Aus den Ländern

Einblick in die digitalisierte Apothekenzukunft

Kammerversammlung in Sachsen-Anhalt

MAGDEBURG (ks) | Für die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt ist 2016 ein Wahljahr. Kammerpräsident Dr. Jens-Andreas Münch rief bei der Kammerversammlung am 1. Juni in Magdeburg dazu auf, sich an der Wahl im September zu beteiligen. Kandidaten werden noch gesucht. Kammergeschäftsführerin Dr. Christine Heinrich warb überdies für das ehrenamtliche Engagement in der Selbstverwaltung. Daneben stand die Digitalisierung im Gesundheitsbereich im Zentrum der Kammerversammlung. ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf zeigte auf, was Apotheken ­erwartet.
Foto: AK Sachsen-Anhalt

Dr. Jens-Andreas Münch

Münch ging in seinem Bericht zur ­berufspolitischen Situation auf die jüngsten für Apotheken relevanten Entwicklungen ein. Etwa den vor der Schiedsstelle erreichten Retax-Kompromiss – dieser sei ein „großer Erfolg“, wenngleich Nullretaxationen mit ihm nicht gänzlich vom Tisch sind. Doch es gebe viele neue Kor­rekturmöglichkeiten für Apotheker. Positiv würdigte Münch auch die Änderungen in der Bundes-Apothekerordnung, in der nun das Berufsbild auch auf Tätigkeiten von Apothekern etwa in der Wissenschaft und Behörden ausgedehnt wurde.

Weniger erfreulich sei die Entwicklung beim Honorar. Hier heißt es, das vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten abzuwarten. Dies wird erst gegen Ende der Legislaturperiode vorliegen.

Zwar gebe es positive Aussagen aus den Regierungsfraktionen, bei Re­zepturen und BtM aktiv zu werden – aber dies soll einhergehen mit einem dreiprozentigen „Deckel“ auf die Marge.

Transparenzinitiative – Gefahr für die freien Berufe

Abseits der nationalen Geschehnisse gebe es aber „Dinge, die leise daherkommen“ doch bedrohlich sind. Dazu zählt Münch die Transparenzinitiative der EU-Kommission, mit der die freien Berufe in den Fokus genommen werden. Hier gehe es um Deregulierung und Liberalisierung mit dem Ziel, Kosten zu reduzieren. Eine Qualitätsbetrachtung finde dabei nicht statt. Zwar seien Apotheken noch nicht primäres Angriffsziel. Aber es gehe um Grundstrukturen von Kammern – und so sieht Münch hier doch eine Gefahr. Immerhin: Die Regierungskoalition bekennt sich zu den freien Berufen. Und auch der Landtag von Sachsen-Anhalt verabschiedete im Januar einen Beschluss zu ihrem Erhalt. Ob die Kommission allerdings die nationalen Einwände berücksichtigt, sei nicht sicher. Sie wird vermutlich zum Jahresende ihre Vorschläge vorlegen. Es wäre gut, wenn Bund und Länder bei ihrer strikten Auffassung blieben, sagte Münch. Aber er betonte, dass auch die Apotheker ihren Beitrag leisten müssten: „Wir müssen das Vertrauen rechtfertigen und täglich unsere Unverzichtbarkeit für die Gesellschaft beweisen“. Imagekampagnen könnten dabei sicher behilflich sein – „entscheidend ist aber die Wahrnehmung des Apothekers in der Öffentlichkeit“.

Münch berichtete ferner von den ­Aktivitäten der Kammer in Sachen Medikationsmanagement. Hier gab es in Sachsen-Anhalt das Projekt „Eine Tüte Sicherheit“, das derzeit ausgewertet wird. Auch auf den Medikationsplan, auf den ab Oktober GKV-Versicherte mit Polymedikation Anspruch haben, bereite man sich mit Fortbildungen vor. Im September werde es eine erste gemeinsame Fortbildung mit Ärzten geben.

Uni Halle kommt an die Kapazitätsgrenze

Erfreulich ist für Münch, dass Halle als Studienstandort für Pharmazie beliebt bleibt – im letzten Semester immatrikulierten sich 20 Studierende mehr als noch im Semester zuvor. Allerdings fürchtet er, dass die Kapazitäten der Universität gesprengt werden könnten. Und höhere Absolventenzahlen nutzen letztlich nichts, wenn die Ausbildung darunter leidet. Münch ging auch auf die Überlegungen ein, die Studienstandorte Halle und Leipzig zusammenzulegen. Das klinge zwar erst einmal gut – doch angesichts der jetzt schon beengten Situation fürchte er doch eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung der Qualität durch eine solche Kooperation. Nicht zuletzt zeigte sich Münch beeindruckt vom Engagement der Fachschaft. Einen solchen Elan wünscht er sich auch von seinen Kollegen, die im Beruf stehen – zumal mit Blick auf die anstehenden Kammerwahlen im September. Er appellierte an die Mitglieder der Kammerversammlung sich wieder zur ­Verfügung zu stellen bzw. Kollegen – auch Angestellte – zu motivieren.

Ehrenamtliche Unterstützer gesucht

Auf die Bedeutung der berufsständischen Selbstverwaltung ging auch Geschäftsführerin Heinrich ein. Sie sei ein Stück „lebendige Demokratie“ – und das Ehrenamt eines ihrer zentralen Bausteine. Apotheker könnten sich in vielen Bereichen einbringen, beispielsweise in der Qualitätssicherung als QMS-Auditoren oder Pseudo Customer. Oder auch für die Apotheken­überwachung oder als Prüfer für den 3. Prüfungsabschnitt – gerade für letztere Aufgabe werden derzeit dringend Freiwillige gesucht. Aber es gebe noch viele weitere Bereiche, in denen Kollegen als Unterstützung willkommen sind. Und ganz umsonst sei die Arbeit nicht, betonte Heinrich. Im Gegenzug könne man Erfahrungen sammeln, Neues lernen, Kompetenzen sammeln und neue Kontakte knüpfen.

Megatrend Digitalisierung

Nicht zuletzt berichtete Claudia Korf, Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge bei der ABDA, über den „Megatrend Digitalisierung“. Auch IT und Telematik fällt in Korfs Zuständigkeitsbereich – ein Ressort, das erstaunlicherweise erst im letzten Jahr bei der ABDA eingerichtet wurde. Korf zeichnete die rasante Entwicklung der letzten Jahre nach: Jeder nutzt die sich beständig ausweitenden digitalen Möglichkeiten, zum Beispiel Apps. Die ­Angebote boomen nicht zuletzt im Gesundheitsbereich. Menschen lieben es offenbar, sich mit Wearables zu vermessen – dabei sind die auf dem Markt befindlichen Produkte weder zertifiziert noch sonst überprüft. So werden immer mehr Daten und Informationen gesammelt. Big Data im Gesundheitswesen ist das Stichwort: Eine „wüste“ und stetig wachsende Sammlung unterschiedlichster Daten, die jederzeit erfasst werden. Doch wie gewinnt man aus diesem riesigen Daten-Aufkommen auch Erkenntnisse? Während der Mensch im Kontext denkt, müssen hier Rechner Zusammenhänge erschließen, das klappt nur begrenzt. Und die Risiken sind groß. Die Systeme, die Daten speichern und verarbeiten, können bekanntlich angegriffen werden – das ist gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten tunlichst zu vermeiden. Es müsse daher Sicherheit geschaffen werden, so Korf, gerade in so kritischen Infrastrukturen, wie sie im Gesundheits­bereich vorherrschen. Das gilt auch und gerade für Apotheken, wenn sie künftig etwa Patienten einen elektronischen Medikationsplan anbieten. Schließlich genießen Apotheker nach wie vor ein großes Vertrauen in der Bevölkerung – und das sollte man sich nicht verspielen. Oberstes Ziel beim Aufbau neuer IT-Infrastrukturen sei daher die Wahrung des Datenschutzes, der informationellen Selbstbestimmung und der Persönlichkeitsrechte des Patienten. „Die Apotheke muss ein sicherer Hafen sein“, so Korf.

Das magische Jahr 2019

Und dabei gilt es nun einige Herausforderungen zu meistern – 2019 wird dabei das entscheidende Jahr sein: Dann fällt der Startschuss für den elektronischen Medikationsplan und auch das Fälschungsschutzsystem securPharm soll richtig loslegen – dann müssen alle Apotheken zum Informationsaustausch sicher vernetzt sein. Bis dahin sind allerdings noch einige Vorbereitungen zu treffen. So sind die Schnittstellen für die Telematik-Infrastruktur zu schaffen, die die geplanten Anwendungen ermöglicht. Diese treibt die Gematik nun beschleunigt voran (anderenfalls drohen GKV-Spitzenverband und Kassenärzten Sanktionen). Für die ABDA steht daneben die Schaffung eines eigenen geschützten „intelligenten Netzes“ (IN.A) an – und zwar nicht gegen die Gematik, sondern kompatibel mit deren Infrastruktur, wie Korf betont.

Mit dem HBA in die neue digitale Welt

Für die Apotheken relevant wird dann der elektronische Heilberufsausweis (eHBA), mit dem sich der Apotheker in Kombination mit einer elektronischen Signatur ausweist, um etwa an die Daten des Medikationsplans zu gelangen. Er wird von der Gematik entwickelt und soll im dritten Quartal 2017 in die Erprobung gehen. Darüber hinaus brauchen Apotheken für ihre künftige Arbeit eine sogenannte Institutionenkarte, die dazu dient, die Apotheke in einem ersten Schritt generell aufzuschließen – erst dann kann der eHBA auch zum Einsatz kommen.

Konkret heißt das für Apotheken: In zwei Jahren werden sie alle einen zusätzlichen Kasten in ihrer Apotheke haben, der sie mit Gematik, IN.A und securPharm verbindet. Am gemeinsamen Schlüssel hierfür wird gerade gearbeitet. Korf ist überzeugt, dass die neue digitale Welt am Ende mehr Nutzen für die Apotheken haben wird – oder sich zumindest mit dem Aufwand die Waage halten wird. Vorteile werden Apotheken etwa bei der Abrechnung mit Kassen haben. So ließen sich etwa besondere Situationen (z. B. Abgabe im Notdienst) leichter nachweisen.

Münchs Fazit: Die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung habe ihre Vor- und ihre Nachteile. Klar sei aber: „Man kann sich nicht vor ihr verschließen.“ Apotheker müssten jetzt mitmachen, um bestimmen zu können, wohin es läuft. Anderenfalls würden die Apotheker abgehängt. |

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