Gesundheitspolitik

Zyto-Apotheker unter Verdacht

„Panorama“ und „Stern“ berichten über Geldzahlungen an Onkologen

TRAUNSTEIN (cha) | Das Anti-Korruptionsgesetz hängt noch in den Startlöchern fest, aber schon zeigen sich Lücken – darauf weist ein am letzten Donnerstag gesendeter Filmbeitrag des ARD-Politikmagazins Panorama hin, der in Zusammenarbeit mit dem Magazin Stern erstellt wurde.

Zum Inhalt: Der Onkologe Dr. Ulrich Fritz betätigt sich als „Lockvogel“ und bespricht mit einem Pharmamanager und zwei Apothekern mögliche Geschäftsverbindungen. Gefilmt wurde dies mit verdeckter Kamera, die Gesichter sind unkenntlich gemacht, Namen werden nicht genannt. Die Apotheker schlagen vor, dass einer von ihnen die Zytostatika-Rezepte des Onkologen beliefert, während der andere dem Arzt 250.000 Euro, getarnt als Kredit, zukommen lässt. Kann das Anti-Korruptionsgesetz solche Fälle zukünftig verhindern? Nach Ansicht des Stuttgarter Oberstaatsanwalts Peter Schneiderhan jedenfalls nicht: Den Ermittlern seien die Hände gebunden, da sie z. B. auf das Abhören von Telefongesprächen verzichten müssten.

Der Onkologe Dr. Ulrich Fritz berichtet in dem Panorama-Beitrag zunächst, dass er immer wieder Angebote bekommen habe für Praxen, für die er nichts bezahlen müsste, oder für die Übernahme von Miet- und Personalkosten – „Hauptsache, die Apotheke meines Vertrauens war gesetzt“. Diese aus seiner Sicht schändlichen Praktiken haben ihn bewogen, sich für Panorama und Stern zum Schein auf die Avancen eines Pharma­händlers und von zwei Apothekern einzulassen. Dabei kommt es zu mehreren Treffen, bei denen besprochen wird, dass als Gegenleistung für die Zytostatikarezepte 250.000 Euro, getarnt als Kredit, fließen sollen. Um zu vermeiden, dass ein Zusammenhang zwischen der Belieferung der Rezepte und der Auszahlung des „Kredits“ hergestellt werden kann, soll der eine Apotheker die Belieferung übernehmen, während der andere den Kredit auszahlt.

Bei beiden Apothekern wurde das Gesicht unkenntlich gemacht, Namen werden nicht genannt. Vielleicht alles nur ein Fake, auf das die Panorama-Redaktion hereingefallen ist wie schon andere Investigativjournalisten? Wohl kaum: Letzte Zweifel daran, dass es sich bei den Protagonisten um „echte“ Apotheker handelt, werden dadurch ausgeräumt, dass der DAZ-Redaktion per anwaltlichem Schreiben rechtliche Konsequenzen angedroht werden, falls ihre Mandanten so beschrieben werden, dass sie identifizierbar sind.

Lücke im Anti-Korruptionsgesetz?

Peter Schneiderhan, Oberstaatsanwalt in Stuttgart und Präsidiumsmitglied beim Deutschen Richterbund, weist in dem Filmbeitrag darauf hin, dass je komplizierter der Aufbau einer solchen Kette von Leistungen und Gegenleistungen sei, desto schwieriger sei es, diese aufzukären. Auch das neue Anti-Korruptionsgesetz hat hier laut Schneiderhan eine entscheidende Lücke: „Uns fehlt die Möglichkeit der verdeckten Ermittlung, die wir im Bereich der Korruption im Geschäftsleben haben. Das ist die Telefonüberwachung, und das ist das Abhören des gesprochenen Wortes im öffentlichen Raum.“ Beides sei aber notwendig, um die im Geheimen getroffenen Absprachen do­kumentieren und damit die Täter überführen zu können. „Wenn man über Telefonüberwachung oder Abhören von Gesprächen im öffentlichen Raum in ein Ermittlungsverfahren gehen kann, hat man von Anfang an ganz andere Chancen, als wenn man sofort mit offenen Ermittlungsmaßnahmen versucht, einen Sachverhalt aufzuklären. Die Betroffenen erfahren ja dann unmittelbar, dass Ermittlungen gegen sie laufen, und können dementsprechend Beweismittel beseitigen.“

Das Bundesjustizministerium verweist hierbei gegenüber Panorama auf den „Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Heilberufsangehörigen“. Deshalb habe man bewusst auf die Telekommunikationsüberwachung verzichtet. Aus Sicht des Ministeriums sei es nicht so, dass der Ermittlungserfolg „mit der Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung steht und fällt“.

Dem stimmt Schneiderhan nicht zu. Seiner Ansicht nach hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, dieses enge Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch besondere Schutzmaßnahmen aus den Ermittlungsmaßnahmen herauszunehmen. „Vielfach finden diese Gespräche ja nicht in diesem Arzt-Patienten-Verhältnis statt, sondern zwischen Arzt, Apothekern und Pharmavertretern. Diese Unterhaltungen bedürfen keines besonderen Schutzes.“

Peterseim: „Exotischer Einzelfall“

Doch wie häufig sind solche Fälle tatsächlich? Dr. Klaus Peterseim, Präsident des Verbandes der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker e. V., hält es für absurd, dass Gelder in der genannten Größenordnung fließen, es müsse sich um einen „exotischen Einzelfall“ handeln. Grundsätzlich habe es schon immer wieder einmal Versuche von Apothekern gegeben, Ärzte zur Zuweisung von Rezepten zu bewegen, indem Praxisräumlichkeiten überlassen oder Personalkosten übernommen würden. Dies werde nun hoffentlich durch das Anti-Korruptionsgesetz beseitigt. Natürlich komme das auch bei Zytostatika-herstellenden Apothekern vor, aber vermutlich nicht öfter als bei anderen. An ihn selbst sei noch kein Onkologe herangetreten und auch aus seinem Verband sind ihm keine Fälle bekannt, dass Apotheker einen Onkologen an einen Kollegen aufgrund von Geldzahlungen verloren hätten.

Bleiben noch etliche offene Fragen: Handelt es sich wirklich um einen exotischen Einzelfall oder tatsächlich, wie vom Onkologen Dr. Fritz beschrieben, um eine gängige Praxis? Und fehlen den Ermittlern in der Tat die nötigen Werkzeuge, um entsprechende Fälle aufzuklären? Oder muss man die vorhandenen Möglichkeiten nur richtig nutzen? Panorama und Stern werden vermutlich auch in Zukunft nicht lockerlassen, um diese Fragen zu beantworten. |


Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Wem genug zu wenig ist ...".

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