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Sicherheit als oberste Priorität

EMA will Richtlinien für Phase-I-Studien überarbeiten

STUTTGART (hfd/ral) | Wie kann die Sicherheit von komplexen Studien erhöht werden? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit die europäische und die deutsche Arzneimittelbehörde.

Die geltende Richtlinie zur Durchführung von ersten Studien am Menschen wurde 2007 nach dem schweren Zwischenfall mit dem monoklonalen Antikörper TGN1412 verfasst, bei dem sechs Probanden lebensgefährliche Komplikationen erlitten. Nun will die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Todesfall bei der Phase-I-Studie zu BIA 10-2474 in Rennes zum Anlass nehmen, um die Richtlinie grundlegend zu überarbeiten. Die Behörde schlägt „Änderungen der geltenden Empfehlungen für erste klinische Studien am Menschen vor, um Strate­gien zur Identifizierung und Verringerung von Risiken für die Studienteilnehmer zu verbessern“.

Eine Expertenkommission hat hierfür ein Konzeptpapier entwickelt, an dem auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beteiligt war. Es zielt auf Studien wie jene in Rennes ab, die für ihr nachlässiges Design stark kritisiert wurde. Die BIA 10-2474-Studie umfasste vier Teilstudien. Vor der Verabreichung der nächsten Dosisstufe mussten die pharmakokinetischen Daten der vorhergehenden Probandengruppe nicht ausgewertet werden – und kritische Entscheidungen wie der Start einer nächsten Teilstudie lagen nur in den Händen der Pharmafirma Bial sowie des Auftragsforschungsunternehmens Biotrial. „In den vergangenen Jahren hat sich die Durchführungspraxis für erste Studien am Menschen hin zu einem integrierten Ansatz entwickelt, bei dem die Sponsoren mehrere Schritte der klinischen Entwicklung in einem einzigen Studienprotokoll zusammenfassen“, erklärt dazu die EMA und will hier nun eingreifen. Die Liste der geplanten Ergänzungen ist lang: Pharmakologische und toxikologische Daten sollen stärker bei der Wahl der Dosisstufen berücksichtigt werden – wie auch Kriterien, wann Studien gestoppt werden sollen. Die EMA will Entscheidungsprozesse systematisieren, sicherstellen, dass Daten laufend berücksichtigt werden, die Kommunikation mit Behörden und Patienten verbessern und klarstellen, welche wissenschaftlichen Informationen Studienunterlagen enthalten müssen.

Diskussion in großer Runde

Auf einer BfArM-Veranstaltung Ende Juni wurde die Zukunft früher klinischer Studien mit mehr als 100 Mitgliedern der Industrie, Ethik-Kommissionen und Behörden in Bonn diskutiert. Der Leiter der BfArM-Abteilung „Wissenschaftlicher Service“, Thomas Sudhop, wies darauf hin, dass integrierte Protokolle auch in Deutschland zunehmend eingesetzt werden – bei fast jeder vierten frühen Studie. Wichtigste Motivation sei die Zeit- und Geldersparnis. Dabei sei umstritten, inwiefern integrierte Studien ohne Zwischenüberprüfung durch Ethikkommissionen überhaupt zulässig sind.

Laut Georg Golor vom Auftragsforschungsunternehmen Parexel sinkt bei Sponsoren die Akzeptanz gegenüber traditionellen, getrennten Protokollen. Die unterschiedliche Beurteilung in der EU führe zu „verlockenden“ Alternativen in anderen Ländern. Seiner Einschätzung nach sind inte­grierte Studien jedoch sicher durchführbar, wenn klar definierte Kriterien eingehalten werden.

Joerg Hasford, der in Bonn als Vertreter des Arbeitskreises medizinischer Ethikkommissionen sprach, sieht inte­grierte Studiendesigns kritisch. Ihm liegt am Herzen, dass die Politik für Fairness bei den Anforderungen klinischer Studien sorgt, sodass Probanden überall auf gleichem Niveau geschützt werden. „Es kann nicht sein, dass in Frankreich alles durchgewunken wird und Phase-I-Forschung nach Frankreich oder England abwandert“, erklärte er gegenüber DAZ.online. |

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