Apotheke und Markt

Eine galenische Herausforderung

Die Aspirin®-Familie will unterschiedlichen Patientenbedürfnissen gerecht werden

du | Aspirin® ist nicht gleich Aspirin®. Es gibt eine Vielzahl von Darreichungsformen – überzogene Tabletten, Retardtabletten, Brausetabletten, Kautabletten, Granulate. Sie sollen den unterschiedlichen Bedürfnissen der von Fieber und Schmerz geplagten Patienten gerecht werden. Was es (noch?) nicht gibt: Aspirin® als Saft oder Lösung. Für Pharmazeuten kein Wunder.
Foto: Bayer

Denn die in Aspirin® enthaltene Acetylsalicylsäure stellt aus galenischer Sicht eine Herausforderung dar. Die aus Salicylsäure und Essigsäureanhydrid gewonnene Substanz ist sehr feuchtigkeits- und temperaturempfindlich und zudem instabil bei pH-Werten unter 2 und über 8. Bei Temperaturen über 140 °C zersetzt sie sich. So verwundert es nicht, dass die Acetylsalicylsäure zunächst als Pulver auf den Markt gebracht wurde. Das war im Jahr 1899. Fünf Jahre später folgten die Tabletten.

Wunsch nach schnellerer Wirkung

Getrieben von dem Wunsch der Schmerzpatienten nach einer schneller wirkenden Darreichungsform folgte im Jahr 1971 die Einführung von Aspirin® plus C, dem ersten Schmerz- und Fiebermittel in Brauseformulierung. Ein Puffersystem aus Zitronensäure und Natriumcitrat sorgt für einen pH-Wert von 5,5 und eine optimale Lösung der Acetylsalicylsäure in Wasser. Im Gegensatz zur klassischen Aspirin®-Tablette werden Tmax-Werte etwa nach 15 Minuten und nicht erst nach 45 Minuten erreicht. Weil oft die 500-mg-Dosierung für eine effektive Schmerz- und Fiebersenkung nicht ausreicht, wurde 2015 mit Aspirin® plus C Forte eine höherdosierte Brausetablette auf den Markt gebracht. Um den höheren Wirkstoffgehalt in der Tablette unterzubringen ohne die Verpackung zu verändern, musste der Brausesatz reduziert werden. Dazu ist eine besondere Qualität des Hilfsstoffs Natriumhydrogencarbonat erforderlich. Allerdings muss bei dieser höher dosierten Formulierung mit etwas längeren Auflösezeiten gerechnet werden. Aspirin®-Migräne wurde im Jahr 2000 eingeführt. Da bei Migränekopfschmerzen meist erst 1000 mg eine effektive Linderung versprechen, wurden hier 500 mg-Brausetabletten paarweise verpackt.

Wunsch nach wasserunabhängiger Einnahme

Ob klassische Aspirin®-Tabletten oder Aspirin®-Brausetabletten: für die Einnahme müssen die Patienten immer Wasser zur Hand haben. So ist es nicht verwunderlich, dass sich bei Marktforschungen der Wunsch nach Darreichungsformen herauskristallisierte, die wasserunabhängig einzunehmen sind. Auch dieses Problem wurde gelöst. 2003 wurde mit Aspirin® Effect das erste Schmerzmittel in Granulatform einführt. Durch Schmelzextrusion mit Mannitol wurde Acetylsalcylsäure vor einer Reaktion mit Hilfsstoffen geschützt. Zusammen mit Natriumhydrogencarbonat, Natriumhydrogencitrat und Zitronensäure entstand ein Brausegranulat, das sich schnell mit Speichel im Mund auflösen kann. Tmax-Werte werden nach etwa 25 Minuten erreicht. Ähnliche Werte liefert die als Aspirin® direkt vermarktete Kautablette, die ebenfalls ohne Wasser eingenommen werden kann. Es handelt sich hierbei um eine Zwei-Schichttablette, bestehend aus einer Wirkstoff- und einer Pufferschicht.

Die neue Aspirin®-Tablette

Im Juli 2014 wurde eine überzogene 500-mg-Acetylsalicylsäure-Tablette als Ersatz für die klassische Aspirin®-Tablette in Deutschland in den Markt gebracht. Ihr Vorteil: ein ähnlich schneller Wirkungseintritt wie Brausetabletten. Dazu wird die sogenannte Micro-Activ-Technologie angewendet, ein Verfahren, bei dem Acetylsalicylsäure in um 90% verkleinerten Wirkstoffpartikeln vorliegt und sich – versehen mit einem Brausezusatz aus Natriumcarbonat – sechsmal schneller im Magen auflösen soll. Maximale Blutspiegel werden nach etwa 17 Minuten ähnlich schnell erreicht wie mit einer Brausetablette. Im Vergleich zur klassischen Tablette ist diese Tablette mit Hydromellose, Zinkstearat und Carnaubawachs überzogen. So soll sie sich leichter schlucken lassen.

Dass Patienten von dieser innovativen Galenik profitieren, zeigt ein Doppelblindvergleich von klassischen Aspirin®-Tabletten mit den neuen Filmtabletten bei 514 Patienten nach Weisheitszahnextraktion: Eine deutliche Schmerzlinderung verspürten die mit den ursprünglichen Tabletten behandelten Patienten im Schnitt nach 99 Minuten. Die mit den neuen Filmtabletten behandelten Patienten hatten schon nach 50 Minuten deutlich weniger Schmerzen. Auch eine Anwendungsbeobachtung aus dem Jahr 2015 bestätigt die Vorteile der neuen Filmtablette.

Quelle

Journalistenroundtable: Aspirin®-Galenik: Marketinggag oder Nutzen für Patienten? 27. April 2016 veranstaltet von Bayer Vital GmbH

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