Aus den Ländern

Im Spannungsfeld des politischen Zeitgeistes

Leben und Werk der Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch

Die Haber-Bosch-Synthese von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff dürfte allen Pharmazeuten ein Begriff sein. Die Ammoniaksynthese gilt als eines der bedeutendsten chemischen Verfahren, das auch 100 Jahre nach der Entwicklung noch eine entscheidende Rolle bei der Produktion von Düngemittel und Sprengstoff spielt. Die beiden Namensgeber der Synthese standen am 21. April 2016 im Vortrag von Prof. Dr. Michael Mönnich im Mittelpunkt.

Der Vortrag fand statt auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) in Kooperation mit der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) in Hannover. Prof. Dr. Michael Mönnich, stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), frischte das chemisch-technische Hintergrundwissen bei den Anwesenden auf. Seit Justus von Liebig war bekannt, dass Pflanzen zum Wachstum Mineralien wie Stickstoff, Phosphor oder Kalium benötigen. Der Stickstoff wurde bis in die frühe Neuzeit aus Fäkalien oder in Salpeter-Plantagen gewonnen, ein langwieriges und mühsames Verfahren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Guano aus Südamerika importiert. Das reichte für den schnell wachsenden Bedarf aber nicht aus. Nachdem am Ende des 19. Jahrhunderts eine weltweite Hungersnot befürchtet wurde, begann eine intensive Suche nach technischen Verfahren zur Fixierung des Luftstickstoffs. Fritz Haber (1868 – 1934), damals Professor für Technische Chemie in Karlsruhe, legte die chemische Grundlage für die Reaktion von Stickstoff mit Wasserstoff zu Ammoniak mithilfe eines Katalysators. Für die technische Realisierung sorgte bei der Firma BASF der Chemiker Carl Bosch. Carl Bosch (1874 –  1940), der vor seinem Chemie-Studium auch Maschinenbau und Hüttenwesen studiert hatte, war es gelungen, stabile Doppelrohre zu konstruieren, die dem hohen Druck bei der Synthese Stand hielten. 1910 wurde das Haber-Bosch-Verfahren patentiert. In den folgenden Jahren stieg die Produktion von Ammoniak steil an. Ammoniak spielte aber nicht nur als Düngemittel, sondern auch zur Herstellung von Sprengstoff eine zentrale Rolle. Im „Salpeter-Versprechen“ von 1914 verpflichtete sich BASF zur Salpeter-Produktion und bekam im Gegenzug dafür Kredite für den Bau neuer Werke und eine Abnahmegarantie zugesichert. So war der Nachschub an Salpeter für die Kriegsführung gewährleistet und Deutschland unabhängig von Importen.

Personalien aus der DGGP

Zum neuen Vorsitzenden der Regionalgruppe Niedersachsen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) wurde Stefan Wulle, Universitätsbibliothek Braunschweig, gewählt. Als Stellvertreterin löste Gabriele Beisswanger Hanspeter Höcklin ab, dem an dieser Stelle für seine langjährigen Verdienste um die Pharmaziegeschichte gedankt sei.

Tragische Nobelpreisträger

Carl Bosch machte Karriere bei der BASF und der I.G. Farben. Sein Forschungsschwerpunkt war in den 1920er Jahren die Kohleverflüssigung zur Herstellung von synthetischem Benzin. 1931 erhielt er den Nobelpreis für die Entwicklung chemischer Hochdruckverfahren. Zu den Nationalsozialisten hatte Bosch ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits unterstützten die I.G. Farben die NSDAP, andererseits setzte sich Carl Bosch persönlich für jüdische Wissenschaftler ein. In den 1930er-­Jahren wandte sich Bosch zunehmend privaten wissenschaftlichen Interessen wie der Entomologie zu und starb 1940 desillusioniert und depressiv.

Weitaus tragischer ist das Schicksal von Fritz Haber. 1919 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet, spielte er im Ersten Weltkrieg aus heutiger Sicht eine unrühmliche Rolle als „Vater des Gaskriegs“. Haber entwickelte das nach ihm benannte „Blasverfahren“ und überwachte persönlich den Gaseinsatz an der Front bei Ypern. Auch Habers Ehefrau, Clara Immerwahr, erlangte traurige Bekanntheit. Clara Immerwahr war eine der ersten deutschen promovierten Chemikerinnen und Arbeitskollegin Habers. Sie beendete nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes 1902 ihre wissenschaftliche Tätigkeit. 1915 nahm sie sich nach dem ersten großen Gift­gasein­satz ihres Mannes das Leben. Ob ihr Suizid aus Protest gegen den Gaskrieg erfolgte, ist nicht belegt. Belegt ist aber ihre Einschätzung des Gaskriegs als „Perversion der Wissenschaft“. Fritz Haber hatte nach dem Ersten Weltkrieg ebenfalls führende Positionen in der I.G. Farben und in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft inne. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Haber als Sohn jüdischer Eltern allerdings seiner Ämter enthoben. Auch der Nobelpreis, seine wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Verdienste um Deutschland und seine patriotische Gesinnung schützten ihn nicht. Ende 1933 emigrierte er nach England und nahm einen Ruf nach Israel an. Auf der Reise dorthin starb er 1934 in der Schweiz. |

Dr. Gabriele Beisswanger, Minden

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