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Schwerpunkt Existenzgründung
Die zweite Filiale, jetzt!
Warum ein Apotheker weiter filialisieren will
Apotheken sterben, das Apothekenhonorar wird in absehbarer Zeit kaum erhöht, der OTC-Markt stagniert – die Zeiten für Neugründungen waren schon mal besser. Und dennoch, es gibt sie, die Apotheker, die echte Unternehmer sind, die Gelegenheiten beim Schopf packen und an die Zukunft glauben. Volkhard Lechler, 52 Jahre alt, schwäbischer Vollblut-Apotheker, verwitwet, alleinerziehender Vater eines zehnjährigen Sohns und einer zwölfjährigen Tochter, Gitarrist und Singer-Songwriter aus Leidenschaft, ist so ein Macher. Seine erste Apotheke eröffnete er vor 17 Jahren im Stuttgarter Stadtteil Möhringen, seine erste Filiale folgte im Jahr 2006 im Stadtteil Sonnenberg. Und jetzt die zweite Filiale downtown Stuttgart, in einer Stadt, die nicht gerade arm an Apotheken ist. Man könnte sich zur Frage verleiten lassen: „Warum? Warum tut sich ein Apotheker das an?“ „Ganz einfach: Warum nicht?“, kommt seine Antwort wie aus der Pistole geschossen, „eine Filiale habe ich schon, warum sollte ich keine zweite dazu nehmen? Und er gesteht, dass er wohl vom Filialisierungsfieber gepackt ist: „Ich ertappe mich schon beim Gedanken an eine dritte Filiale!“ Auf den Punkt gebracht, was ihm an der Filialisierung gefällt: „Man steht nicht nur auf einem Bein“, so Lechler, „wenn eine Filiale temporär mal schwächelt, ist es einfacher, die anfallenden Kosten über die anderen Filialen aufzufangen.“
Standortsuche mit Glück und Zufall
Lechler beobachtet den Stuttgarter Apothekenmarkt schon seit einiger Zeit. Vor zwei Jahren entdeckt er ein passendes Objekt. Doch die Übernahme einer ins Auge gefassten Apotheke, deren Inhaber aufgibt, scheitert am Mietvertrag. Eine in Auftrag gegebene Standortanalyse zeigt ihm, die Region hat ausreichend Potenzial. Er wendet sich an einen Makler, der ihm schon bald neue Räume anbieten kann – der Zufall will es, dass diese Räume eines ehemaligen Elektrofachgeschäfts in unmittelbarer Nähe der Apotheke liegen, deren Übernahme wegen des Mietvertrags nicht zustande gekommen war. Lechler greift zu. Die Lage erscheint ihm sogar noch besser als die der mittlerweile geschlossenen Apotheke: „Es ist heute nicht mehr einfach, einen passablen Standort zu finden.“
Die Banken geben nichts
Dann geht es sofort los: Mietvertrag aushandeln und sich auf die Suche nach Geldgebern machen. Mit einem akzeptablen Businessplan, einer Großhandelsanalyse für diesen Standort, die einen auskömmlichen Umsatz prognostiziert, mit einem positiven Gutachten für diesen Stadtteil und voller Optimismus geht er zu den Banken – und erhält einen Dämpfer. Keine der herkömmlichen Banken, mit der er sprach, ist bereit, in die Finanzierung dieser Apothekenfiliale einzusteigen. Der Grund für die abweisende Haltung der Geldinstitute: Er kann kein Eigenkapital vorweisen. Selbst das positive Gutachten und die Analyse seines Großhändlers, die diesem Standort einen guten Jahresumsatz prognostizieren, können die Banker nicht überzeugen. „Das war eine neue Erfahrung für mich“, erinnert sich Lechler, „ohne Eigenkapital oder sonstige Absicherungen läuft zurzeit mit Banken nichts. Die Risikomanager der Banken wollen Sicherheiten sehen, sonst bekommt man kein Geld.“
Aber Lechler gibt nicht auf und findet einen anderen Finanzierungsweg, um seinen Filialtraum zu realisieren. Das Zauberwort heißt Leasing: „Alle Einrichtungsgegenstände, die Möbel und Geräte einschließlich meines Kommissionierautomaten habe ich geleast. Und für den Umbau der Räume habe ich meine Lebensversicherung abgetreten. Den Umbaukredit stellte mir meine Bausparkasse zur Verfügung, bei der ich noch Verträge laufen hatte.“
Anekdote am Rande: Die abweisende Haltung der Banken bei Apothekengründungen sind für Lechler nicht neu. Als er vor siebzehn Jahren seine Filderbahn-Apotheke gründete, musste er mit elf Banken sprechen, bevor er eine fand, die in das Projekt einstieg. „Die Apobank sagte damals sogar, diese Apotheke wird nicht funktionieren – heute gehören wir zu den größeren Apotheken Stuttgarts“, freut sich der Unternehmer. Die Zurückhaltung der Geldinstitute führt Lechler auch darauf zurück, dass so manche Banken nichts oder nur wenig vom Apothekengeschäft verstehen.
Potenzial ist vorhanden
Rund neun Monate dauert es vom Abschluss des Mietvertrags über die Genehmigungs- und Umbauphase bis zum Tag der Eröffnung seiner zweiten Filiale. Eigentlich wollte er die Filiale bereits im letzten November eröffnet haben, doch kleinere Probleme beim Umbau, Verzögerungen bei der Zulassung und Abnahme der Apotheke machen die Eröffnung erst Mitte Februar möglich.
Die Kundenzahlen der ersten Tage stimmen ihn zuversichtlich: Sein Soll wird er erreichen – dabei hat er noch nicht einmal für die Filiale geworben. Er weiß, wie wichtig es heute ist, die Kennzahlen der Apotheken zu verfolgen, für ihn gehört das zum „täglich Brot“: „Sie müssen heute unbedingt Ahnung von Betriebswirtschaft haben, wenn Sie eine Apotheke führen wollen. Mittlerweile macht es sogar Spaß, sich damit zu befassen und sich in diese Materie einzuarbeiten“, freut sich der Apotheker.
„Sicher“, so Lechler, „einfacher wäre es gewesen, eine bestehende Apotheke zu übernehmen. Alle Berater und Makler halten derzeit die Neugründung einer Apotheke für schwieriger als eine Übernahme, auch hinsichtlich der Finanzierung durch Banken.“ Aber er weiß, sein Standort hat gute Voraussetzungen – trotz Mitbewerber.
Ja, es gibt einige Apotheken in seinem Umkreis, drei bis vier Apotheken, die in seiner Nähe liegen. Und ja, er wird sich bei ihnen in den nächsten Tagen vorstellen: „Das gehört einfach dazu, zeitlich hatte ich es bisher allerdings noch nicht geschafft.“
Mit 21 Ärzten im Umkreis von zweihundert Metern sehen die Voraussetzungen nicht schlecht aus. Damit dürfte ausreichend Potenzial für ihn und die übrigen Apotheken vorhanden sein. „Wir wissen es: Ob eine Apotheke erfolgreich ist oder nicht, hängt von jedem einzelnen Apothekeninhaber ab und von dem, was er aus seinem Standort macht. Nicht zuletzt spielt vor allem die Empathie und die Art und Weise, wie man auf seine Kunden zugeht, eine ausschlaggebende Rolle“, ist Lechler überzeugt, „denn Aspirin haben wir alle, aber der Umgangston macht’s.“
Kooperation – ein Muss
Lechler hat sich aus Überzeugung für eine Kooperation entschieden. Seine Einkaufsgemeinschaft ist der MVDA, wo er sogar im Vorstand mitarbeitet. Als Kooperation kam folglich nur Linda infrage. Als überzeugter Lindianer hat er seine Filiale „Linda Apotheke West“ genannt und sie konsequent im neuen Linda-Look „Apotheke 2020+“ gestaltet: hell und freundlich, mit Linda-grünen Farbelementen, separaten weiß/dunkelbraunen HV-Tischen zur diskreten Beratung. Ein Plexiglas-Display mit emotionalen Fotos („Linda Bilderwelten“) und mit dem Schriftzug des Apothekennamens zieht sich unterhalb der Offizindecke entlang. Das neue Design der modulartigen Möbel wurde von Zürn für Linda entworfen und gebaut.
Ist er zufrieden mit seiner Kooperation? „Egal, welcher Kooperation Sie angehören: Es funktioniert nur, wenn man das Konzept, das dahinter steht, lebt“, ist Lechler überzeugt „andernfalls ist eine Kooperation nur teuer.“ Und er gesteht: „Mir persönlich gefällt das Linda-Grün nicht, aber mir muss es auch nicht gefallen. Aber die Kunden mögen es.“ Er schätzt die professionelle Marketingunterstützung, angefangen bei Tüten und Flyern bis hin zur Linda-eigenen Kundenzeitschrift. „Ich konnte meine Kunden in den beiden anderen Apotheken – trotz des medialen Werbedrucks einer bekannten Kundenzeitschrift – auf die Linda-Kundenzeitschrift umstellen“, freut sich der Apotheker.
Was er auch an Linda schätzt: Der Name ist bereits in der Bevölkerung angekommen und positiv besetzt. Dass Linda bisweilen schon als Kette wahrgenommen wird, stört ihn nicht:„Es ist ein bisschen so wie bei Edeka: inhabergeführte Geschäfte, die unter einem gemeinsamen Label firmieren.“
Eine Herausforderung: die Suche nach Mitarbeitern
„Bei der Suche nach Mitarbeitern für die neue Filiale habe ich einfach nur Glück gehabt“, ist sich Lechler bewusst, „allerdings habe ich bereits neun Monate vorher täglich mehrere Stunden in die Mitarbeitersuche investiert. Das kostet ungeheuer viel Kraft und Zeit.“ Er hat einen Filialleiter und zwei weitere Apothekerinnen eingestellt; eine von ihnen hatte ihr Praktikum in einer seiner anderen Apotheken absolviert, er konnte sie übernehmen. Außerdem fand er eine Vollzeit- und eine Teilzeit-PTA und eine PKA. Schon einige Monate vor der Eröffnung der neuen Filiale arbeitete sein neues Team in seinen anderen Apotheken mit. „Das erhöhte zwar Personalkosten und war auch emotional nicht immer einfach, aber man hat die Gewähr, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einarbeiten können und der neue Betrieb vom Stand weg läuft“, erklärt der Apotheker seine Strategie, „die höheren Kosten sind mir das wert. Denn ohne gutes Personal wäre das alles nicht machbar.“
Wenn die ersten Tage nach der Eröffnung gelaufen sind, will sich Lechler um Fortbildungskurse und ein individuelles Coaching für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen. Er denkt dabei nicht an Verkaufstrainings, vielmehr sollen die Stärken des Einzelnen herausgearbeitet werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Kunden besser verstehen können – „solche Seminare, die das vermitteln, finde ich extrem wichtig“, ist er überzeugt.
Hat er schon eine Philosophie für seine neue Filiale entwickelt? Klar: „Geht nicht, gibt’s nicht, das soll es sein“, gibt sich der Apotheker selbstbewusst, „der Wunsch des Kunden soll erfüllt werden. Das soll im Mittelpunkt stehen.“ Wie er aus der Analyse der Einkommensstruktur seines Stadtteils weiß, liegt die Kaufkraft eher im unteren und mittleren Bereich. Daher hat er für die Freiwahl Produkte ins Lager genommen, die qualitativ gut sind, aber preislich eher im unteren Bereich liegen. Außerdem plant er verschiedene Aktionen wie z. B. einen Teeausschank. Diese Aktionen sollen vorzugsweise samstags stattfinden, da dies der ruhigste Tag der Woche werden dürfte.
Hoffnung aufs zweite Jahr
Hat er Angst und Sorge, dass sein Businessplan nicht aufgeht? „Auf jeden Fall“, gesteht der Apotheker, der sich nebenbei um seine heranwachsende Tochter und seinen zehnjährigen Sohn kümmern muss, „man hat in dieser Situation durchaus die eine oder andere schlaflose Nacht. Bis hin zur Angst, in die Insolvenz abzurutschen – das muss ich knochentrocken sagen.“
Wenn der Wareneinkauf, die Betriebskosten und die Leasingkosten erwirtschaftet werden und die Personalkosten im ersten Jahr von seinen beiden bestehenden Apotheken getragen werden, ist er zufrieden, mehr will er gar nicht erwarten. Und vor diesem Hintergrund baut er auf sein Filialsystem: „Sollte in einem Betrieb mal ein Minus entstehen, weil beispielsweise ein Arzt wegzieht oder ein schwacher Monat wenig Patienten bringt, dann besteht die Möglichkeit, zwischen den Filialen auszugleichen. Mit nur einer Apotheke habe ich diese Chance nicht.“
Lechler ist sich bewusst: „Das erste Jahr werden wir in dieser Filiale mit einem Minus abschließen, da kommen wir nicht drum herum. Aber fürs zweite Jahr erwarten wir schon ein leichtes Plus. Die Zeit bis dahin müssen wir durchstehen.“ Und dann wird er mit Sicherheit auch wieder mehr Zeit finden, zu seiner Gitarre zu greifen, Songs zu schreiben und Musik zu machen – eine seiner Kraftquellen, aus der er mit Sicherheit auch seine Eigenmotivation schöpft. |
1 Kommentar
Lechlers LINDA Apotheke Stuttgart
von Ferdinand Sörries am 06.05.2016 um 17:22 Uhr
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