Arzneimittel und Therapie

Nicht jede Schwangere braucht Vitamin D

Cochrane-Review nimmt Studien zur Substitution unter die Lupe

Eine Vitamin-D-Substitution in der Schwangerschaft soll unter anderem das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie und Frühgeburten senken. Vor diesem Hintergrund wurde in einem aktuellen Cochrane-Review die Datenlage von Studien analysiert, in denen Vitamin D allein oder zusammen mit Calcium substituiert worden ist. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Evidenz für eine generelle Vitamin-D-Substitutionsempfehlung in der Schwangerschaft zu gering ist.

Vitamin-D-Mangel bei Schwangeren ist weltweit verbreitet, auch in sonnenreichen Ländern. Bei Werten unter 20 ng/ml spricht man von einem Vitamin-D-Mangel. In Deutschland fand man bei 77% der untersuchten schwangeren und stillenden Frauen Vitamin-D-Werte unter 20 ng/ml.

Die zwei physiologisch aktiven Vit­amin-D-Formen, Ergocalciferol (Vitamin D2) und Colecalciferol (Vitamin D3), werden ähnlich metabolisiert. Beide werden zuerst in der Leber zu Calcidiol (25-Hydroxycolecalciferol) und anschließend in den Nieren in den aktiven Metaboliten Calcitriol (1,25-Dihydroxycolecalciferol) umgewandelt. Vitamin D wird anhand der Messung von Calcidiol bestimmt. Jedoch kann es je nach Labor und Messmethode zu beträchtlichen Unterschieden bei den Messergebnissen kommen. Auch bei gleichen Messmethoden gibt es große Schwankungen. Diese Unterschiede sind auf die unterschiedliche Vorbehandlung der Probe und die Verwendung verschiedener Extraktionsmittel zurückzuführen (s. auch S. 44).

Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D in der Schwangerschaft scheint wichtig für die werdende Mutter und das ungeborene Kind. Mehrere internationale Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten in der Schwangerschaft und dem Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen hin, wie Gestationsdiabetes, Bluthochdruck und Frühgeburten. Risiken für Neugeborene umfassen einen ungenügenden Knochenaufbau und ein zu geringes Geburtsgewicht. Im Mutterleib wird das Kind allein durch die Mutter mit dem für seine Entwicklung notwendigen Vitamin D versorgt. Bei der werdenden Mutter steigen die Calcitriol-Werte kontinuierlich bis zum Ende der Schwangerschaft. Man geht davon aus, dass diese Steigerung abhängig vom vorhandenen Calcidiol, aber unabhängig vom Calcium-Stoffwechsel, geschieht. Daher scheint es notwendig, durch Supplementation von Vitamin D für ausreichend hohe Calcidiol-Werte zu sorgen, um den hohen Calcitriol-Spiegel aufrechterhalten zu können. Ob hohe Calcidiol-Spiegel bei Schwangeren eine klinisch si­gnifikante Bedeutung haben, ist jedoch bisher noch unklar.

Methodik des Reviews

In einem kürzlich publizierten Review der Cochrane-Kollaboration wurde der Frage nachgegangen, ob die Einnahme von Vitamin D allein oder in Kombi­nation mit Calcium während der Schwangerschaft Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf und die Entwicklung des Kindes im Mutterleib haben kann. Eingeschlossen wurden 15 randomisierte bzw. quasi-rando­misierte Studien mit insgesamt 2833 Frauen, darunter verglichen neun Studien den Effekt von Vitamin-D-Substitution mit keiner Substitution oder Placebo und sechs Studien den Effekt von Vitamin D und Calcium mit keiner Substitution. 27 Studien erfüllten die Einschlusskriterien nicht.

Die meisten der eingeschlossenen Studien wiesen nur eine geringe bis moderate Evidenzstärke nach dem internationalen GRADE-System auf, d. h. die Studien entsprachen nicht den Anforderungen oder es gab nur Daten mit geringer Beweiskraft zur Wirksamkeit der Methode.

Den vollständigen Review von unserer Zusammenfassung finden Sie unter www.cochranelibrary.com.

Endpunkte für Mutter und Kind

Im Cochrane-Review wurden sowohl für den Schwangerschaftsverlauf als auch für die Entwicklung des ungeborenen Kindes Endpunkte definiert. Als primäre Endpunkte während des Schwangerschaftsverlaufs wurden das Auftreten von Präeklampsie (eine durch Hypertonie, Proteinurie und Ödeme gekennzeichnete Schwangerschaftsvergiftung), Gestationsdiabetes und der Vitamin-D-Wert am Ende der Schwangerschaft definiert. Primäre Endpunkte für die Entwicklung des ungeborenen Kindes waren niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g) und Frühgeburt (Geburt vor der 38. Schwangerschaftswoche).

Die jeweiligen primären Endpunkte wurden in jeder Studiengruppe (Vitamin D allein oder in Kombination mit Calcium) mit der Kontrollgruppe (Gabe von Placebo oder keiner Substitution) verglichen, um Aussagen über die Effekte der jeweiligen Substitution machen zu können. Die Studiengruppen wurden nicht miteinander ver­glichen.

Heterogene Ergebnisse

Obwohl die Resultate sehr heterogen ausfielen, hatten die meisten Frauen, die Vitamin D einmalig oder kontinuierlich im Laufe der Schwangerschaft einnahmen, bei der Geburt höhere 25-Hydroxycolecalciferol-Werte als diejenigen, die kein Vitamin D substituierten. Bei der Ergänzung mit Vitamin D und Calcium waren die Calcidiol-Werte bei täglicher Einnahme höher als bei einer einmaligen Substitution. Da die klinische Bedeutung der erhöhten Calcidiol-Werte noch nicht bekannt ist und die Ergebnisse aus kleinen Studien mit zum Teil unzureichender Qualität stammen, geben die Autoren des Cochrane-Reviews an, dass aus den höheren Vitamin-D-Werten noch keine Schlüsse gezogen werden sollten. Es scheint jedoch, dass die Zugabe von Vitamin D das Risiko von Schwangerschaftsvergiftung, Frühgeburt und niedrigem Geburtsgewicht reduzieren kann. Interessanterweise sieht es so aus, als ob die gleichzeitige Nahrungsergänzung mit Vitamin D in Kombination mit Calcium das Risiko einer Frühgeburt erhöht. Auch wenn weitere kürzlich publizierte Studien auf einen positiven Effekt einer Vitamin-D-Substitution hindeuten, ist für die Autoren des Cochrane-Reviews die derzeitige Evidenzstärke zu gering, um die Gabe von Vitamin D grundsätzlich als Teil der Schwangerschaftsvorsorge zu empfehlen. Es besteht daher ein Bedarf nach weiteren, randomisierten Studien, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen. |

Quelle

De-Regil LM et al. Vitamin D supplementation for women during pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2016;14:1


Apothekerin Dr. Lillian Reiter, Oslo


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