Foto: gallas - Fotolia.com

Management

Geomarketing für Apotheken

Mehr als das bloße Sammeln von Daten

Wie viele Internisten gibt es im Hamburger Stadtteil Eppendorf? Wie viel Geld geben die Einwohner von Erfurt im Durchschnitt für OTC-Produkte aus? Und wie hoch ist der mögliche Apotheken­umsatz an einem ganz bestimmten Standort in München-Pasing? Statistische Angaben wie diese sind, auch wenn sich das zunächst ein wenig erschreckend anhören mag, längst in einer Vielzahl von Datenbanken verfügbar.

Vor gut zehn Jahren galt dieses Material bereits, wie das „Handelsblatt“ einmal schrieb, „als einer der wertvollsten Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“. Inzwischen aber sind solche Zahlenkolonnen nahezu für jeden abrufbar, ohne dafür einen großen Aufwand betreiben zu müssen. Die Kunst besteht also nicht mehr darin, möglichst viele Erkenntnisse über die Bevölkerung und damit über die Konsumenten zu sammeln, sondern möglichst viele dieser Datensätze sinnvoll miteinander zu kombinieren. Für jeden Einzelhändler – und damit auch für jeden Apotheker – gilt es daher, nicht nur die Zahl der Ärzte und der potenziellen Patienten in seiner Umgebung, sondern ebenso die vorhandenen Verkehrsbeziehungen, die Kundenströme und die herrschende Wettbewerbssituation möglichst punktgenau in solche Berechnungen mit einfließen zu lassen.

Foto: gallas – Fotolia.com (Heidelberg)
Wo gibt es Kunden? Geomarketing berücksichtigt bei einer Analyse viele Merkmale eines potenziellen Standortes, z. B. zu Einwohner- und Infrastruktur, Kaufkraftpotenzial eines Stadtviertels. Auch Affinitäten der Bevölkerung für Fitness- und Wellnessangebote sowie ihr Internetverhalten gehören dazu.

Ein Einzelner kann das für sich ­allein in aller Regel nicht leisten und ist deshalb auf seine subjektiven Eindrücke, auf individuelle Erfahrungen sowie aufs Hörensagen angewiesen. Um also genau herauszufiltern, welche Medikamente etwa im Hamburger Stadtteil Eppendorf von Diabetes-Patienten ­bevorzugt eingenommen werden, welche Gesichtscremes in Erfurt hauptsächlich verkauft werden oder wie hoch die durchschnittlichen Aufwendungen der Bevölkerung von München-Pasing für Nahrungsergänzungsmittel sind, bedarf es ausgetüftelter Programme, die Korrelationen zwischen möglichst vielen Datenpaketen herstellen.

Gezielte Umsatz- und Ertragssteigerung

Unter dem weit gefassten Begriff Geomarketing werden daher von den unterschiedlichsten Seiten Konzepte und Strategien ange­boten, die zu einer gezielten Umsatz- und Ertragssteigerung führen sollen. Eine Standardisierung gibt es in diesem Bereich allerdings nicht, weshalb zahlreiche einfache, aber eben auch wenig aussagekräftige Berechnungen vorgenommen werden. Über Google Places etwa lässt sich stundengenau ermitteln, zu welcher Zeit sich die meisten Menschen, sofern sie ihr Smartphone dabei hatten und Google-Nutzer sind, an einer bestimmten Stelle in einer bestimmten Stadt aufgehalten haben. Genauso gut könnte ein Apotheker jedoch auch von ­einem Mitarbeiter die Passanten auf der Straße zählen lassen.

„Datensammelwut“ ohne konkreten Nutzen?

Ausgetüftelte Systeme, in denen die richtigen Komponenten zusammengeführt werden, taugen da sicher deutlich mehr, auch wenn nicht alle Berater im Gesundheitswesen auf dieses Pferd setzen. Tilo Stolzke etwa, Inhaber und Geschäftsführer der sananet GmbH in Lübeck, hält „nicht sehr viel von der Datensammelwut“. Er glaubt, „dass eine Apotheke mit dem Wissen, wie viele Senioren im Umkreis von 500 Metern leben, keinen Vorteil hat“. Weil das nicht viel bringe, setze seine Unternehmensberatung auf spezielle Analysen, die bei der Filialisierung helfen könnten. „Wir verfolgen und analysieren, wie sich die Patienten- und Kundenströme räumlich verteilen. Daraus abzuleiten, wo sich was entwickeln lässt, bringt den praktischen Nutzen.“

100 Merkmale als Basis für die Analyse

Dass Stolzke das Geomarketing auf diese Weise abtut, kann Marco Benz von der Göppinger apomind GmbH nicht nachvoll­ziehen. „Die Analyse kann ich als zweiten Schritt doch überhaupt erst machen, wenn ich im ersten Schritt eine fundierte Basis dafür gelegt habe.“ Allgemeine und damit wenig aussagekräftige Konzepte ­gebe es schließlich mehr als genug, ergänzt er. Die apomind GmbH setzt deshalb auf einen breiten Pool von nahezu 100 Merkmalen, die das Umfeld und das Einzugsgebiet einer Apotheke charakterisieren. Die Einwohner- und Infrastruktur, die zukünftige Bevölkerungsentwicklung, das Pendlerverhalten und das Kaufkraftpotenzial eines Stadtviertels gehören ebenso dazu wie das durchschnittliche Haushaltseinkommen, die Einzelhandelszentralität, der Kaufkraftabfluss sowie die Ärzte- und Apothekendichte. Interessant sind aber auch die in einem Quartier vorherrschenden Krankheitsindikationen, die Affinitäten der Bevölkerung für Fitness- und Wellnessangebote sowie ihr Internet­verhalten.

Darauf aufbauend hat Benz durch die Verknüpfung der Datenpakete verschiedene Analysetools ent­wickeln lassen. Zum einen ist er damit in der Lage, für einen bestimmten Standort zu berechnen, wie hoch der mögliche Apothekenumsatz ist, und daraus abzuleiten, was zu tun ist, um dieses Umsatzpotenzial auch zu nutzen. Zum ­anderen kann die apomind GmbH einfache Analysen über das Umfeld der Apotheke erstellen, damit der Inhaber in der Lage ist, sämtliche Marketing- und Kommunikationsaktivitäten auf seine Zielgruppen und auf die ­Bedürfnisse der Einwohner in ­seiner Umgebung auszurichten.

Planen in gesättigten Märkten

Des Weiteren wurde eine White-Spot-Analyse erarbeitet. Dazu wurde das gesamte Bundesgebiet in sogenannte Cluster eingeteilt. Genau für diese Cluster liegen die oben genannten Informationen ebenfalls vor. „Dadurch sind wir in der Lage, nach einem Apothekenstandort zu suchen, der den von einem Kunden gewünschten Kriterien in idealer Weise entspricht“, betont Marco Benz. Im nächsten Schritt könnten dann eine Standort-Profil-Analyse beziehungsweise eine Standort-­Potenzial-Analyse folgen, fährt er fort.

Die Standort-Potenzial-Analyse ist dabei das genauere Instrument, weil sie nicht nur die Daten aus einem bestimmten Radius berücksichtigt, sondern ein exaktes Einzugsgebiet ausweist, auf dessen Basis der zu erwartende Umsatz einer Apotheke ermittelt wird. So werden hier etwa Verkehrswege, die als imaginäre Trennlinien fungieren, genauso einbezogen wie beispielsweise der Einfluss der Wettbewerber.

Auch für kleinere Apotheken lohnend

Dass diese Modelle nicht nur für die „großen Fische“ von Bedeutung sind, unterstreicht Klaus ­Greve, Professor am Geographischen Institut der Universität Bonn. Auch für kleinere Betriebe und Unternehmen lohnten sich der Aufwand und die Ausgaben, erklärt der Experte, der in den Bereichen Fernerkundung und Geoinformationssysteme forscht und arbeitet.

„Geomarketing ist ganz sicher ein Mittel, um auf ­gesättigten Märkten zielgenauer zu planen und die Kosten zu ­senken“, so ­Greve. Doch welche Kosten kommen auf Apotheken zu? Die apomind GmbH hat ihr Angebot so gestaltet, dass es auch für kleinere Apotheken ­erschwinglich sein soll – für das Basispaket werden un­gefähr 2500 Euro fällig. |

Andreas Pflüger

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.