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Gesundheitspolitik
14 Monate auf Bewährung für falsche Tabletten
Seniorin war nach Einnahme verstorben – Apotheker wegen fahrlässiger Tötung verurteilt
Als ein Apotheker aus dem Kreis Minden-Lübbecke an einem Samstagnachmittag vor gut zwei Jahren beim Haus seiner 78-jährigen Kundin klingelte, wollte er der herz- und nierenkranken Patientin ihre dringend benötigten Tabletten bringen. Doch statt des verschriebenen Phosphatbinders Renvela® (Sevelamercarbonat) hatte er den Calciumkanalblocker Verapamil (Veramex®) eingepackt.
Die Tochter der Seniorin hatte das Rezept drei Tage zuvor in einer Rezeptsammelbox des Apothekers abgegeben. Als die benötigten Tabletten am Freitagabend noch nicht ausgeliefert waren, fragte sie nach. Der Apotheker bestellte das Arzneimittel laut Aussage der Tochter und brachte es später vorbei. Dem Schwiegersohn der Seniorin erklärte er, sein Computer sei abgestürzt gewesen – sodass er vor der Auslieferung keinen Abgleich mehr habe machen können.
Kein Verdacht, da öfter Wechsel bei Generika
Am Samstag sortierte die Tochter die Medikamente in die Wochenbox. Die Verpackung der vom Apotheker vorbeigebrachten Medikamente sah zwar anders aus, Tochter und Mutter wurden aber nicht stutzig, da immer mal wieder unterschiedliche Generika abgegeben worden seien.
Im Laufe des Abends klagte die Seniorin über Durchfall, am nächsten Morgen hatte sie Magenschmerzen, am Abend war sie tot. Der Notarzt nahm eine natürliche Todesursache wie einen Herzinfarkt oder Rhythmustod an.
Am nächsten Tag rief der Apotheker an und fragte nach, welches Arzneimittel er gebracht habe, erklärte die Tochter später vor Gericht. „Oh, das tut mir leid!“, habe er gesagt, als sie ihm den Namen des falschen Arzneimittels nannte und sagte, dass ihre Mutter verstorben sei. Am frühen Abend sei der Apotheker vor der Haustür gestanden und habe erklärt, einen Fehler gemacht zu haben.
Ein toxikologisches Gutachten sollte dies später bestätigen: Im Blut der Verstorbenen wurde Verapamil in einer Konzentration von 3,2 Mikrogramm pro Milliliter festgestellt, laut Gutachter ist schon ein Blutspiegelwert ab 1,5 bis 2,5 Mikrogramm pro Milliliter tödlich. Laut Schwiegersohn wäre ohne die Erklärung des Apothekers niemand auf die Idee gekommen, die Medikamente zu prüfen.
Nach umfangreichen Beweiserhebungen und Zeugenbefragungen sprach das Amtsgericht Minden den Apotheker in erster Instanz schuldig. „Die Verwechslung des Medikaments durch den Angeklagten ist kausal für den später eingetretenen Tod“, erklärten die Richter – und verwiesen auf die Pflichten von Apothekern, die „sorgfältig und gewissenhaft“ zu prüfen hätten, welche Arzneimittel sie abgeben. Der verstorbenen Seniorin wie auch ihrer Tochter gaben sie keine Schuld an der tragischen Verwechslung, „da es in der Vergangenheit bereits häufiger zur Verschreibung von Generika gekommen war“.
Staatsanwaltschaft forderte nur Geldstrafe
Laut den Richtern handelte der Apotheker rechtswidrig, schuldhaft und sorgfaltswidrig: Aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten wäre es „bei erfolgter Kontrolle ohne Weiteres möglich gewesen, die Verwechslung zu erkennen und zu vermeiden“. Sie gingen weit über die vom Staatsanwalt geforderte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro hinaus, obwohl sie die eigene Aufklärung des Sachverhalts durch den Apotheker und seine vor Gericht geäußerte „glaubhafte und aufrichtige Reue“ berücksichtigten. Der Apotheker bekam eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, und muss eine Geldstrafe von 6500 Euro an den Kinderhospizdienst in Minden-Lübbecke zahlen.
Zwischenzeitlich hat der Apotheker Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. „Es verwundert, dass die Staatsanwaltschaft etwas fordert, und das Gericht geht weit über die Forderungen hinaus“, erklärte sein Anwalt Anfang August auf Nachfrage von DAZ.online.
Wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, werden sich die zuständige Bezirksregierung und die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit dem Verfahren beschäftigen. Die Bezirksregierung prüft, welche berufsrechtlichen Folgen der Irrtum und das Urteil für den Apotheker haben werden. Im schlimmsten Fall droht ihm der Entzug der Approbation durch die Bezirksregierung. Falls dies nicht erfolgt, könnte ihm das Berufsgericht beispielsweise einen Verweis erteilen.
Kaum vorstellbar ist, dass das Berufsgericht als schärfstmögliche Konsequenz die Berufsunwürdigkeit des Apothekers feststellt, die wiederum die Aberkennung der Approbation zur Folge hätte. In den vergangenen fünf Jahren habe es keinen ähnlichen Fall im Kammerbezirk gegeben, erklärte der Sprecher der Kammer gegenüber DAZ.online. |
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