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Brexit – was nun?

Auswirkungen eines EU-Austritts Großbritanniens auf Apotheker und die Arzneimittelversorgung

BERLIN (ks/bro) | Die Bürger Groß­britanniens wollten letzte Woche mehrheitlich nicht mehr zur Europäischen Union (EU) gehören. Mittlerweile mögen sich manche nicht mehr so sicher sein, ob sie ihr Kreuz an der richtigen Stelle gemacht haben – doch das Referendum zum EU-Austritt ist abgeschlossen und hat ein Ergebnis, mit dem jetzt alle klarkommen müssen. Auch Apotheker und Pharmaunternehmen.

Die vergangenen Tage war der Brexit das beherrschende Thema in allen Medien – selbst die Fußball-EM konnte dagegen nicht viel ausrichten. Noch ist unklar, wie schnell der Austritt vonstattengehen wird. Ebenso, wer ihn aufseiten Großbritanniens in die Wege leitet. Noch-Premierminister David Cameron will es jedenfalls nicht und hat daher seinen Rücktritt angekündigt.

Für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer gibt es ebenfalls viele Unwägbarkeiten. Mehr als 2500 deutsche Firmen haben Niederlassungen in Großbritannien. Hunderttausende EU-Bürger arbeiten dort. Fraglich ist, ob es für EU-Bürger auch in Zukunft noch so einfach sein wird, einen Job in Groß­britannien anzunehmen.

Auch die rund 12.000 britischen Apotheken werden den EU-Austritt unmittelbar zu spüren bekommen. Bei den Fachkräften in den Heilberufen wird sich die Frage stellen, ob Approbationen aus der EU noch so einfach in Großbritannien anerkannt werden können. Seit 2005 gilt die gegenseitige Berufsanerkennung innerhalb der EU. Deutsche Apotheker können hierzulande eine Bescheinigung beantragen, mit der sie sich in allen derzeit noch 28 Mitgliedsstaaten bewerben können. Aber auch in der alltäglichen Versorgung könnten Probleme auftreten. Insbesondere in den vergangenen Jahren wurden viele wichtige EU-Richtlinien im Arzneimittelbereich auf den Weg gebracht, die auch in Großbritannien gelten. Ein Beispiel ist die Fälschungsschutzrichtlinie: Wie alle EU-Staaten hat sich auch das Vereinigte Königreich dazu verpflichtet, bis 2019 ein neues Sicherheitssystem an Arzneimittel­packungen einzuführen. In Deutschland ist es unter dem Namen SecurPharm bekannt (s. a. SecurPharm testet in Krankenhausapotheken, S. 20). Sollte sich Großbritannien nicht daran beteiligen, könnte der britische Markt ein Einfallstor für Fälschungen werden.

BPI und BAH erwarten mehr bürokratische Hürden

Die pharmazeutische Industrie erwartet vom Brexit aber auch sonst nichts Gutes. Sie pflegt mit Großbritannien über Jahrzehnte gewachsene Handelsbeziehungen. Diese müssten nun in kurzer Zeit auf eine neue Grundlage gestellt werden – soweit dies überhaupt möglich sein wird, gibt Martin Zentgraf, Vorstand des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), zu bedenken. Es werde die deutschen Pharmaunternehmen große Anstrengungen kosten, die bürokratischen Hürden zu nehmen, die nach dem Austritt Großbritanniens aus der Union auf sie zukommen. Ähnlich argumentiert der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Bereits im Vorfeld des Brexits wies er darauf hin, dass die Auswirkungen auf die pharmazeutische Industrie immens und grundsätzlich negativ zu bewerten seien. So seien durch den Ausschluss Großbritanniens vom europäischen Binnenmarkt erhebliche Exportausfälle und Handels­verzögerungen zu erwarten.

Wohin mit der EMA?

Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird aus BAH-Sicht aber auch weitreichende Folgen im regulatorischen Bereich haben. So sei die weitere Teilhabe Großbritanniens an europäischen zentralen Zulassungsverfahren künftig ausgeschlossen. Hinzukommt, dass diese Verfahren ausgerechnet durch die (noch) in London ansässige Europäische Arzneimittel-Agentur EMA vollzogen werden. Auch diese wird nach dem Brexit ein neues Zuhause brauchen. Der BAH hat bereits Bonn als Standort ins Spiel gebracht. Doch auch Dänemark oder Italien melden Interesse an. Laut der EU-Kommission ist es allerdings „viel zu früh“ für solche ­Spekulationen. |

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