Arzneimittel und Therapie

Ginkgo besser als Placebo

Demenz-Patienten mit neuropsychiatrischen Symptomen profitieren

Demenzerkrankungen spielen in unserer älter werdenden Gesellschaft eine immer größere Rolle. Die Therapiemöglichkeiten sind noch unbefriedigend, im besten Falle verzögert eine pharmakologische Intervention das Fortschreiten der Erkrankung. Derzeit erfolgt eine Therapie mit einem Acetylcholin­esterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) oder mit dem nicht-kompetitiven NMDA-­Antagonisten Memantin. Seit vielen Jahren kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Effektivität eines Spezialextraktes aus den Blättern von Ginkgo biloba (EGb 761®). Die pharmazeutische Biologin Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems, Berlin, hat die Datenlage gesichtet.

Vor dem Hintergrund einer Reihe von sowohl positiven als auch negativen Studienergebnissen kam ein Cochrane-Review von 2007 zu dem Schluss, dass die bisherige Studienlage zu Ginkgo biloba inkonsistent und wenig überzeugend sei, und auch in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie zur Prävention, Diagnostik und Therapie von Demenzerkrankungen aus dem Jahr 2009 wird attestiert, dass es keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit Ginkgo-haltiger Präparate gebe. Etwas vorsichtiger äußerte sich 2008 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das nach sorgfältiger Analyse verschiedener Studien zumindest für das Therapieziel „Aktivitäten des täglichen Lebens“ durchaus einen Beleg für einen Nutzen von EGb 761® bei Verwendung einer Dosis von 240 mg pro Tag erkennen konnte. Zur Größe eines möglichen Effektes konnte allerdings aufgrund der Heterogenität der Studien keine Aussage gemacht werden.

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240 mg eines Spezialextraktes aus Ginkgo biloba zeigten besonders bei Demenz-Patienten mit neuro­psychiatrischen Symptomen wie Angst, Depression, Reizbarkeit oder Agitation positive Effekte.

In einer aktuellen Metaanalyse gingen Serge Gauthier und Sandra Schlaefke nun erneut der Frage nach, ob der Extrakt EGb 761® (Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Karlsruhe) eine bessere Wirkung auf die Kognition, aber auch auf andere mit einer Demenzerkrankung assoziierte Symptome zeigt als die Einnahme eines Placebos. Eingeschlossen wurden Studien aus den Literaturdatenbanken PubMed, EMBASE und PASCAL. Es konnten sieben randomisierte, doppelblinde Studien identifiziert werden, die den Einschlusskriterien entsprachen. Diese Kriterien bestanden darin, dass es sich bei der Studienpopulation um eindeutig diagnostizierte Demenz-Patienten mit leichter bis mittelschwerer Symptomatik handeln musste, die für mindestens 20 Wochen entweder mit EGb 761® oder Placebo behandelt wurden. Untersucht wurde sowohl der Einfluss der Dosis (120 mg oder 240 mg EGb 761® am Tag) als auch der Effekt auf spezielle Patientenkollektive, nämlich solche mit ausgeprägten neuropsychiatrischen Symptomen. Außerdem wurde die Sicherheit von EGb 761® analysiert.

Heterogene Daten

Insgesamt wurden in den analysierten Studien 2625 Patienten (1396 in der EGb 761®-Gruppe und 1229 in der Placebo-Gruppe) behandelt. Anschließend wurde der Einfluss der Medikation auf die kognitiven Fähigkeiten, auf die Aktivitäten des täglichen Lebens und auf den klinischen Gesamteindruck bewertet. Zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten wurde in der Mehrzahl der Studien der Syndrom-Kurztest (SKT) verwendet. In fünf der sieben Studien schnitt EGb 761® signifikant besser ab als Placebo [standardisierte Mittelwertsdifferenz (SMD) -0,52; 95% Konfidenzintervall [CI] -0,98 bis -0,05; p = 0,03], wobei sich der Effekt als dosisabhängig erwies. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass insbesondere Patienten mit neuropsychiatrischen Symptomen von der Behandlung mit Ginkgo profitieren. Ähnliche Ergebnisse wurden bei der Untersuchung des Einflusses von EGb 761® auf die Aktivitäten des täglichen Lebens [SMD -0,44; 95% CI -0,68 bis -0,19; p < 0,001] und auf den klinischen Gesamteindruck [SMD -0,52; 95% CI -0,92 bis -0,12; p =0 ,01] erhalten.

Betrachtet man die Ergebnisse der untersuchten Studien genauer, so offenbart sich allerdings ein Problem der Metaanalyse, nämlich eine erhebliche Heterogenität der Daten, die insbesondere durch eine Studie mit extrem positiven Ergebnissen verursacht wird. Die Autoren geben allerdings an, dass die Signifikanz auch bei einem Ausschluss der besagten Studie erhalten bleibt. Bezüglich der Sicherheit zeigte sich eine leichte Erhöhung unerwünschter Wirkungen in der Verum-Gruppe verglichen mit Placebo, wobei als häufigste Nebenwirkungen Kopfschmerzen und Schwindel genannt wurden. Die Autoren der Metaanalyse schlussfolgern, dass bei einer täglichen Behandlung mit 240 mg EGb 761® klinisch signifikante Effekte bei gleichzeitig guter Verträglichkeit erzielt werden können. Einen besonderen Vorteil sehen sie für Patienten mit zusätzlichen neuropsychiatrischen Symptomen, womit sich auch das negative Ergebnis einer untersuchten Studie erklären ließe, bei der Patienten mit klinisch relevanten neuropsychiatrischen Symptomen konsequent ausgeschlossen wurden.

Die aktuelle Metaanalyse von Gauthier und Schlaefke bestätigt damit die Ergebnisse weiterer kürzlich publizierter Metaanalysen und belegt, dass EGb 761® in adäquater Dosierung zumindest in bestimmten Patientenkollektiven einen signifikant besseren Behandlungserfolg verspricht als Placebo. Um genauer beurteilen zu können, welche Patienten am ehesten profitieren, wären weitere Studien sicher wünschenswert. Bevor Ginkgo-haltige Fertigarzneimittel allerdings als Therapieoption bei Demenz-Erkrankungen in Betracht gezogen werden können, bliebe noch die Frage zu klären, wie der klinische Effekt einer Behandlung mit EGb 761® im Vergleich zur aktuellen Standardmedikation, also einem Acetylcholinesterase-Hemmer oder Memantin, zu bewerten ist. Trotz dieser weiterhin ungeklärten Fragen kommt zumindest die Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie in ihren aktuellen „Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD)“, Stand November 2014, zu dem Schluss, dass der Einsatz von EGb 761® zur Behandlung der BPSD (also einem Symptomkomplex, der Angst, Reizbarkeit, Apathie und Depression einschließt) empfohlen werden kann. |

Quelle

Gauthier S, Schlaefke S. Efficacy and tolerability of Ginkgo biloba extract EGb 761® in ­dementia: a systematic review and meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. Clin Interv Aging 2014;9:2065-2077

Tan MS et al. Efficacy and adverse effects of Ginkgo biloba for cognitive Impairment and dementia: A systematic review and ­meta-analysis. J Alz Dis 2015;43:589-603

Savaskan E et al. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD), www.sgap-sppa.ch

Apothekerin Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems

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