Die Seite 3

Ewiges Ärgernis

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Es ist immer wieder das Gleiche: Wenn die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel steigen, entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Apotheker würden nun „noch mehr verdienen“. Und so manches Mal wird gleich noch impliziert, dass die Apotheker am Kostenanstieg (mit-)schuld seien.

Natürlich ist die Preisbildung bei Arzneimitteln komplex (wie sie genau funktioniert hat Thomas Müller-Bohn in seinem lesenswerten Artikel „Auf die Details kommt’s an“ in der DAZ 2015, Nr. 45, S. 20 erläutert), und es gibt wesentliche Unterschiede zwischen Apotheken und den meisten anderen Wirtschaftsbereichen, was die Zusammenhänge zwischen Preisen, Umsätzen und Erträgen anbelangt. Jeder Apotheker, der einmal im privaten Gespräch erklären wollte, wie die deutschen Arzneimittelpreise zustande kommen und wie viel (oder wenig) er selbst an einer Packung verdient, weiß das. Trotzdem erstaunt es immer wieder, wie viele „Gesundheitsexperten“ und Wirtschaftsjournalisten (und hin und wieder auch Politiker) hier eklatante Wissenslücken offenbaren.

Auf der Webseite der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) beispielsweise stand letztens der Satz „Der Ersatzkassenverband verweist auf die Tendenz zur Abgabe größerer und damit kostspieligerer Packungen in der Apotheke sowie auf die Verordnung teurerer Originalarzneien“. Natürlich werden die Arzneimittel in der Apotheke abgegeben, insofern ist der Satz nicht falsch. Aber er lässt sich eben auch so verstehen, als ob die Apotheke die Verantwortung dafür trage, dass die Packungen immer größer und immer teurer werden – was natürlich Unsinn ist. Welches Arzneimittel in welcher Packungsgröße zulasten der Krankenkassen abgegeben wird, hängt von den Verordnungen der Ärzte ab (und vom entsprechenden Rabattvertrag, natürlich), wie teuer es ist von der Preisgestaltung der Hersteller und den gesetzlichen Rahmenbedingungen (und ebenfalls dem Rabattvertrag). Der abgebende Apotheker jedenfalls hat keinen Einfluss darauf!

Dasselbe Phänomen wie bei den Arzneimittelausgaben der Kassen ist bei den Zuzahlungen der Patienten zu beobachten. „Den größten Batzen machen allerdings die Zuzahlungen in der Apotheke aus“ (wieder FAZ) ist wie der oben zitierte Satz objektiv nicht falsch. Die Formulierung vermittelt aber den unzutreffenden Eindruck, diese Zuzahlungen würden vom Apotheker erhoben und verblieben auch bei ihm. Dass er die Zuzahlung nur im Auftrag der Krankenkasse einzieht (also praktisch als Inkasso-Unternehmen tätig ist), wird nicht erwähnt.

Da dieses Halb- oder gar Unwissen offensichtlich ein ewiges Ärgernis für die Apotheker ist, bleibt die Kommunikation der Fakten eine ebenso beständige Aufgabe. Diese Aufgabe ist natürlich eine der Standesvertretung auf Bundesebene (die ABDA hat zur aktuellen Berichterstattung über die steigenden ­Zuzahlungen ausführlich Stellung genommen, s. „Die Apotheken tun ihr Bestes“, S. 11 dieser DAZ) wie auf Landes- und Kreisebene. Aber es ist auch eine Aufgabe jeder einzelnen Apotheke und jedes einzelnen Apothekers. Es gibt Kollegen, die bei jeder Zuzahlung darauf hinweisen, dass das Geld an die Krankenkasse geht. „Und dann müssen Sie noch fünf Euro für die Krankenkasse bezahlen“ ist nicht umständlicher als „und dann bekomme ich noch fünf Euro Zuzahlung von Ihnen“. Aber die Wirkung ist eine ganz andere!

Dr. Benjamin Wessinger


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