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Medizin
Zu spät diagnostiziert!
Dermatomykosen werden oft verkannt
Die durch Hautpilze verursachte Bartflechte wird fast immer spät diagnostiziert, da zunächst an bakterielle Auslöser gedacht wird, die antibakterielle Behandlung führt jedoch nicht zu einer Besserung. Insbesondere pustulöse, eitrig-abszedierende Formen der Bartflechte werden jedoch durch zoophile Dermatophyten (Hautpilze) verursacht. Der Erreger der Kälberflechte, Trichophyton verrucosum, befällt in Deutschland bis zu 20% des Rinderbestandes. Infektionen beim Menschen nehmen neuerdings wieder zu. Die Therapie muss nahezu immer mit oralen Antimykotika (Terbinafin, auch Fluconazol) erfolgen. Dem zuvor sollte aber immer der mykologische Erregernachweis – mikroskopisch und kulturell – gehen. Die Expertise dafür liegt beim Dermatologen und in mykologischen Speziallaboren.
Andere zoophile Dermatophyten, hier besonders Trichophyton interdigitale (zoophile Stämme), die von Nagetieren (Meerschweinchen) auf den Menschen übertragen werden, verursachen gleichartige Bilder der Tinea barbae profunda mit starker Entzündung und Abszedierung. Bei Haustieren in Deutschland sind diese Erreger – neben zoophilen Stämmen von Trichophyton interdigitale auch Trichophyton mentagrophytes und Trichophyton erinacei (der „Igelpilz“) – schon seit ca. fünf bis zehn Jahren auf dem Vormarsch.
Infektionen durch geophile Dermatophyten wie Microsporum gypseum sind selten. Fast immer sind die Hände und Unterarme betroffen, meist infolge Gartenarbeit. Die schuppenden und wenig juckenden Läsionen lassen an Handekzeme, z. B. ein Kontaktekzem, denken. Topische Glucocorticoide vermindern zwar die Schuppung, trotzdem sind die Hautveränderungen progredient. Spätestens dann sollten Hautschuppen für die mykologische Diagnostik entnommen werden.
Eine moderne Pilzdiagnostik umfasst heute neben den konventionellen Methoden – mikroskopisches (fluoreszenzoptisches) Präparat und Pilzkultur – auch molekulare Methoden des DNA-Nachweises. Eine PCR (Polymerasekettenreaktion) weist direkt aus Hautschuppen und Nagelspänen sowie Haarwurzeln die Dermatophyten-DNA nach. Der Erreger kann bis zur Spezies-Ebene identifiziert werden. Diese molekularbiologischen Methoden sind schnell („24-Stunden-Diagnostik“), sehr zuverlässig in der Spezifität und empfindlicher als die Pilzkultur.
Dermatomykosen im Gesicht von Kindern werden in Deutschland aktuell durch einen neu aufgetretenen Dermatophyten – Trichophyton Spezies von Arthroderma benhamiae – verursacht. Dieser zoophile Hautpilz hat sein Reservoir bei Meerschweinchen und anderen Nagern. Unter den zoophilen Dermatophyten ist Arthroderma benhamiae zumindest in Mitteldeutschland die „Nummer 1“.
Der Soor durch Candida albicans ist leicht zu diagnostizieren, ein Abstrich genügt. Die Hefepilze wachsen ohne Probleme auf den Pilznährmedien. Bei entsprechendem klinischen Bild kann dann gezielt behandelt werden, meist reicht die topische Therapie mit Polyenen (Nystatin, Amphotericin B) oder einem Azol (Miconazol) aus, im Einzelfall, bei immunsupprimierten und HIV/AIDS-Patienten ist orales Fluconazol (100 bis 200 mg/Tag) das Mittel der Wahl.
Die Kleienpilzflechte oder Pityriasis versicolor sieht man heute immer häufiger bei jungen Patienten zwischen 20 und 30 Jahren, oft in extrem ausgeprägter Form am gesamten Körperstamm und den Oberarmen, manchmal bis zum Handgelenk reichend. Das Wachstum des ursächlichen lipophilen Hefepilzes Malassezia globosa auf der Haut wird durch Hyperhidrose (starkes Schwitzen) gefördert. Ein Aufenthalt in tropisch warmen Ländern führt zur Exazerbation der Dermatomykose. Dann ist eine systemische (Kurzzeit-)Therapie mit Itraconazol zweimal 100 mg für eine Woche – indiziert.
Die Windeldermatitis des bettlägerigen und pflegebedürftigen älteren Patienten erfordert fast immer eine topische Glucocorticoid-Behandlung. Kombinationspräparate eines Glucocorticoids (Betamethasondipropionat, Flumetasonpivalat, Prednisolonacetat) mit Antimykotika oder Antiseptika führen schnell zu einer Linderung der Symptome. Wenn mikrobiologisch untersucht wird (Abstrich), findet man oft keine Hefepilze (!), sondern diverse grampositive und gramnegative (Fäkalflora-) Bakterien. Multiresistente Bakterien sind nicht selten, insbesondere ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen)-bildende gramnegative Bakterien (Escherichia coli oder andere Enterobacteriaceae). Das erschwert die Krankenpflege im Pflegeheim oder bei der Tagespflege, da umfangreiche hygienische Maßnahmen erforderlich sind.
Der Kreis schließt sich bei der erythrosquamösen entzündlichen Dermatose des siebenjährigen Jungen – der Psoriasis vulgaris. Zum Ausschluss einer Dermatomykose, insbesondere einer Tinea corporis durch einen zoophilen Dermatophyten (z. B. Trichophyton-Spezies von Arthroderma benhamiae!) ist auch der Hautarzt, erst recht der Kinderarzt, gut beraten, vor Therapiebeginn Hautschuppen mykologisch untersuchen zu lassen. Daraufhin kann die Psoriasis vulgaris mit „gutem Gewissen“ gezielt topisch antientzündlich behandelt werden. |
Literatur
[1] Nenoff P, Handrick W, Krüger C, Vissiennon T, Wichmann K, Gräser Y, Tchernev G. Dermatomykosen durch Haus- und Nutztiere – vernachlässigte Infektionen? Hautarzt; 2012;63:848-858
[2] Nenoff P, Krüger C, Mayser P. Kutane Malassezia-Infektionen und Malassezia-assoziierte Dermatosen – ein Update. Hautarzt 2015;66:465-86
[3] Nenoff P, Krüger C, Paasch U, Ginter-Hanselmayer G. Mykologie – ein Update. Teil 3: Dermatomykosen: topische und systemische Behandlung. CME-Artikel, J Dtsch Dermatol Ges 2015;13:387-413
[4] Nenoff P, Uhrlaß S, Krüger C, Erhard M, Hipler UC, Seyfarth F, Herrmann J, Wetzig T, Schroedl W, Gräser Y. Trichophyton Spezies von Arthroderma benhamiae – ein neuer Infektionserreger in der Dermatologie. J Dtsch Dermatol Ges 2014;12:571-582
[5] Uhrlaß S, Krüger C, Nenoff P. Microsporum canis – aktuelle Daten zur Prävalenz des zoophilen Dermatophyten im mitteldeutschen Raum. Hautarzt 2015;66:855-862
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