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Vorerst keine Impfpflicht
Masern-Ausbruch und Todesfall in der Hauptstadt entfachen Diskussion neu
Die Masern grassieren derzeit in Berlin besonders stark. Der Ausbruch ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bundesweit einer der größten seit Geltung des Infektionsschutzgesetzes aus dem Jahr 2001. Mehr als 570 Fälle sollen dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales seit Oktober bis vergangenen Montag gemeldet worden sein – mehr als bundesweit im gesamten vergangenen Jahr. Zu rund 90 Prozent waren die Erkrankten nicht geimpft. Am vergangenen Montag meldete die Senatsverwaltung überdies den Tod eines Kleinkindes aus Berlin-Reinickendorf. Auch der 18 Monate alte Junge war nicht gegen Masern geimpft.
Impfung schützt einen selbst und andere
Das zeige, betonte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), wie wichtig ein guter Impfschutz sei. Er rät daher dringend dazu, den eigenen Impfstatus überprüfen zu lassen und die empfohlenen Impfungen nachzuholen. Sie seien sicher und würde von der Krankenkasse bezahlt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die erste Impfung gegen Masern als Masern-Mumps-Röteln-Kombinationsimpfung (MMR) bei Kindern im Alter von elf bis 14 Monaten. Eine zweite Impfung sollte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen. Für die Masern-Elimination wäre eine Impfquote von 95 Prozent für die zwei von der STIKO empfohlenen Impfungen erforderlich.
Scharfe Kritik übte der Minister an der verantwortungslosen und „irrationalen Angstmacherei“ mancher Impfgegner: Wer seinem Kind den Impfschutz verweigere, gefährde nicht nur das eigene Kind, sondern auch andere, mahnte er. Gesundheitspolitiker der schwarz-roten Koalition drohten bereits mit der mittelfristigen Einführung einer Impfpflicht. Vonseiten der Grünen und Linken gibt es dafür allerdings Widerspruch: Ihrer Meinung nach geht ein Zwang zur Impfung zu weit und grenzt das Selbstbestimmungsrecht der Eltern zu sehr ein. Statt durch Zwang sollten Impfskeptiker durch umfassende, unabhängige Beratung zum Umdenken gebracht werden.
Apotheker, Ärzte und Kassen sind für die Impfung
Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg empfiehlt dringend, das Angebot der Masernimpfung wahrzunehmen. Die Impfrisiken hält sie für überschaubar. Insbesondere rät die Kammer davon ab, Kinder bewusst mit Masern zu infizieren. „Ich warne eindringlich alle Eltern vor sogenannten Masernpartys“, so Präsident Dr. Günther Hanke. Wer seine Kinder absichtlich dieser Gefahr aussetze, mache sich eventuell strafbar und riskiere bleibende Schäden bis hin zum Tod.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hält die aktuelle Situation aus medizinischer Sicht für eine „Katastrophe“. Besonders kleine Kinder unter einem Jahr – die noch nicht geimpft werden sollten – seien besonders gefährdet und könnten nur geschützt werden, wenn das Umfeld geimpft sei, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, fordert daher die Impfpflicht: Die eigenen Kinder nicht gegen Masern impfen zu lassen, sei verantwortungslos, sagte er den „Ruhr Nachrichten“.
Bei den Krankenkassen hält man die Impfung ebenfalls für sinnvoll. Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, appellierte in der „Rheinischen Post“ an die Eltern: „Wenn es um das Leben von Kindern geht, die noch nicht allein entscheiden können, sollten wir auch einmal aufhören zu diskutieren und uns an das halten, was uns Medizin und Wissenschaft lehren.“ Bislang müssen die Kassen die Kosten für eine Impfung nur für nach 1970 Geborene übernehmen. Weil vermehrt auch Erwachsene erkranken, sollten sie die Kosten aber auch für vor 1970 Geborene übernehmen, forderte der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz. Die Barmer GEK betonte in einem Impf-Aufruf, sie übernehme auch für diesen Personenkreis die Kosten.
Zunächst Aufklärung statt Zwang
Gröhe selbst fordert angesichts der zu großen Impflücken in Deutschland nun „einen Kraftakt“, um die Impfbereitschaft zu steigern. Im Präventionsgesetz wird daher gesetzlich festgeschrieben, dass bei der Aufnahme in die Kita ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden muss. Außerdem muss bei Gesundheitsuntersuchungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen künftig der Impfstatus überprüft werden und eine Impfberatung erfolgen. „Wir müssen die Eltern davon überzeugen, wie gefährlich diese Krankheit ist“, so Gröhe. Wenn all diese Maßnahmen nicht helfen, betonte er aber auch, „kann eine Impfpflicht kein Tabu sein“. |
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