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Ergänzungssortiment
Apothekenübliche Waren – was gehört dazu?
Die Begriffsbestimmung ist nicht immer einfach – Blick in die Rechtsprechung
Das Hauptsortiment einer Apotheke setzt sich zusammen aus Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten. Die Abgabe weiterer Ware aus den Apothekenbetriebsräumen ist nur dann statthaft, wenn diese gemäß § 1a Abs. 10 ApBetrO als apothekenüblich einzustufen ist (BVerwGE 148, 28). Solche Ware darf jedoch nur in einem Umfang angeboten werden, der den ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht beeinträchtigt (§ 2 Abs. 4 ApBetrO). Hierdurch soll nicht nur der Gefahr begegnet werden, dass sich die Geschäftstätigkeit in der Apotheke zulasten des Arzneimittelversorgungsauftrages auf apothekenfremde Waren richtet, sondern auch das Vertrauen der Kunden geschützt werden, in der Apotheke nur Erzeugnisse angeboten zu bekommen, denen ein nachvollziehbarer gesundheitlicher Nutzen zugeschrieben wird (BVerwGE 148, 28). Jedoch fallen unter den Begriff der apothekenüblichen Waren allein solche, die entgeltlich abgegeben werden. Gegenstände, die hingegen – z. B. als Zugaben – kostenlos abgegeben werden, sind von der Begriffsbestimmung des § 1a Abs. 10 nicht erfasst. So richtet sich die rechtliche Zulässigkeit von Zugaben allein nach den einschlägigen werbe- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften sowie nach den jeweiligen Berufsordnungen der zuständigen Apothekerkammern (Cyran/Rotta, § 4 Rdnr. 118; a. A. Tisch, PZ 1992, 684).
Neben den nicht apothekenpflichtigen Medizinprodukten bilden die Mittel zur Körperpflege und die sog. Gesundheitswaren einen wesentlichen Anteil der apothekenüblichen Waren. Diese Produktgruppen sollen nachfolgend näher erläutert werden. Prüfmittel, Chemikalien, Reagenzien, Laborbedarf, Schädlingsbekämpfungs-, Pflanzenschutzmittel sowie Mittel zur Aufzucht von Tieren sind ebenfalls apothekenüblich.
Nicht-apothekenpflichtige Medizinprodukte
Mit der ausdrücklichen Aufnahme der nicht-apothekenpflichtigen Medizinprodukte in die Liste der apothekenüblichen Waren ist klargestellt, dass es für ihre Apothekenüblichkeit nicht darauf ankommt, ob sie unmittelbar oder nur mittelbar der Gesundheit dienlich oder förderlich sind. Apothekenpflichtige Medizinprodukte zählen zum Hauptsortiment.
Was sind Medizinprodukte? Medizinprodukte haben ebenso wie Arzneimittel eine gesundheitliche Zweckbestimmung. Zu ihnen zählen gemäß § 3 Nr. 1 MPG alle zur Anwendung am Menschen bestimmten, einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung nicht – wie ein Funktionsarzneimittel – durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreichen, wenngleich deren Wirkungsweise durch solche Mittel unterstützt werden kann. Beispiele für Medizinprodukte sind z. B. Fieberthermometer, Wärmestrahler und Pflaster, des Weiteren ärztliche Instrumente, Blutdruckmessgeräte, Röntgenapparate, Laufhilfen, Körperersatzteile, Sättigungskapseln und mit Trauben- oder Johannisbeerkernen gefüllte Wärmekissen (BayVGH, Beschl. v. 07.06.2011, Az.: 9 ZB 09.1657). Bei Produkten, die Stoffe bzw. Zubereitungen aus Stoffen sind, ist mitunter die Abgrenzung zum Präsentationsarzneimittel schwierig. Natriumfluoridhaltige Gele zur Kariesprophylaxe (OVG Münster, Urt. v. 19.05.2010, AZ.: 13 A 156/06, PharmR 2010, 471) und Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen zur intraartikulären Anwendung bei Gelenkerkrankungen (BGH, Urt. v. 09.07.2009, Az.: I ZR 193/06, PharmR 2010, 297) werden zu den Medizinprodukten gerechnet.
Zu den Medizinprodukten zählen gemäß § 3 Nr. 4 MPG auch In-vitro-Diagnostika. Diese sind als Reagenz, Reagenzprodukt, Kalibriermaterial, Kontrollmaterial, Kit, Instrument, Apparat, Gerät oder System einzeln oder in Verbindung miteinander nach der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben einschließlich Blut- und Gewebespenden dazu bestimmt und dienen ausschließlich oder hauptsächlich dazu, Informationen zu liefern über physiologische oder pathologische Zustände oder über angeborene Anomalien oder zur Prüfung auf Unbedenklichkeit oder Verträglichkeit bei den potenziellen Empfängern oder zur Überwachung therapeutischer Maßnahmen. Probenbehältnisse gelten als In-vitro-Diagnostika.
Sonderanfertigungen
In der Apotheke kann die für Sonderanfertigungen bestehende Erleichterung, ohne CE-Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden zu dürfen, bedeutsam sein. Sonderanfertigung ist gemäß § 3 Nr. 8 MPG ein Medizinprodukt, das nach schriftlicher Verordnung nach spezifischen Auslegungsmerkmalen eigens angefertigt wird und zur ausschließlichen Anwendung bei einem namentlich benannten Patienten bestimmt ist. Ein Beispiel hierfür sind auf Grundlage eines namentlichen Rezepts individuell angepasste Kompressionsstrümpfe. Das serienmäßig hergestellte Medizinprodukt, das angepasst werden muss, um den spezifischen Anforderungen des Arztes, Zahnarztes oder des sonstigen beruflichen Anwenders zu entsprechen, gilt dagegen nicht als Sonderanfertigung. Die Anfertigung von Sonderanfertigungen (§ 3 Nr. 8 MPG) in Apotheken ist nur bei Vorlage einer Individualrezeptur zulässig. Bei Anfertigung auf eine Praxisbedarfsverschreibung liegt dagegen ein normales Medizinprodukt vor, das die Anbringung einer CE-Kennzeichnung erfordert (BGH, Urt. v. 9. Juli 2009, Az.: I ZR 193/06). Anders als im Arzneimittelrecht gibt es auch keine defekturmäßige Herstellung. Sonderanfertigungen dürfen also nicht im Voraus, sondern stets nur nach Vorliegen einer schriftlichen Verordnung angefertigt werden.
Mittel zur Körperpflege
Mittel zur Körperpflege zählen unabhängig davon, ob sie der Gesundheit mittelbar oder unmittelbar dienen, zu den apothekenüblichen Waren.
Das Bundesverwaltungsgericht beschreibt Mittel zur Körperpflege als Erzeugnisse, die vom Hersteller oder demjenigen, der sie vertreibt, ausschließlich oder (zumindest) auch dazu bestimmt sind, der Pflege des Körpers zu dienen, es sei denn, dass bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch eine pflegerische Wirkung nicht eintritt oder im Verhältnis zur dekorativen Wirkung nicht ins Gewicht fällt (BVerwG, Urt. v. 27.02.1986, Az.: 3 C 21/85, BVerwGE 74, 53 Rdnr. 26vgl. BVerwGE 74, 53). In Anlehnung an die Definition der kosmetischen Mittel durch Art. 2 Abs. 1a EU-KosmetikVO werden darunter Produkte zu fassen sein, die äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung kommen zu dem Zweck, diese Körperteile zu reinigen, zu schützen oder sie in einem guten Zustand zu erhalten. Nur Kosmetika, die ausschließlich für dekorative Zwecke bestimmt sind – wie zum Beispiel künstliche Augenwimpern und Fingernägel –, die also keinerlei körperpflegende Zweckbestimmung und Wirkung haben, fallen von vornherein nicht unter den Begriff „Mittel zur Körperpflege“ (vgl. BVerwG a.a.O.).
Mittel zur Körperpflege sind zum Beispiel Badesalze, Badezusätze, Desodorierungsmittel, Eau de Toilette und After-Shave-Produkte (vgl. bereits OLG Hamm, Urt. v. 28.4.1992, DAZ 1993, 1566), Augenpflegemittel, Fußpuder, -balsam und -creme, Haarsprays, Haarwaschmittel, Haarwässer, Hautpflegemittel, Intimsprays, Kölnisch Wasser, Körperpuder, Lippenpflegemittel, Mittel zur Reinigung oder Pflege von Zahnersatz, Mundwasser, Rasierseifen und -cremes, Rasierwasser, Reinigungsflüssigkeit für Augenhaftschalen, Reinigungstücher, Schwämmchen, Seifen und Duschgele, -öle, -cremes, Sonnenschutzmittel, Zahnpflegemittel (Cyran/Rotta, § 1a Rdnr. 20).
Nicht dazu zählen Parfums und Eaux de Parfums. Diese dienen ausschließlich duftverbessernden Zwecken (OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.03.2004 – 1 U 549/03 - 141, 1 U 549/03, WRP 2004, 785). Auch dekorative Kosmetik (wie z. B. Make-up, Lippenstift, Wimperntusche), die zum Beispiel unter bewusstem Verzicht auf bestimmte allergene Duft-, Farb- oder Konservierungsstoffe hergestellt ist oder Stoffe enthält, die die Haut vor dem Eindringen vor Allergenen schützen, oder die aus sonstigen Gründen geeignet ist, auch von Personen mit empfindlicher Haut oder Hautkrankheiten (z. B. Akne oder Neurodermitis) oder von Kontaktlinsenträgern angewendet zu werden, sollte als apothekenüblich eingestuft werden. Denn solche Produkte tragen aufgrund ihrer besonderen Verträglichkeit dazu bei, den Körper von Menschen in gutem Zustand zu erhalten.
Gesundheitswaren
§ 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO enthält eine Generalklausel für apothekenübliche Waren. Wegen des notwendigen gesundheitlichen Bezugs kann man sie als Gesundheitswaren bezeichnen. Dies sind Mittel, Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren unmittelbar dienen oder diese fördern. Alle Arten von Informationsträgern sind statthaft, insbesondere Bücher und Zeitschriften, aber auch Tonband- und Videokassetten, Disketten, CD-ROM, DVD und sonstige Datenträger. Zur apothekenüblichen Ware zählt nicht nur, was zur Wiederherstellung der Gesundheit taugt, sondern auch, was bei der Aufrechterhaltung des bestehenden Gesundheitszustandes, demnach auch durch Vorbeugung und Pflege, behilflich ist.
Beurteilung der Eignung nach objektiven Maßstäben
Der Gesundheit dienlich und förderlich ist jede Ware, die objektiv dazu beiträgt, den bestehenden Gesundheitszustand zu verbessern oder vor einer Verschlechterung (z. B. durch Krankheit, Mangelerscheinung) zu bewahren. Dass einem Gegenstand nur subjektiv eine solche Wirkung zugeschrieben wird, genügt nicht (BVerwG, Urt. v. 19.09.2013, Az.: 3 C 15/12 – Magnetschmuck, BVerwGE 148, 28). Das Vorliegen eines objektiven Gesundheitsbezuges ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anhand der Verkehrsauffassung aus der Sicht eines verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BVerwG a.a.O.). Eines wissenschaftlichen Belegs für die gesundheitliche Wirkung bedarf es dazu allerdings nicht: Da § 1a Abs. 10 ApBetrO anders als die Vorschriften über die Arzneimitteleigenschaft (§ 2 AMG) und über die Zulassungsvoraussetzungen von Arzneimitteln (§§ 21ff. AMG) nicht über die Verkehrsfähigkeit eines Produkts entscheide, sondern lediglich die Frage der Verkaufsbefugnis für Apotheken regle, sei es nicht sachgerecht, die Feststellung der Gesundheitsdienlichkeit ähnlich strengen Anforderungen zu unterwerfen, wie sie im Arzneimittelrecht für den Nachweis der Arzneimitteleigenschaft und den Nachweis der Zulassungsvoraussetzungen gelten (BVerwG, Urt. v. 19.09.2013 a.a.O., Rdnr. 16; ebenso BGH, Urt. v. 24.07.2014, Az.: I ZR 221/12 – Original Bach-Blüten, WRP 2014, 1184 Rdnr. 15). Ob ein bloßer Placebo-Effekt genügt, wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (BVerwG, a.a.O.: Placebo-Effekt von Magnetschmuck ist nicht ausreichend; von „Original Bach-Blüten“ hingegen schon – vgl. BGH, Urt. v. 24.07.2014 a.a.O).
Ware dient unmittelbar der Gesundheit
Apothekenüblich sind die Waren allerdings nur dann, wenn sie unmittelbar der Gesundheit dienen bzw. sie fördern. In der bis zum 11. Juni 2012 geltenden Fassung des § 25 Nr. 2 ApBetrO hatte hingegen schon ein mittelbarer Nutzen für die Gesundheit bzw. zur Förderung der Gesundheit ausgereicht, um eine Ware als apothekenüblich einzustufen. Angesichts der doch eher restriktiven Rechtsprechung, die auch für § 25 Nr. 2 in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes einen „greifbaren“, „auf der Hand liegenden“ Gesundheitsbezug verlangte und daher nicht nur Brotdosen und Trinkflaschen (LG Frankfurt, Urteil vom 10. April 2012 – 3-06 O 55/11, 3/06 O 55/11, 3-6 O 55/11, 3/6 O 55/11 –, juris) sowie Umhängekühltaschen, Reisenähsets und Stabfeuerzeugen die Apothekenüblichkeit absprach, sondern auch Magnetschmuck (BVerwGE 148, 28 ff.), ist fraglich, ob die nunmehr geltende zusätzliche Restriktion im apothekenüblichen Sortiment wirklich notwendig gewesen wäre. Unmittelbarkeit ist dabei nicht allein im Hinblick auf die Wirkung der fraglichen Ware zu beurteilen, sondern insbesondere dahingehend, mit welcher Zweckbestimmung sie versehen ist: Ist sie zumindest gleichrangig neben anderen mit ihr verfolgten Zwecken dazu bestimmt, gesundheitlichen Zwecken zu dienen, oder ist ihre der Gesundheit dienende Wirkung nur eine, wenn auch erwünschte Wirkung ihrer Anwendung?
Beispiele: Kleidungsstücke können demnach nicht ohne Weiteres als apothekenübliche Ware angeboten werden, sondern nur dann, wenn ihnen aufgrund ihrer besonderen Qualität bzw. ihres ganz besonderen Verwendungszwecks primär eine gesundheitsdienliche/-fördernde Funktion zukommt. Das Oberlandesgericht Naumburg (Urt. v. 09.12.2005, ApoR 2006, 89) hat – allerdings noch unter der Geltung des § 25 Apothekenbetriebsordnung in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes – die Apothekenüblichkeit eines wärmenden, zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten angebotenen Schals bejaht.
Auch Lebensmittel können apothekenüblich sein. Bachblüten hat der Bundesgerichtshof als Mittel gewertet, die durch die Beseitigung seelischer Disharmonien „zumindest mittelbar der Gesundheit von Menschen“ dienen sollen (BGH, Urt. v. 24.07. 2014, Az.: I ZR 221/12, WRP 2014, 1184 Rdnr. 11, 15 und 17). Aufgrund des seit 12. Juni 2012 geforderten Unmittelbarkeitszusammenhangs ist jedoch fraglich, ob ein über psychosomatische Faktoren vermittelter Placebo-Effekt bereits ausreicht. Diätetische Lebensmittel, Spezialnahrung (z. B. Sportlernahrung) und Nahrungsergänzungsmittel zählen hingegen zweifelsohne zu den apothekenüblichen Waren mit Gesundheitsbezug. |
1 Kommentar
Apothekenübliche Ware
von Malte Kehrmann am 03.04.2019 um 12:29 Uhr
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