Arzneimittel und Therapie

MTX-Cochrane-Review geht an der Wirklichkeit vorbei!

Ein Kommentar von Prof. Dr. Markus Gaubitz

Prof. Dr. Markus Gaubitz, Rheumatologe, Universität Münster, Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie

Die Frage nach der optimalen Therapie von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zu Beginn und nach Versagen einer ersten Basistherapie ist wichtig und wird durch weitere Erkenntnisse und neue Präparate in Bewegung bleiben. Der aktuell erschienene Cochrane Review mit Metaanalyse enthält jedoch Rückschlüsse, die nicht gerechtfertigt erscheinen [1]. Während die „conclusions“ von Hazlewood et al. im Original-Paper sehr zurückhaltend, ja fast nichtssagend erscheinen (Übersetzung: „Die Tripletherapie und die meisten Kombinationen von Biologika mit MTX waren effektiv in der Kontrolle der Krankheitsaktivität; alle Kombinationen wurden gut vertragen, sowohl von MTX-naiven wie MTX-erfahrenen Patienten“), schwingen sich die ergänzenden Schlussfolgerungen unter der Überschrift „what this study adds“ im British Medical Journal zu nicht belegten oder falschen Empfehlungen auf: Die Tripletherapie sei in der Kontrolle der Krankheitsaktivität nicht statistisch unterschiedlich von Kombinationen mit Biologika, sowohl als Starttherapie wie auch nach unzureichendem Ansprechen auf MTX, und solle daher auch als Ersttherapie angewendet werden.

Folgende Argumente sprechen gegen diese Einschätzung:

  • Die Metaanalyse suggeriert eine hohe Evidenz bezüglich des Einsatzes der Tripletherapie, die sie gar nicht besitzt: Von den 158 Studien mit über 37.000 Patienten beschäftigen sich maximal acht Studien mit deutlich weniger als 1000 Patienten unter Tripletherapie mit dem später so energisch empfohlenen Therapiemodus. Irritierenderweise erhalten die Studien zur Tripletherapie von den Autoren nur die Einschätzung der „quality of evidence“ von „mäßig“ (im Gegensatz zur Mehrzahl der Biologika-Studien, deren „quality of evidence“ als „hoch“ eingestuft wird).
  • Die Metaanalyse wirft völlig verschiedene Behandlungssituationen durcheinander: Sie schließt Patienten mit einer Krankheitsdauer zwischen 0,2 und 9,5 Jahren ein, also ganz neu erkannte bis hin zu viele Jahre bestehende Erkrankungen. ­Eine seriöse Empfehlung für eine Initialtherapie erscheint so nicht möglich.
  • Die mittlere Studiendauer der MTX- versus Tripletherapie-Studien ­beträgt 91 Wochen, also fast zwei ­Jahre. Nach allen gültigen Therapieempfehlungen sollte bei unzureichendem Ansprechen auf MTX in Monotherapie bereits nach drei Monaten eine Therapieeskalation erfolgen. Dies ist ein ganz entscheidender Punkt: Nach den aktuell verfolgten Therapiekonzepten „treat to target“ und „tight control“ wird der Therapieerfolg zumindest alle drei Monate kontrolliert. Bei Nichterreichen des Therapieziels „remission“ wird eine Therapieintensivierung dringlich empfohlen. Dies ist ein variables und individuelles Vorgehen. Die in die Metaanalyse eingehenden sehr statischen Untersuchungen, teils aus den 90er-Jahren, mit Festhalten an einer Therapie über Jahre, sind mit dieser Situation nicht vergleichbar.
  • Die als neu deklarierte Empfehlung einer Kombinationstherapie mit klassischen DMARDs (also nicht mit Biologika) nach MTX-Monotherapie ist exakt so in der gültigen S1-Leit­linie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie enthalten [2]: „Wenn trotz optimierter Monotherapie mit einem klassischen DMARD das Therapieziel nicht erreicht wird, sollte eine Kombination mehrerer DMARD eingesetzt werden“ (Empfehlung 7). Es werden explizit die Tripletherapie mit MTX, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin sowie die Kombination aus MTX und Leflunomid genannt.
  • Die Kritik an der MTX-Dosierung und Applikationsweise in klinischen Studien ist ebenfalls nur partiell ­zutreffend. In der zitierten Arbeit von Duran et al. beträgt die mittlere MTX-Dosis in sieben von 13 Studien ≥ 19 mg [3]. Das ist in der Tat unter der maximal empfohlenen Dosis von 25 mg, aber weit über den üblicherweise gegebenen Dosen. In einer Auswertung der deutschen Kern­dokumentation liegt die mittlere MTX-Dosis ohne jede Studienbeeinflussung sowohl oral wie subkutan bei 15 mg/Woche. Ein häufigerer Einsatz von MTX in subkutaner Form wäre sicher wünschenswert, die Daten hierzu sind aber sowohl noch jung wie auch in der Menge gering. Eine Entwicklung hierhin wird folgen. Insgesamt kann man den ausgewählten Studien (9 von 13 im Jahr 2010 oder früher publiziert, ­also mehrere Jahre vorher geplant) weder in Dosierung noch Applika­tionsweise in den Vergleichsgruppen vorwerfen, MTX geringer dosiert oder anders appliziert zu haben als zum Studienzeitpunkt üblich war. In Zukunft sollte aber der Vergleich mit der subkutanen Applikation, gerne auch bis zu einer (hoffentlich tolerierten) Dosis von bis zu 25 mg angestrebt werden.
  • Die Therapie der RA wird in Deutschland nicht konsequent genug durchgeführt: Nach einer aktuellen Studie wurden bei über 1300 neu an RA erkrankten ­Patienten nach ein und zwei Jahren Therapie eine Remission nur in ca. 40% der Fälle erreicht [4]. Die wahrscheinlichste Ursache: Die empfohlene Kombinationstherapie wie auch eine nachfolgend mögliche Therapie mit Biologika wurden nur bei 10% bzw. 12% der Patienten durchgeführt.

Fazit

Die Arbeit von Hazlewood et al. wirft manche methodische Frage auf und enthält kaum neue Erkenntnisse („Mehr hilft mehr“ ist in der Rheumatologie nicht neu!). Gute Evidenz für einen Einsatz der Tripletherapie als Ersttherapie kann sie nicht bieten. Bei nicht ausreichender Wirkung des häufig ja das Therapieziel erreichenden MTX in Monotherapie sollte, wie in der gültigen Therapieleitlinie empfohlen, eine Kombinationstherapie schon nach drei Monaten und vor einem Biologikum eingesetzt werden. Hauptziel bleibt eine bessere Versorgung unserer Rheuma-Patienten möglichst ohne Spätschäden und Beeinträchtigungen – dieses Therapieziel könnte deutlich häufiger erreicht werden. Warum bewährte, wirksame und mehrheitlich gut verträgliche Therapiemöglichkeiten wie eine Kombinationstherapie und eine Therapie mit Biologika nicht konsequent eingesetzt werden, muss dringlich geklärt werden. Kurz: Die MTX-Monotherapie als Standard ­wackelt nicht, aber die konsequente Umsetzung der Leitlinien schwächelt bedenklich! |

Quelle

[1] Hazlewood GS, et al. Cochrane systematic review and network meta-analysis. BMJ 2016;353: i1777

[2] S1-Leitlinie Therapie der rheumatoiden Arthritis, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Stand 07/2012, AWMF-Nr. 060/004

[3] Duran J, et al. Ann Rheum Dis 2016; doi: 10.1136/annrheumdis-2016-209383

[4] Albrecht K, et al. Z Rheumatol 2016;75:90-96

Prof. Dr. Markus Gaubitz

Westfälische Wilhelms-Universität, Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie

Von-Esmarch-Straße 50, 48149 Münster

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