Gesundheitspolitik

Wenig Innovation für viel Geld

Techniker Krankenkasse präsentiert Innovationsreport 2016

BERLIN (ks) | Für die gesetzlichen Krankenkassen sind die steigenden Arzneimittelausgaben ein Dauerthema. Daran hat sich auch mehr als fünf Jahre nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) nichts geändert. Nun hat die Techniker Krankenkasse (TK) die Neueinführungen des Jahres 2013 bewerten lassen. Mit ernüchterndem Ergebnis.

Vorige Woche hat die TK im vierten Jahr in Folge einen „Innova­tionsreport“ vorgelegt – eine „Studie zur Versorgung mit innovativen Arzneimitteln“ von Wissenschaftlern des Socium an der Universität Bremen. Untersucht wurden 23 im Jahr 2013 neu eingeführte Arzneimittel im Hinblick auf ihren therapeutischen Nutzen und ihre Marktentwicklung. Unter den 23 Präparaten waren neun Onkologika. Bei der Bewertung kam ein Ampelsystem zum Einsatz: Dieses bildet ab, wie es um die Verfügbarkeit bestehender Therapiealternativen, den Zusatznutzen und die Kosten steht. Aus diesen drei Bewertungskriterien ergibt sich dann ein Gesamtscore.

Nur eines der Präparate erreichte mit einer „grünen Gesamtampel“ die Bestnote: das Brustkrebs-Arzneimittel Pertuzumab (Perjeta® von Roche). Neun bewerteten die Wissenschaftler mit „gelb“; 13 – darunter auch drei Orphan Drugs – fielen mit „rot“ gleich ganz durch. Fünf dieser Arzneimittel haben die Hersteller mittlerweile vom Markt genommen. Dennoch wurden mehr als die Hälfte der Präparate bereits in die medizinischen Leitlinien aufgenommen. Und auch in der Versorgung kommen selbst die „rot“ bewerteten Mittel durchaus zum Einsatz.

Packungspreise haben sich verdoppelt

Dass die qualitative Bewertung so mäßig ausfällt, überrascht TK-Chef Jens Baas nicht allzu sehr. Im Jahr zuvor waren die Ergebnisse nicht besser. Was ihn jedoch fuchst: Trotzdem sich die Qualität der neuen Arzneimittel laut TK-Bewertung nicht verbessert hat, hat die Kasse im vergleichbaren Zeitraum das Doppelte bezahlt. Der durchschnittliche Packungspreis eines neuen Präparates habe sich von 670 auf 1418 Euro erhöht, so Baas.

Dennoch zieht die TK eine nicht nur schlechte Fünf-Jahres-Bilanz zum AMNOG: Das Prinzip sei richtig, betonte Baas. Doch die Umsetzung verlaufe problematisch. Nicht zuletzt nach dem Pharmadialog erwartet er eine weitere Verwässerung der guten Grundsätze. Obwohl das AMNOG seine Einsparziele nicht erreicht habe, sei die Politik der Pharmaindustrie „unverhältnismäßig entgegengekommen“ – zulasten der Beitragszahler. Beispiel: die geplante Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro. Wenn sie überschritten ist, soll der Erstattungsbetrag künftig rückwirkend bereits im an sich nicht preisgebundenen ersten Jahr im Markt gelten. Diese Schwelle hält die TK für zu gering, nur wenige Arzneimittel wären bislang an sie herangekommen.

Petra Thürmann, eine der Herausgeberinnen des Reports, wies darauf hin, dass die neuen Präparate erstaunlich selten für die häufigsten vorkommenden Erkrankungen bestimmt sind. Lediglich neue Cholesterinsenker oder Antidiabetika habe es gegeben – doch diese seien wieder vom Markt genommen worden. Wirklich Neues und Besseres gebe es für die Patienten nicht. Thürmann würde sich mehr Innovation auch bei den Volkskrankheiten wünschen. Und Fortschritte bei der Behandlung der Demenz – vor dieser hätten die Menschen noch mehr Furcht als vor Krebserkrankungen.

Mit ihrem Innovationsreport will die TK vor allem Ärzte ansprechen: Sie sollen sich schnell über neue Arzneimittel informieren können. Denn das will die TK nicht der Pharmaindustrie überlassen. Für Baas ist daher auch ein „Fehler“, dass nach den Ergebnissen des Pharmadialogs die Hersteller ein Mitspracherecht bei der geplanten Arztinformation haben sollen. Ihren Report sieht die TK hingegen als Vorbild hierfür – wohlwissend, dass die Ampel-Bewertung für die Industrie ein rotes Tuch ist. Die Pharmaverbände reagierten erwartungs­gemäß: empört und zeigten dem Report ihrerseits die „rote Karte“. |

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