Arzneimittel und Therapie

Das muss man erstmal verdauen

Ende des Lieferengpasses bei hochdosierten Pankreasenzym-Präparaten nicht absehbar

rr | Die Themenwoche „Lieferengpässe“ auf DAZ.online bestätigte: Hochdosierte Pankreasenzym-Präparate bleiben ein Dauerdefekt und ein tagtägliches Problem. Uns erreichten Briefe und Kommentare, in denen DAZ-Leser mögliche Alternativen aufzeigen. Anlass für uns, das Thema noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Pankreasenzyme werden bei Störungen der exokrinen Pankreasfunktion substituiert, die mit einer Maldigestion einhergehen, zudem bei Mukoviszidose zur Unterstützung der ungenügenden Funktion der Bauchspeicheldrüse. Patienten mit einer anhaltenden Bauchspeicheldrüsen-Entzündung (chronischer Pankreatitis) haben einen Mangel an Verdauungsenzymen und leiden unter Fettstühlen, Gewichtsverlust, Blähungen und Durchfall. Gewonnen wird das auch als Pankreatin bezeichnete Enzymgemisch aus Bauchspeicheldrüsen von Schweinen. Hauptinhaltsstoffe sind:

  • Lipasen: sie spalten aus einem Triacylglyceridmolekül die Fettsäuren in Stellung 1 und 3 ab.
  • Alpha-Amylasen: sie spalten Glucose-haltige Polysaccharide.
  • Proteasen (z. B. Trypsin): sie spalten Proteine oder Peptide.

Über die Galenik muss sichergestellt werden, dass die Enzyme bei stark sauren pH-Werten im Magen nicht an Aktivität verlieren, sondern erst im Dünndarm ihre Wirkung entfalten. Angeboten werden magensaftresistente Tabletten und Hartkapseln mit magensaftresistenten Pellets, die unzerkaut direkt nach einer Mahlzeit mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden sollen. Letztere ermöglichen eine besonders gute Durchmischung der Enzyme mit dem Chymus. Können die Hartkapseln nicht geschluckt werden, empfehlen die Hersteller, diese durch Auseinanderziehen zu öffnen und nur die magensaftresistenten Mikropellets einzunehmen.

Foto: apidachjsw – Fotolia.com

Schwein gehabt: Noch gibt es Alternativen für Kreon® 40.000.

Defektgrund: Schweinemangel

Beim Marktführer Kreon® gibt es bereits seit Längerem Lieferschwierig­keiten. Der Hersteller Abbott gibt auf Nachfrage als Grund für den Engpass an, „dass es sich um ein biologisches Arzneimittel handelt und die Enzymaktivität des verfügbaren Ausgangs­materials (Pankreatin), das für die Herstellung von Kreon® 40.000 verwendet wird, niedriger ist als erwartet.“ Das momentane Problem bestünde in der begrenzten Verfügbarkeit von Pankreasdrüsen von Mastschweinen.



Zum Weiterlesen

„Wenn fehlende Zuchtsauen zu Defekten führen“, News auf DAZ.online vom
1. Juni 2016

Abbott kann nicht vorhersagen, wann die reguläre Liefersituation für Kreon® 40.000 wiederhergestellt sein wird. Die Tabelle auf Seite 27 zeigt eine Auswahl an möglichen Alternativpräparaten, jedoch kommen mittlerweile auch andere Hersteller in Not. Der Hersteller Berlin-Chemie AG (Pangrol® 40.000) erklärte in einem offenen Brief an Ärzte, Apotheker und Kunden, dass man nicht mehr in der Lage sei, die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach ihren Präparaten zeitnah zu bedienen – trotz Verdopplung der Produktion. Die Vorlaufzeit für eine Wirkstoffproduktion sei erheblich länger als bei üblich erzeugten Arzneimitteln. Firma Nordmark betont auf ihrer Website, dass der Lieferengpass nur bei Pankreatin-Präparaten der Wirkstärke 40.000 Ph.Eur.E./Kapsel besteht. Das hochdosierte Pankreatan® 36.000 ist nicht betroffen. Nordmark hat in der Zwischenzeit Rabattvereinbarungen mit fünf Krankenkassen getroffen, die Pankreatan® 36.000 als Alternative zu nicht lieferbaren Präparaten mit 40.000 Einheiten erstatten. Ob der Wechsel auf eine geringere Dosierung oder die Verwendung einer äquivalenten Zahl von Dosiseinheiten mittel- oder niedrigdosierter Pankreasenzym-Präparate tatsächlich eine Option ist, Patienten weiterhin optimal zu versorgen, beurteilt Prof. Dr. Markus M. Lerch, Universitätsmedizin Greifswald, im Interview „Wechsel ist problemlos möglich“.


Tab.: Auswahl an in Deutschland verfügbaren Pankreasenzym-Präparaten [Quelle: Fach- und Gebrauchsinformationen]
Präparat
Wirksame Bestandteile
Hilfsstoffe
Anwendungshinweise
Enzym Lefax® forte Pankreatin Kapseln1)
Eine Hartkapsel mit magensaftresistenten Mikrotabletten enthält 195,20 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 20.000 Einheiten [E], Amylase mind. 15.000 E, Protease mind. 900 E)
Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer (1 : 1) Dispersion 30%, Crospovidon, Gelatine, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, mikrokristalline Cellulose, Montanglycolwachs, Simeticon-Emulsion 32,6%, Talkum, Triethylcitrat, Natriumdodecylsulfat, Farbstoff E 171
Jugendliche und Erwachsene: 1 bis 2 Kapseln pro Mahlzeit
Kreon®2) 10.000, 25.000, 40.000 Kapseln
Eine Hartkapsel mit magensaftresistenten Pellets enthält 150 mg Pankreas-Pulver (Lipase 10.000 E, Amylase 8000 E, Protease 600 E) bzw. 300 mg Pankreas-Pulver (Lipase 25.000 E, Amylase 18.000 E, Protease 1000 E) bzw. 400 mg Pankreas-Pulver (Lipase 40.000 E, Amylase 25.000 E, Protease 1600 E)
Cetylalkohol, Triethylcitrat, Dimeticon 1000, Macrogol 4000, Hypromellosephthalat, Gelatine, Natriumdodecylsulfat, Titandioxid, Eisen(III)-oxid, Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2O, Eisen(II,III)-oxid
  • Kinder < 4 Jahre: 1000 Ph. Eur.-Einheiten Lipase pro kg Körper­gewicht (KG) pro Mahlzeit
  • Kinder ≥ 4 Jahre: 500 Einheiten Lipase pro kg KG pro Mahlzeit
  • Jugendliche und Erwachsene: 2 bis 8 Kapseln Kreon® 10.000 bzw. 1 bis 3 Kapseln Kreon® 25.000 bzw. 1 bis 2 Kapseln Kreon® 40.000 pro Mahlzeit
Ozym®1) 10.000, 20.000, 40.000 Kapseln
Eine Hartkapsel mit magensaftresistenten Mikrotabletten enthält 97,6 mg Pankreas-Pulver (Lipase 10.000 E, Amylase mind. 7500 E, Protease mind. 450 E) bzw. 195,2 mg Pankreas-Pulver (Lipase 20.000 E, Amylase mind. 15.000 E, Protease mind. 900 E) bzw. 319,05 bis 414,35 mg Pankreas-Pulver (Lipase 40.000 E, Amylase mind. 25.000 E, Protease mind. 1500 E)
Mikrokristalline Cellulose, Crospovidon, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer (1 : 1) Dispersion 30%, Triethylcitrat, Talkum, Simeticon, Montanglycolwachs, Gelatine, Natriumdodecylsulfat
2 bis 4 Hartkapseln Ozym® 10.000 bzw. 1 bis 2 Hartkapseln Ozym® 20.000 bzw. 1 Kapsel Ozym® 40.000 pro Mahlzeit (ohne Altersangabe); Hinweis: Die Sicherheit und Wirksamkeit von Ozym® 40.000 ist bei Kindern unter 15 Jahren mit Mukoviszidose nicht erwiesen.
Pangrol®1) 25.000, 40.000 Kapseln
Eine Hartkapsel enthält 188,9 bis 343,5 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 25.000 E, Amylase mind. 22.500 E, Protease mind. 1250 E) bzw. 319,05 bis 414,35 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 40.000 E, Amylase mind. 25.000 E, Protease mind. 1 500 E)
Rizinusöl, hochdisperses Silicium­dioxid, Magnesiumstearat, Croscarmellose-Natrium, mikrokristalline Cellulose, Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer (1 : 1) Dispersion 30%, Talkum, Triethylcitrat, Simeticon-Emulsion 30%, Eisen(III)-oxid (E 172), Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2O (E 172), Indigocarmin (E 132), Chinolingelb (E 104), Titandioxid, Gelatine
1 Kapsel pro Mahlzeit (keine Altersangabe); Hinweis: Über die Dosierung bei Kindern sollte der
Arzt entscheiden.
Pankreatan®1) 10.000, 25.000, 36.000 Kapseln
Eine Kapsel enthält 97,6 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 10.000 E, Amylase mind. 7500 E, Protease mind. 450 E) bzw. 244 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 25.000 E, Amylase mind. 18.750 E, Protease mind. 1125 E) bzw. 303,5 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 36.000 E, Amylase mind. 22.000 E, Protease mind. 1200 E)
Crospovidon, mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer (1 : 1) Dispersion 30%, Polysorbat 80, Triethylcitrat, Talkum, Simeticonemulsion, Montanglycolwachs, Gelatine, Titandioxid (E 171), Eisenoxide und -hydroxide (E 172), Natriumdodecylsulfat
2 bis 4 Kapseln Pankreatan® 10.000 bzw. 1 bis 2 Kapseln Pankreatan® 25.000 bzw. 1 Kapsel Pankreatan® 36.000 zu den Hauptmahlzeiten (keine Altersangabe)
Unexym®1) Kapseln
Eine magensaftresistente Hartkapsel enthält 97,6 mg Pankreas-Pulver vom Schwein (Lipase 10.000 E, Amylase mind. 7500 E, Protease mind. 450 E)
Crospovidon, mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer (1 : 1) Dispersion 30%, Polysorbat 80, Triethylcitrat, Talkum, Simeticonemulsion, Montanglycolwachs, Gelatine, Natriumdodecylsulfat
2 bis 4 Kapseln pro Mahlzeit (keine Altersangabe)

Zugelassene Indikationen:

1) Störungen der exokrinen Pankreasfunktion, die mit einer Maldigestion einhergehen

2) Störungen der exokrinen Pankreasfunktion, die mit einer Maldigestion einhergehen. Bei Mukoviszidose zur Unterstützung der ungenügenden Funktion der Bauchspeicheldrüse.

Vom Schwein befreien

Verschiedene Firmen, darunter Nordmark, arbeiten intensiv daran, Pankreatin gentechnisch in Bakterien herzustellen, um unabhängig von der Pankreatin-Produktion mit Schweinen zu sein. Eine andere Möglichkeit ist ein Präparat mit fungalen Enzymen (Nortase®) mit hochgereinigten Extrak­ten aus den Reispilzkulturen Rhizopus oryzae (Rizolipase) und Aspergillus oryzae (Amylase). Um die für die Verdauung erforderliche Lipase-Dosierung zu erreichen, müssen fünf bis 15 Kapseln Nortase pro Tag eingenommen werden. |

Quelle

Stellungnahmen Abbott und Mylan vom 27. Mai 2016

Mitteilung Nordmark Arzneimittel GmbH „Lieferengpässe bei hochdosierten Pankreatin-Arzneimitteln“ vom 15. April 2016

Fachinformation Nortase®, Stand Juli 2015

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Unterschiede nur in der Galenik, nicht im Wirkstoff

Wechsel ist problemlos möglich

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