Arzneimittel und Therapie

Duale Unterstützung für das schwache Herz

Erster ARNI für die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz eingeführt

Im November 2015 wurde mit En­tresto® der erste Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) in der Europäischen Union zugelassen. Das Präparat besteht aus dem AT1-Rezeptorblocker Valsartan und dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril und ist indiziert bei symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit verminderter Auswurffraktion. Seit Januar 2016 ist Entresto® in Deutschland verfügbar.

Wie auf einer von Novartis veranstalteten Pressekonferenz erläutert wurde, kombiniert der ARNI die Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), die in der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz schon lange etabliert ist, mit einem innovativen Wirkprinzip, nämlich der Hemmung von Neprilysin.

Der Hintergrund: Bei Herzinsuffizienz schüttet das Herz aufgrund der erhöhten Wandspannung kardioprotektive natriuretische Pepide aus, beispielsweise BNP (brain natriuretic pepide), die schädigenden Prozessen am Herzen entgegenwirken und den Blutdruck senken. Die Protease Neprilysin baut diese und andere Peptide jedoch innerhalb kurzer Zeit wieder ab (s. Kasten: Neprilysin: Eine Protease, viele Substrate). Sacubitril, bzw. sein aktiver Metabolit LBQ657, hemmt Neprilysin und damit den Abbau der natriuretischen Peptide. So werden deren positive Effekte wie Vasorelaxation, Diurese und die Reduktion von Fibrose und Hypertrophie des Herzmuskels verstärkt (s. Abbildung).

Neprilysin: Eine Protease, viele Substrate

Neprilysin, eine membrangebundene Metalloprotease, ist das Hauptenzym für den Abbau der natriuretischen Peptide. Darüber hinaus spaltet Neprilysin noch zahlreiche weitere Peptide, darunter Angiotensin, Endothelin 1, Adrenomedullin, Opioide, Bradykinin und Amyloid-β-Peptide. Somit ist die Wirkung einer Neprilysin-Blockade ein komplexes Geschehen aus u. a. gefäßerweiternden und -verengenden Effekten.

Darüber hinaus gibt es präklinische Hinweise, dass eine Neprilysin-Blockade über eine Hemmung des Abbaus von Amyloid-β-Peptiden das Risiko für Alzheimer erhöhen kann. Da die Beobachtungszeit der PARADIGM-AF-Studie zu kurz war, um kognitive Veränderungen feststellen zu können, hat die FDA vom Hersteller Novartis eine Studie zur Abklärung dieses Risikos eingefordert (s. DAZ 52/2015, S. 23: Erhöht Entresto® das Alzheimer-Risiko?).

Feldman AM et al. Valsartan/sacubitril for heart failure: Reconciling disparities between preclinical and clinical investigations. JAMA 2015, online veröffentlicht 7. Dezember 2015

Dualer Wirkmechanismus von Sacubitril/Valsartan Sacubitril hemmt über die Blockade von Neprilysin den Abbau natriuretischer Peptide, Valsartan unterbindet durch die Blockade des AT1-Rezeptors eine Gegenregulation des RAAS-Systems.

Valsartan unterbindet Gegenregulation

Die Hemmung von Neprilysin führt gleichzeitig zu einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Durch die Kombination mit dem AT1-Antagonisten Valsartan kann dieser Reaktion entgegengewirkt werden. In Entresto® liegen Valsartan und Sacubitril in einem Molekül-Komplex im Verhältnis 1 : 1 vor. Eine Monotherapie mit Sacubitril zeigt hingegen kaum Wirkung.

PARADIGM-HF-Studie

Für die Zulassung von Entresto® waren die Ergebnisse der PARADIGM-HF-Studie (Prospective Comparison of ARNI with Angiotensin-Converting-Enzyme Inhibitor to Determine Impact on Global Mortality and Morbidity in Heart Failure) entscheidend. In die bislang größte Studie zur chronischen Herzinsuffizienz wurden 8442 Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen II bis IV und reduzierter Auswurffraktion aus 985 Zentren in 47 Ländern eingeschlossen. Sie erhielten randomisiert entweder zweimal täglich 10 mg Enalapril oder zweimal täglich 200 mg Sacubitril/Valsartan, zusätzlich zu einer konventionellen Behandlung. Primärer kombinierter Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten von kardiovaskulärem Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Die Teilnehmer wurden im Schnitt 27 Monate nachbeobachtet, allerdings wurde die Studie vorzeitig beendet, nachdem sich Sacubitril/Valsartan als signifikant überlegen erwiesen hatte.

Die Ergebnisse im Detail

In der Sacubitril/Valsartan-Gruppe trat der primäre Endpunkt bei 21,8% der Patienten ein gegenüber 26,5% in der Enalapril-Gruppe (Hazard Ratio 0,8). Dabei wurden sowohl die kardiovaskulären Todesfälle als auch das Risiko der Hospitalisierung gleichermaßen effektiv gesenkt. Die Gesamtmortalität, ein sekundärer Endpunkt, reduzierte sich auf 17% gegenüber 19,8% (HR 0,84). Die Auswertung von Subgruppen zeigte die Überlegenheit des ARNI gegenüber Enalapril unabhängig von Geschlecht, Alter, Komorbiditäten oder Schweregrad der Herzinsuffizienz. „Alle Subgruppen profitieren gleichermaßen. Es gibt keine Heterogenität“, so der Kardiologe Prof. Dr. med. Michael Böhm vom Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, auf der Pressekonferenz zur Einführung von Entresto®. Die gesundheitsspezifische Lebensqualität, ermittelt anhand eines spezifisch für Patienten mit Kardiomyopathien entwickelten Fragebogens, wurde günstig beeinflusst. So verschlechterte sich der Gesundheitszustand im Verlauf unter Enalapril stärker als unter Sacubitril/Valsartan. „Das längere Leben geht nicht auf Kosten der physischen oder stimmungsmäßigen Lebensqualität“, so Professor Böhm.

Symptomatische Hypotonien häufiger

Der Blick auf das Sicherheitsprofil zeigt mit 14% eine signifikant erhöhte Rate an symptomatischen Hypotonien unter Sacubitril/Valsartan gegenüber 9,2% unter Enalapril. Nur selten fiel allerdings der systolische Blutdruck dabei unter 90 mmHg (2,7% gegenüber 1,4%). Behandlungsabbrüche aufgrund Hypotonie-bedingter Nebenwirkungen waren unter dem ARNI nicht häufiger als unter Enalapril. Dagegen kommt es etwas seltener zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder zu einer Hyperkaliämie. Auch Reizhusten trat mit 11,3% gegenüber 14,3% seltener auf. Diese Nebenwirkung wäre denkbar, da Neprilysin auch am Abbau von Bradykinin beteiligt ist.

Verliert an Aussagekraft: BNP als dia­gnostischer Marker

Bei Herzinsuffizienz wird inaktives pro Brain Natriuretic Peptide (proBNP) freigesetzt und enzymatisch in aktives BNP und inaktives N-terminales proBNP (NT-proBNP) gespalten – beides kardiale Marker, die in der Diagnostik der Herzinsuffizienz genutzt werden. Da Sacubitril den Abbau von BNP hemmt, verliert der BNP-Spiegel unter der Therapie an Aussagekraft. Er kann weder diagnostisch noch prognostisch verwendet werden. Der durch die Hemmung von Neprilysin bedingte BNP-Anstieg ist kein Zeichen einer Verschlechterung der kardialen Situation, sondern Ausdruck des Wirkprinzips. NT-proBNP kann weiterhin genutzt werden.

Vorsicht bei der Umstellung

Die gleichzeitige Gabe eines ACE-Hemmers und Sacubitril/Valsartan ist wegen der erhöhten Gefahr eines Angioödems infolge hoher Bradykininspiegel kontraindiziert. Werden Patienten, die einen ACE-Hemmer erhalten, auf Sacubitril/Valsartan umgestellt, muss deshalb ein zeitlicher Abstand von mindestens 36 Stunden eingehalten werden. Wurde der Patient mit einer niedrigen ACE-Hemmer-Dosis behandelt, soll Sacubitril/Valsartan langsam auftitriert werden, beginnend mit 24/26 mg zweimal täglich über drei bis vier Wochen, gefolgt von 49/51 mg zweimal täglich über den gleichen Zeitraum, bevor schließlich die Standarddosis von 97/103 mg erreicht ist. Das gilt auch für Patienten mit einem niedrigen Ausgangsblutdruck (systolischer Druck zwischen 100 und 110 mmHg). Bei Patienten mit einem hoch dosierten ACE-Hemmer in der Vortherapie kann mit der mittleren Dosis von 49/51 mg zweimal täglich begonnen und nach zwei bis vier Wochen auf die Standarddosis gewechselt werden. Patienten mit einem AT1-Blocker in der Anamnese können nach Absetzen direkt und ohne Auswaschphase auf Sacubitril/Valsartan umgestellt werden.

Auf dem Weg in die Leitlinie

„Die neue Therapieoption formt den ersten Fußabdruck auf dem Weg zu einem Paradigmenwechsel. Meinen Patienten geht es bei der Behandlung mit dem ARNI deutlich besser als mit der vorherigen Therapie. Dies zeigt sich in den Schilderungen zum Wohlbefinden, aber auch Laborwerte wie eine relevante Abnahme von NT-proBNP (s. Kasten: Verliert an Aussagekraft: BNP als diagnostischer Marker) untermauern diesen Eindruck. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies bei der Überarbeitung der Leitlinien Berücksichtigung findet“, so die Einschätzung des Kardiologen Prof. Dr. med. Heyder Omran von den GFO Kliniken, Bonn. Auch Prof. Böhm wertet Entresto® als eine Innovation, die eine Standardtherapie ablösen kann. Den Apothekern rät er, bei der Abgabe des neuen Medikaments – wie bei allen Arzneimitteln zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz – auf die Notwendigkeit einer regelmäßigen Einnahme aufmerksam zu machen. Auf Sturzgefahr oder Hypotonie hinzuweisen, löse nur Angst aus und führe dazu, dass die Patienten ihre Medikamente nicht nehmen. Dies sei das eigentliche Problem. Bei Schwindel solle der Arzt aufgesucht werden.

Hoffnung für Patienten mit erhaltener Ejektionsfraktion?

Derzeit läuft die PARAGON-HF-Studie, die analog zur PARADIGM-HF-Studie den Einsatz von Sacubitril/Valsartan gegenüber Valsartan bei Patienten mit erhaltener Ejektionsfraktion untersucht. Die Studie läuft bis 2019 und ist mit großen Hoffnungen verbunden, wie der Kardiologe Dr. med. Christian Fechtrup in einem Interview mit der DAZ herausstellte: Sollte sie ein positives Outcome haben, stünde mit Sacubitril/Valsartan zum ersten Mal eine spezifische Therapie für diese Patientengruppe, die 50% aller Herzinsuffizienz-Patienten ausmacht, zur Verfügung (s. Interview im Beitrag „Nitrate nicht ­geeignet?“). |

Apothekerin Dr. Beate Fessler


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