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Gesundheitspolitik
Österreich: dm macht Jagd auf OTCs
„Individualantrag“ beim Verfassungsgerichtshof soll Apothekenpflicht beenden
dm Österreich hat beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einen „Individualantrag“ eingereicht mit dem Ziel, dass künftig auch Drogerien nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen. Untermauert wird dieser durch ein Gutachten vom ehemaligen Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, dem Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer. Dieser kommt, so die Pressemeldung von dm, „zweifelsfrei zum Schluss, das grundsätzliche Verbot der Abgabe von rezeptfreien Arzneimitteln (OTC) durch österreichische Drogisten sei verfassungswidrig“. Dabei beruft er sich vor allem auf die Parallelen zum Versandhandel.
Mit dem grundsätzlichen Verbot der Abgabe von nicht rezeptpflichtigen Arzneispezialitäten durch Drogisten in Selbstbedienung werde, so Mayer, vor allem das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Arzneimittelkonsumenten verfolgt. Dazu sei ein Verbot der Abgabe ohne pharmazeutische Beratung zwar grundsätzlich geeignet. Ein anderes Bild ergebe sich jedoch angesichts der Tatsache, dass die Abgabe von nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch Drogisten in Selbstbedienung grundsätzlich auch dann untersagt sei, wenn eine Beratung in gleicher Form wie beim erlaubten Fernabsatz durch Apotheken angeboten werde – nämlich eine fakultative pharmazeutische Beratung per Internet, E-Mail oder Telefon. „In beiden Fällen muss der Arzneimittelkonsument bzw. die für ihn entscheidende Person selbst aktiv werden, um eine pharmazeutische Beratung zu erhalten“, so Mayer; daher sehe er keinen wesentlichen Unterschied, der eine rechtliche Ungleichbehandlung von (Versand-)Apotheken und Drogerien sachlich begründen könnte.
Spätestens in einem Jahr erwartet dm eine Entscheidung, so das österreichische Handelsmagazin Cash. Sollte der VfGH zugunsten von dm entscheiden, rechnet die Drogeriemarkt-Kette mit einem Zusatzumsatzpotenzial von 35 bis 80 Mio. Euro. Das OTC-Startsortiment soll rund 200 Artikel umfassen.
Laut ORF.at soll analog zum Onlineverkauf in den dm-Filialen eine Gratishotline mittels Telefon oder Internet zu einem Pharmazeuten eingerichtet werden. Dann werde, so dm-Sprecher Stefan Ornig gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA, dieselbe Beratungsqualität wie von Apothekern gewährleistet.
Der österreichische dm-Geschäftsführer Harald Bauer weist vor allem auf die Sparmöglichkeiten für die Bevölkerung hin: dm könne Arzneimittel rund 20% billiger anbieten.
Apotheker reagieren gelassen
Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan, misst der Initiative von dm nur geringe Erfolgsaussichten bei: dm probiere schon seit Jahren, sich im Arzneimittelmarkt auszubreiten. Die Apothekerkammer habe der Politik die Arzneimittelsicherheits-Aspekte vermittelt und diese stehe hinter den Apothekern und hinter der Versorgungssicherheit der Patienten. Sofern die Gesundheits- und die Versorgungsaspekte gewürdigt würden, könne man dem Verfahren gelassen entgegensehen.
„Herzig“ sei das von dm angeführte Argument der Ungleichbehandlung von Drogerien und Apotheken. Gerade dm sei ein Rosinenpicker, wenn es sich 200 Medikamente herauspicke und diese bis zu 20% günstiger anbiete, aber einerseits ausschließlich diese „Renner“ im Sortiment habe und andererseits keine Nacht- und Notdienste leiste und keine Rezepturen herstelle.
Auch der von dm angeführte Vergleich mit dem Versandhandel stimme so nicht: In Österreich müsste laut Versandhandelsverordnung jede Bestellung von einem Apotheker überprüft werden, und falls die Arzneimittelsicherheit dies erfordere, müsse der Apotheker aktiv Kontakt mit dem Kunden aufnehmen. Das sei nicht damit vergleichbar, was dm wolle, nämlich dem Anruf des Kunden bei einer Hotline. Frage der dm-Kunde dagegen die Kassiererin, so werde er in die Apotheke geschickt, es komme also, so Wellan, zum „Beratungsdiebstahl“.
Ohnehin hat Wellan wenig Zutrauen zur Kompetenz von dm in Sachen Apothekenmarkt: Gerade habe man den Handel mit Apothekenkosmetik eingestellt, und der Versandhandel über die Apotheke Zur Rose habe auch kaum Erfolg. Und nun, so Wellan weiter, rechne man bei dm bezüglich der OTC-Arzneimittel mit Zahlen aus dem Konsumgüterbereich und könne sich nicht vorstellen, was hinter der apothekerlichen Leistung stehe, beispielsweise auch bei Kontroll- und Rückrufaktionen.
Von der AZ danach gefragt, was die österreichische Apothekerkammer nun konkret unternehme, verweist Wellan auf die Kontakte zu Behörden und Politik sowie die Information der Medien. Ein wichtiges Argument sei dabei, dass es in dem österreichischen „bedarfsgeregelten System“ auch Apotheken in Wohngegenden gebe, die nicht so gut liefen, aber den Standort nicht ändern könnten. Würden die OTC-Arzneimittel wegfallen, wäre die Versorgung gefährdet.
Dass die Pressearbeit sehr erfolgreich ist, zeigt der Blick auf Österreichs Medien: Große Tageszeitungen wie die Salzburger Nachrichten, der Standard und der Kurier sowie etliche Nachrichtenportale im Internet geben detailliert die Sichtweise der Apotheker wieder. |
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