zukunft noch stärker als Unternehmer, Führungskraft, Manager und Netzwerker auftreten. Bei all diesen Aufgaben könne Alphega „wertvolle Hilfe in Form von innovativen Konzepten und ganzheitlicher Beratung“ leisten.

Wichtig sei, den „Beruf wieder zur Berufung“ zu machen. Doch dafür brauche der Apotheker Zeit, Profit und Sicherheit. Auch dabei könne die Kooperation Unterstützung und Entlastung bieten. Das soll vor allem durch eine individuelle Betreuung durch einen Apothekenberater sowie das EMMA-Programm (s. unten) erreicht werden. Diese Maßnahmen werden durch ein umfangreiches Marketingpaket – von Aktionen über Kundenmagazin (inkl. TV-Programm!) und Category Management bis hin zu Anzeigen- und PR-Kam­pagnen – zu einem „360-Grad-Angebot“ ergänzt. Seit Kurzem gibt es auch einen neuen Werbe-Claim: „an Ihrer Seite“ steht nun auf allen Werbematerialien neben dem Schriftzug ­„Alphega Apotheken“. Natürlich bietet auch Alphega seinen Mitgliedsapotheken besondere Einkaufskonditionen sowie ein Bonusprogramm. Dazu kommt die Eigenmarke Alvita mit inzwischen 65 Produkten vom Blutdruckmessgerät über Bandagen bis zu Inkontinenzprodukten.

Wer ist EMMA?

Kernelement des Alphega-Konzepts ist das Entwicklungs- und Management-Modul Alphega, kurz EMMA. Ziel dieses Konzepts sei es, „die optimalen Prozesse“ für den Erfolg der Apotheke zu finden, wie es bei Alphega heißt. „Und zwar in allen Bereichen vom Prozessmanagement über Personal und Finanzen bis hin zu Lösungen und Angebote für Ihre Patienten.“

Dafür wird zuerst eine Bestandsaufnahme der Apotheke gemacht, indem beispielsweise Kunden, aber auch die Mitarbeiter und der Chef befragt werden. Auch ein Testkauf und eine Analyse der Offizin finden statt. Anschließend werden die Ergebnisse der Bestandsaufnahme analysiert und in einem Bericht zusammengefasst. Dieser zeigt die Stärken und Schwächen sowie das Optimierungspotenzial der Apotheke auf. Der Alphega-Apothekenberater bespricht diesen Bericht mit dem Apotheker, gemeinsam mit dem Apothekenteam werden anschließend passende Maßnahmen entwickelt. Auch bei ihrer Umsetzung unterstützt der Apothekenberater die Mitglieder.

Besonders stolz ist man in der Frankfurter Alphega-Zentrale auf die „Service in a Box“ genannten Aktionspakete. Mit besonderen Beratungsaktionen sollen sich die Mitglieder von anderen Apotheken abheben können. Bisher werden den Apotheken drei solche Pakete angeboten, mit denen sie entweder eine Messung des Gefäßalters, der Venenfunktion oder des Lungenalters in ihrer Apotheke durchführen können.

Dabei erhalten die teilnehmenden Apotheken von Alphega das Messgerät inklusive des benötigten Zubehörs sowie ein umfangreiches Deko- und Marketingpaket mit Flyern, Plakaten, Broschüren usw. Vorlagen für Anzeigen und Pressemeldungen werden als Dateien zur Verfügung gestellt, ebenso wie Musterablaufpläne, Empfehlungen für den Zusatzverkauf und Hintergrundinformationen. Bei Bedarf schult der Apothekenberater das Team.

„Rundum sorglos“

Nicht nur mit den Services aus der Box will Alphega den Apotheken das „Rundum-sorglos-Paket“ anbieten, um den Aufwand für die Apotheke so gering wie möglich zu halten. Überhaupt sei das der große Unterschied zu vielen anderen Apothekenkooperationen, die natürlich in vielen Feldern ähnliche Angebote haben wie Alphega, sagt Geschäftsleiter Böhm: „Bei Alphega ist das alles ein einheitliches, großes Konzept.“ |

Autor

Dr. Benjamin Wessinger, Apotheker, ist Chefredakteur der Deutschen Apotheker Zeitung.

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