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Update für das Herz
Fortbildungskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein
Kammerpräsident Gerd Ehmen dankte dem Fortbildungsbeauftragten Prof. Dr. Walter Raasch für die Organisation dieses „Kongresses auf höchstem Niveau“. Ehmen betonte die Bedeutung der Fortbildung, denn die Apotheker bräuchten fundierte Kenntnisse in Pharmakologie und klinischer Pharmazie, um ihre heilberufliche Arbeit leisten und befreundete Heilberufe unterstützen zu können. Die Apotheker würden eine Komplettberatung bieten und sich um die fehlerfreie Anwendung der Arzneimittel kümmern, jedoch zu einem Honorar, das der Bedeutung dieser Arbeit nicht gerecht werde. Außerdem erklärte Ehmen, die Qualität der Beratung hänge nicht von der Betriebsgröße ab, sondern vom persönlichen Engagement des Teams. „Wir wollen jeden mitnehmen“, erklärte Ehmen dazu.
Herzinfarkt: Ursachen und Behandlung
Erstes Vortragsthema war der Herzinfarkt, der mit jährlich über 280.000 Ereignissen und 52.000 Toten zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland gehört. Als Risikofaktoren sind Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhte Blutlipidwerte bekannt. Doch Prof. Dr. Jeanette Erdmann, Lübeck, berichtete über die zusätzliche genetische Komponente. Dabei seien zwei Varianten zu unterscheiden. Einerseits gibt es sehr seltene Fälle, in denen ein Gendefekt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt auslöst. Andererseits wurden viele Genvariationen gefunden, die die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt in ähnlichem Maß erhöhen können wie andere Risikofaktoren.
Prof. Dr. Holger Thiele, Lübeck, berichtete über häufige Änderungen in den Leitlinien zur Therapie des Herzinfarktes. Zur Nachbehandlung seien
- ein ACE-Hemmer oder AT1 -Antagonist,
- ein langsam auftitrierter Betablocker,
- ein hochdosiertes Statin sowie
- die duale Hemmung der Thrombozytenaggregation mit ASS und Prasugrel oder Ticagrelor
etabliert. Bei Herzinsuffizienz solle ein Aldosteronantagonist dazukommen. Bei der Thrombozytenaggregationshemmung gilt es stets, einen Kompromiss zwischen dem Schutzeffekt und dem Blutungsrisiko zu finden. Gegenüber der etablierten Gabe von Ticagrelor für zwölf Monate nach einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt habe erstaunlicherweise sowohl eine kürzere als auch eine längere Medikation Vorteile gezeigt.
Vorhofflimmern und andere Arrhythmien
Für das Vorhofflimmern betonte Prof. Dr. Norbert Frey, Kiel, den deutlichen Effekt der Antikoagulation als Schutz vor Schlaganfällen. Allerdings sei eine schlecht eingestellte Therapie wegen des Blutungsrisikos gefährlicher als gar keine Antikoagulation. Die neuen oralen Antikoagulanzien hätten in Studien gegenüber Vitamin-K-Antagonisten weniger Blutungen gezeigt, und diese seien zudem seltener tödlich gewesen. Von Apixaban sollen über 80-Jährige noch mehr profitieren als jüngere Patienten. Voraussichtlich im nächsten Jahr werde auch ein Antidot für die Faktor-Xa-Antagonisten unter den neuen Antikoagulanzien eingeführt: Andexanet alfa.
Bei Arrhythmien ist meist eine Hochfrequenzablation indiziert, aber einige Patienten benötigen auch danach eine Medikation. Vor der Verordnung eines Antiarrhythmikums riet Prof. Dr. Hendrik Bonnemeier, Kiel, eindringlich zu einer elektrophysiologischen Untersuchung mit Herzkatheter (wird nur an wenigen Zentren angeboten), um eine strukturelle Herzerkrankung sicher zu diagnostizieren bzw. auszuschließen; denn nur bei Herzgesunden sind alle Antiarrhythmika indiziert.
Bei Herzinsuffizienz ist Amiodaron als einziges Antiarrhythmikum zugelassen. In allen anderen Fällen ist Amiodaron nur zweite Wahl, nachdem ein anderes Antiarrhythmikum keinen Erfolg gebracht hat. Amiodaron soll stets nur so kurz wie möglich und nicht in Kombination mit Digitalis eingesetzt werden, riet Bonnemeier. Bei den mehrmals täglich anzuwendenden Antiarrhythmika muss die Einnahmefrequenz sehr sorgfältig beachtet werden. Die unregelmäßige Einnahme sei der schlimmste Therapiefehler, weil dadurch Arrhythmien entstehen können.
Therapie der Herzinsuffizienz
Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, der den Kongress organisierte und moderierte, berichtete zudem über Arzneimittel gegen Herzinsuffizienz. Diese progrediente Erkrankung mit deutlichem Effekt auf die Lebensqualität betrifft etwa zwei Prozent aller Europäer und hat eine hohe Mortalität. Dabei werden nach einer Schädigung des Herzens Kompensationsmechanismen ausgelöst, die kurzfristig die Leistungsfähigkeit gewährleisten, aber langfristig das Herz weiter schädigen. Die Medikation soll diese Kompensation unterbinden. Zu ACE-Hemmern riet Raasch: „start low, go slow“. Bei der Abgabe von Betablockern soll der Apotheker die Patienten vor dem selbstständigen Absetzen warnen. Aliskiren als direkter Renin-Inhibitor habe sich wegen erhöhter Kaliumspiegel bei Herzinsuffizienz nicht bewährt und sei daher bei dieser Indikation „out“, so Raasch. „In“ sei dagegen das neue ARNI-Konzept (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor): Die fixe Kombination aus Sacubitril und Valsartan (Entresto®) habe deutliche Vorteile gegenüber Enalapril gezeigt. Doch müsse weiter geprüft werden, ob die Hemmung zentraler Neprilysin-Rezeptoren den Abbau von β-Amyloid verhindert und so das Alzheimer-Risiko erhöht.
Prof. Dr. Joachim Weil, Lübeck, erinnerte an die Korrelation zwischen der Herzfrequenz und der Lebenserwartung bei nahezu allen Säugetieren außer dem Menschen. Bei der gesunden Normalbevölkerung lasse sich ein erhöhtes Herzinfarktrisiko bei höherer Herzfrequenz finden. Doch nur für Patienten mit Herzinsuffizienz sei gezeigt worden, dass eine Senkung der Herzfrequenz die Prognose verbessert. Dazu biete sich Ivabradin an, das den Sinusrhythmus beeinflusst, indem es den If‑Kanal hemmt. Bei Patienten mit Vorhofflimmern ist es jedoch unwirksam.
Ganz neue Therapieansätze
Priv.-Doz. Dr. Sven Pfleger, Heidelberg, betonte, dass alle bisherigen Therapieansätze zur Herzinsuffizienz nur darauf zielen, den Teufelskreis der langfristig negativ wirkenden Kompensationsmechanismen zu durchbrechen. Dies sei jedoch keine Heilung, denn der Herzmuskelschaden bleibe. Eine Alternative biete möglicherweise ein viel beachteter gentherapeutischer Ansatz. Dabei wird (bisher nur in Tierversuchen) das Gen für das Protein S100A1 überexprimiert. Dieses Protein beeinflusst den Energiestoffwechsel der Herzmuskelzellen und verbessert dadurch die Herzleistung. Schweine mit erlittenem Herzinfarkt erreichen damit wieder die gleiche Herzleistung wie gesunde, obwohl das durch den Infarkt geschädigte Areal nicht wieder funktionsfähig wird. Ab August 2017 sollen in Heidelberg die ersten Behandlungen an Menschen beginnen.
Prof. Dr. Gert Richardt, Bad Segeberg, berichtete, dass in Deutschland jährlich fast 500.000 Krankenhauseinweisungen auf Herzinsuffizienz beruhen. Es sind häufig Dekompensationen, die die Prognose der Patienten weiter verschlechtern. Dies habe zu der Idee geführt, die Patienten durch Telemonitoring besser zu überwachen. Doch die Übermittlung von Gewicht, Blutdruck und EKG habe in Studien keine Vorteile gezeigt. Dagegen habe das Telemonitoring günstige Effekte bei Patienten mit einem implantierten Defibrillator oder einem Gerät für die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT). Dies sei jedoch eher eine „Fernwartung“ der implantierten Geräte, die sicherstellt, dass die Geräte richtig arbeiten. In diesen Fällen sei die telemedizinische Überwachung dringend nötig, weil Fehlauslösungen den Patienten schaden können.
Weiteres Programm
Neben der Apothekerfortbildung fanden in Damp Praxisfortbildungen für PTA und PKA statt. Auch dort ging es um Themen rund ums Herz, und auch dort waren die Veranstaltungsräume bestens gefüllt. Außerdem wurde am Samstag wieder der beliebte Galaabend mit Musik und Tanz veranstaltet, diesmal mit einer beeindruckenden Lasershow im Tagungsraum. |
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