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Arzneimittel und Therapie
Nitrate nicht geeignet?
Reduzierte körperliche Aktivität bei einem Subtyp der Herzinsuffizienz
Kardiologen von der Mayo Klinik in Rochester führten eine landesweite Studie durch mit der Frage nach dem Nutzen einer Isosorbidmononitrat (ISMN)-Therapie in Bezug auf den Bewegungsumfang von Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion.
Die 110 Teilnehmer, die sich alle in einem Herzinsuffizienz-Stadium zwei oder drei gemäß der Einteilung der New York Heart Association befanden, erhielten entweder über sechs Wochen das Langzeitnitrat oder ein Placebo. Danach wurde für weitere sechs Wochen die Wirkstoffgruppe mit Placebo und die Placebogruppe mit Wirkstoff behandelt (Crossover Design).
Während des Therapieintervalls wurde Isosorbidmononitrat von 30 auf 120 mg gesteigert. Dabei handelt es sich um gängige Dosierungen des Wirkstoffs.
Zur Ermittlung des Bewegungsverhaltens trugen die Teilnehmer ein Brustgurt-Accelerometer, das eine kontinuierliche Erfassung aller Bewegungen ermöglicht. Diese Messweise lässt eine größere Genauigkeit zu als herkömmliche Belastungstests, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden.
Primärer Endpunkt waren die vom Accelerometer aufgezeichneten Bewegungs-Einheiten, sekundäre Endpunkte umfassten den Sechs-Minuten-Gehtest, ein klassisches diagnostisches Mittel in der Kardiologie, Laborparameter sowie per Fragebogen erhobene Angaben zur Lebensqualität.
Formen der Herzinsuffizienz
Unterschieden wird zwischen den Subtypen Herzinsuffizienz mit reduzierter (HF-REF) und erhaltener Ejektionsfraktion (HF-PEF). Beide Subtypen kommen etwa gleich häufig vor.
Einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion liegt eine Kontraktionsstörung des Myokards zugrunde. Bei dieser Form ist das Schlagvolumen weitestgehend erhalten, da das enddiastolische Volumen aufgrund einer Erweiterung des Ventrikels erhöht ist.
Ist die Ejektionsfraktion erhalten, resultiert dies aus einer verminderten Dehnbarkeit und Steifheit des linken Ventrikels. Da sich deshalb die Herzkammer schlechter füllen kann und somit das enddiastolische Volumen abnimmt, ist trotz Erhalt der systolischen Pumpfunktion das Schlagvolumen reduziert. Die Diagnose dieser Form ist schwieriger, da sie vor allem auf Ausschluss extrakardialer Ursachen (z. B. Anämie oder Lungenerkrankungen) beruht. Brain Natriuretic Peptide (BNP) und N-Terminales ProBNP (NT-ProBNP) können als diagnostische Marker zum Einsatz kommen (s. Kasten S. 33).
In großen Studien wurden vor allem Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion untersucht, so dass Therapieempfehlungen bislang nur für diese Unterform existieren. Patienten mit erhaltener Ejektionsfraktion werden zwar analog behandelt. Ein Nutzen für diese Patienten ist jedoch nicht belegt.
Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten, Januar 2016, S. 9-20: Herzinsuffizienz,
McMurray et al. ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. Eur. Heart J. 2012; 33: 1787–847
Unerwartetes Ergebnis
Die Autoren gingen von einer Verbesserung der Alltagsaktivität durch das lang wirksame Nitrat aus, mussten jedoch feststellen, dass die Aktivität der Probanden dosisabhängig abnahm. Darüber hinaus konnten weder die Sechs-Minuten-Gehstrecke noch die Lebensqualität verbessert werden. Auch der diagnostische Marker NT-proBNP (s. Kasten S. 33) wurde durch Isosorbidmononitrat nicht positiv beeinflusst.
Diese Ergebnisse könnten mit der speziellen Pathophysiologie der Herzinsuffizienz ohne Abfall der Ejektionsfraktion in Verbindung stehen: Starrheit der Herzkammern und der Gefäße sowie eine eingeschränkte Fähigkeit, die Herzfrequenz anzupassen, könnten die hämodynamischen Vorteile der Nitrate einschränken.
Der Kardiologe Dr. med. Christian Fechtrup aus Münster sieht in dieser Studie eine weitere Bestätigung für die europäische Vorgehensweise bei der Therapie der Herzinsuffizienz (s. Interview). In den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology sind Nitrate nur noch bei Unverträglichkeit der Standardmedikation empfohlen.
Das Verordnungsvolumen der Nitrate ist in Deutschland seit Jahren rückläufig. So wurden 2014 mit 154 Millionen Defined Daily Doses weniger als halb so viel Nitrate verschrieben wie 2009. |
Quelle
Redfield M et al. Isosorbide Mononitrate in Heart Failure with Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2015;373:2314-2324
Schwabe U, Paffrath D. Arzneiverordnungsreporte 2010-2015. Springer Berlin, Heidelberg
Nitrate haben wenig Relevanz
DAZ: Nitrate spielen laut europäischen Leitlinien bei Herzinsuffizienz nur eine untergeordnete Rolle. Wann setzen Sie Nitrate bei Herzinsuffizienz-Patienten ein?
Fechtrup: Ich setze sie bei Angina pectoris oder in Akutsituationen ein. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Patienten gar nicht so viele Nitrate benötigen.
DAZ: Wie schätzen Sie die Ergebnisse der aktuellen US-Studie zum Einsatz von Nitraten ein?
Fechtrup: Obwohl Nitrate symptomatisch ohne Frage wirksam sind, haben sie sich inzwischen weitestgehend als prognostisch unwirksam erwiesen. Diese – wenn auch recht kleine – Studie ist eine weitere Bestätigung für den geringen Nutzen von Nitraten in der Therapie der Herzinsuffizienz. Allerdings handelt es sich bei der Studie um eine der wenigen, die sich mit den bislang nicht gut untersuchten Patienten mit erhaltener Ejektionsfraktion befassen. Es besteht ein großer medical need, für diese Patienten einen spezifischen Behandlungsansatz zu finden.Hier liegt die Hoffnung momentan vor allem auf der PARAGON-HF-Studie, die den Einsatz von Sacubitril/Valsartan (Entresto®) bei diesen Patienten untersucht.
DAZ: Herr Dr. Fechtrup, wie danken Ihnen für dieses Gespräch!
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