DAZ aktuell

Das Problem mit den Dienstleistungen

Welche Angebote dürfen vereinbart werden? Welche Leistungen werden honoriert?

bro/wes | Die Tätigkeit des Apothekers auszubauen, neue Kompetenzfelder zu erschließen und mit pharmazeutischen Dienstleistungen ein zweites Vergütungs-Standbein aufzubauen – das ist eines der erklärten Ziele der Standesvertretung und ein Hauptmotiv des Perspektivpapiers. Doch nach Einschätzung des Bundesversicherungsamtes dürfen Krankenkassen viele dieser Dienstleistungen nicht vergüten – und das Bundesgesundheitsministerium sieht vorerst keinen Handlungsbedarf.

Die Apotheker wollen zukünftig auch für ihre „kognitiven Leistungen“ bezahlt werden, auch wenn diese unabhängig von der Abgabe eines Arzneimittels erbracht wurden. So steht es im Perspektivpapier „Apotheke 2030“, so verkünden es die ABDA-Funktionäre landauf, landab. Die Apothekerverbände – und in einigen wenigen Fällen auch die Kammern – verhandeln fleißig mit den Krankenkassen, um neue Versorgungsmodelle wie Medikations-, Schwangerschafts- oder Diabetiker­beratung vertraglich zu vereinbaren. Doch diesen Projekten könnte nun das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde der bundesweit tätigen gesetzlichen Krankenkassen (das sind alle Ersatzkassen sowie einige ­IKKen und BKKen) ein abruptes Ende bereiten. Wie DAZ.online bereits Mitte Juni berichtete (s. auch „Dienstleistungshonorare unter Beschuss“, AZ 2016, Nr. 25), hat das BVA Einwände gegen die geplante Diabetiker-Beratung, die der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit der Techniker Krankenkasse (TK) vereinbart hatte.

Das BVA sieht den Sachverhalt so: „Krankenkassen dürfen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden“, wie DAZ.online einen Sprecher zitierte. Eine Beratung von Diabetikern in der vereinbarten Art und Weise fällt für das BVA offenbar nicht unter diese Aufgaben, es fehle die gesetzliche Grundlage im Sozialgesetzbuch (SGB) V. Dass das BVA mit seiner Interpretation der apothekerlichen Aufgaben nicht alleine steht, zeigt das Schicksal der Schwangerenberatung, die der Bayerische Apothekerverband (BAV) mit der AOK Bayern vereinbart hatte. Das 2013 gestartete Projekt wurde ein Jahr später wieder eingestellt, weil das bayerische Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde der AOK Bayern intervenierte. Begründung auch hier: Für die Medikationsberatung der schwangeren AOK-Versicherten fehle die gesetzliche Grundlage.

Hoffnung auf den Gesetzgeber

Seit Monaten lobbyiert die ABDA nun, die fehlende gesetzliche Grundlage für solche Verträge zu schaffen. Im SGB V ist bisher nur die Möglichkeit erwähnt, „ergänzende Verträge“ zwischen Kassen und Apothekern abzuschließen – welche Leistungen darin vereinbart werden können und welche eben nicht, das ist nicht geregelt. Die ABDA hätte gerne, dass die „pharmazeutischen Dienstleistungen“ wörtlich als mögliche Leistungen erwähnt werden.

Doch ob eine solche Gesetzesänderung kommt, erscheint fraglich. Gegenüber DAZ.online gab zumindest das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu verstehen, dass es eine solche Gesetzesänderung nicht für notwendig hält: „Mit Paragraf 64a besteht eine geeignete ­gesetzliche Grundlage für die Vereinbarung von AMTS-Projekten. Darüber hinaus bestehende Projekte sind zunächst wissenschaftlich zu evaluieren, um Erkenntnisse für eine zukünftige flächendeckende Umsetzung zu gewinnen“, so ein Ministeriumssprecher. Zur Erklärung: Der Paragraf 64a stammt aus dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (2012) und ist die Basis für das ARMIN-Projekt. Dort ist genau beschrieben, dass Ärzte und Apotheker in einer einzigen bestimmten Region einen Modellversuch zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit entwerfen können. Dieser soll anschließend evaluiert werden und – bei Eignung – bundesweit ausgerollt werden.

Das BMG weist jedoch darauf hin, dass es für die Apotheker weitere Möglichkeiten gibt, Verträge mit Krankenkassen abzuschließen. Beispielsweise die Selektivverträge. „Krankenkassen können Selektivverträge mit den […] zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften abschließen. Insoweit können sich auch Apotheker an solchen Verträgen zur besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung als Vertragspartner beteiligen.“ Was das BMG an dieser Stelle auslässt: Apotheker können sich nur als „erweiterter“ Vertragspartner einbringen. Selektivverträge kommen für sie nur infrage, wenn schon mindestens ein Vertragsarzt an dem jeweiligen Projekt beteiligt ist.

Regelung im Rahmenvertrag

Auch der Rahmenvertrag, in dem der DAV und der GKV-Spitzenverband alle Leistungen der Apotheken auflisten, könnte einen Ausweg bieten. Das BMG ist offenbar der Meinung, dass Apo­theker ihre Dienstleistungen anbieten könnten, wenn sie sich mit den Kassen darauf einigen, diese in den Rahmenvertrag aufzunehmen. Auf die Frage, ob das BMG der Forderung der Apotheker nachgeben und die Worte „pharmazeutische Dienstleistungen“ in ein Gesetz aufnehmen will, sagte der Sprecher: „Die Medikationsberatung von Versicherten wird von den in Paragraf 1 des Rahmenvertrages […] genannten Vertragsgegenständen nicht umfasst. Eine Kompetenz zum Abschluss von Verträgen zur Medikationsberatung von Versicherten ergibt sich somit nicht […]“.

Was darf honoriert werden?

Neben der Frage, ob die Apotheker überhaupt Verträge über neue Dienstleistungen abschließen dürfen, ist aber vor allem die Honorierung bisher unklar – und umstritten. Schon 2014, bei einer Podiumsdiskussion der Wirtschafts-Interpharm in Berlin, hatte sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Johann-Magnus v. Stackelberg skeptisch dazu geäußert, Angebote wie den Medikationsplan gesondert zu vergüten. Solche Beratungsleistungen seien ­bereits mit dem Arzneimittelhonorar abgedeckt. Auf einen ähnlichen Standpunkt stellt sich nun das BVA. Die Aufsichtsbehörde sagte bereits Mitte Juni, dass Verträge der Krankenkassen und Apotheken dann problematisch sein können, wenn „allein Leistungen zusätzlich vergütet werden, zu denen der Apotheker bereits […] gesetzlich verpflichtet ist“. Das bedeutet, dass der Apotheker für Leistungen, zu denen er laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verpflichtet ist, nicht noch einmal entlohnt werden könnte.

Das Gesundheitsministerium scheint das allerdings lockerer zu sehen: „Wie weit die Verpflichtung [in der ApBetrO] geht, ist im Einzelfall zu prüfen. Die ApBetrO steht einer Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen auf vertraglicher Grundlage grundsätzlich nicht entgegen. Vergütungsfragen sind vorrangig im Rahmen der Arzneimittelpreisverordnung zu entscheiden“, teilte ein BMG-Sprecher mit. |

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