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Arzneimittel und Therapie
Aggressivere Melanome unter Sildenafil?
PDE5-Hemmung aktiviert cGMP-abhängiges Melanom-Wachstum
Das maligne Melanom ist eines der aggressivsten Karzinome überhaupt und macht den größten Teil der tödlichen Hauttumoren aus. Die Tendenz zur Metastasierung ist hoch. Etwa 20% der malignen Melanome verlaufen invasiv. Sie sind therapierefraktär mit einer entsprechend schlechten Prognose. Schon seit mehreren Jahren wird ein möglicher Zusammenhang zwischen dem PDE5-Hemmer Sildenafil und einem erhöhten Melanom-Risiko diskutiert.
cGMP aktiviert MAPK-Signaling
Biochemiker an der Universität Tübingen kamen nun dem zugrundeliegenden Mechanismus auf die Spur und öffneten damit möglicherweise auch den Weg zu neuen Therapiestrategien. Bereits bekannt war, dass bei der überwiegenden Mehrzahl der malignen Melanome der MAP-Kinase-Signalweg überaktiviert ist. In der aktuellen Studie wurde mit biochemischen Assays und Real-time-Monitoring von Melanomzellen von Nagetieren und Menschen gezeigt, dass das Wachstum von Melanomzellen cGMP-abhängig gesteuert wird, und zwar über die Aktivierung der MAP-Kinase (Abb.). Ein hoher cGMP-Spiegel verstärkt das MAPK-Signaling und darüber das Wachstum und die Migration von Melanomzellen.
PDE5 bremst cGMP
Einen gewissen Schutz vor einer überbordenden Wirkung von cGMP bietet das Enzym Phosphodiesterase 5 (PDE5), indem es neu gebildetes cGMP kontinuierlich abbaut. Der PDE5-Inhibitor Sildenafil wirkt diesem Mechanismus entgegen und lässt cGMP ungebremst ansteigen, was eventuell zu einem ungezügelten Wachstum von Melanomzellen führen kann.
Bisher bloß ein Verdacht
Nach Ansicht des Leiters der Forschergruppe Prof. Dr. Robert Feil, Interfakultäres Institut für Biochemie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, lassen die durchgeführten In-vitro- und tierexperimentellen Untersuchungen noch keine eindeutige Aussage für die klinische Relevanz zu, sondern zeigen nur mögliche Risiken auf. Klären ließe sich das Risiko nur in prospektiven, kontrollierten klinischen Studien mit Patienten, die langfristig Sildenafil einnehmen.
Neben Sildenafil wurden auch die beiden PDE5-Hemmer Tadalafil und Vardenafil untersucht – mit ähnlichen Ergebnissen. Es spricht deshalb viel dafür, dass es sich um einen Klasseneffekt handelt, so Feil. Eine definitive Aussage kann wegen der noch unzureichenden Datenlage zu Tadalafil und Vardenafil derzeit aber noch nicht getroffen werden. Feil betont, dass es für das Risiko sicher einen Unterschied machen wird, ob ein PDE5-Hemmer wegen erektiler Dysfunktion bei Bedarf eingenommen wird oder, etwa bei pulmonaler Hypertonie, als Langzeittherapie. Männer sollen aufgrund der momentanen Datenlage keinesfalls auf PDE5-Hemmer verzichten. Panik zu verbreiten, sei fehl am Platz. Zudem gibt es nach Aussage von Feil derzeit keine Hinweise darauf, dass Sildenafil die Umwandlung von Melanozyten in Melanomzellen und damit die Entstehung von Tumorzellen vorantreibt. Nur wenn sich bereits ein Melanom gebildet hat, etwa aufgrund einer B-Raf-Mutation, könne Sildenafil das weitere Wachstum fördern. Feil empfiehlt jedoch, Melanom-Patienten bei Verordnung eines PDE5-Hemmer auf dieses Risiko hinzuweisen und regelmäßig zu kontrollieren.
cGMP als Wolf im Schafspelz
Basierend auf den neuen Erkenntnissen hält Feil auch neue Therapieansätze für denkbar. Durch Erhöhung der PDE5-Konzentration und einen dadurch vermehrten Abbau von cGMP ließe sich möglicherweise das Wachstum, die Invasivität oder die Aggressivität der Tumorzellen bremsen. Da PDE5 in vielen Geweben vorkommt, sei das Risiko von Nebenwirkungen allerdings hoch. Deshalb habe man momentan eher Targets im Blick, die im cGMP-Signalweg nachgeschaltet sind. Dazu gehört eine cGMP-abhängige Proteinkinase, die aktiviert wird. Eine Hemmung dieses Enzyms würde möglicherweise mit weniger Nebenwirkungen einhergehen. In jedem Fall ist für Feil cGMP ein spannendes Signalmolekül, ein Wolf im Schafspelz, über den derzeit intensiv auf verschiedenen Gebieten geforscht wird. |
Quelle
Dhayade S et al. Sildenafil potentiates a cGMPdependent pathway to promote melanoma growth. Cell Reports 2016;14:2599-2610
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