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- DAZ 5/2015
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Wie Feuer im Mund
Eine Stomatitis kann sehr schmerzhaft sein
Allgemein versteht man unter einer Stomatitis (griechisch stoma = Mund) eine Entzündung der Mundschleimhaut. Sie kann bei einer Infektion oder systemischen Erkrankung sekundär auftreten, aber auch durch physikalische oder chemische Reize bedingt sein. In vielen Fällen stellt sie jedoch ein eigenständiges Krankheitsbild ohne fassbare Ursache dar. Diese Stomatitis aphthosa, die nach neuerer Nomenklatur als „chronisch rezidivierende Aphthen“ bezeichnet wird, gilt mit einer Prävalenz von zwei bis zehn Prozent als häufigste entzündliche Effloreszenz der Mundschleimhaut. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Ätiologie von Aphthen oft unklar
Morphologisch treten orale Aphthen als scharf begrenzte Ulzerationen im Bereich der entzündlich geröteten und geschwollenen Mundschleimhaut in Erscheinung. Voll ausgeprägt weisen sie einen gelblich-weißlichen Fibrinbelag und einen hyperämischen Randsaum auf (Abb. 1). Ihre Ätiologie ist noch nicht sicher geklärt. Verschiedene Faktoren, die ihre Entstehung begünstigen oder auslösen, werden diskutiert:
- Eisenmangelanämie, Neutropenie,
- Folsäuremangel, Zinkmangel,
- Vitamin-B12 -Mangel bzw. selektive Vitamin-B12 -Resorptionsstörung,
- lokale Verletzungen der Mundschleimhaut, z. B. durch harte Zahnbürsten oder schlecht sitzende Prothesen,
- Stress,
- bestimmte Nahrungsmittel (z. B. Kaffee, Schokolade, Tomaten, Erdbeeren, Käse, Erdnüsse),
- familiäre Häufung in bis zu 40 Prozent der Fälle, wobei vor allem Interleukine und Tumornekrosefaktor-α eine Rolle spielen.
Aphthen als Manifestation einer idiopathischen oder habituellen Stomatitis sind streng genommen klar definiert. Andererseits sind sie von ähnlichen „aphthoiden“ Erosionen und Ulzerationen, die sekundär bei einer Erkrankung oder Funktionsstörung entstehen, differenzialdiagnostisch mitunter schwer abzugrenzen (s. Tab. 1).
Kategorie | Krankheit (Erreger; Erläuterung) |
---|---|
Infektionskrankheiten | Herpes simplex (HSV), Varizellen/Zoster (VZV)infektiöse Mononukleose (Epstein-Barr-Viren)Hand-Fuß-Mund-Erkrankung (Coxsackie-Viren)Hefepilzinfektionen (v. a. Candida)Aids (HIV)akute nekrotisierende ulzerierende Gingivitis/Parodontitis (Bakterien, evtl. auch Viren)Syphilis (Treponema pallidum) |
Systemische Erkrankungen | Morbus Behçet (Autoimmunvaskulitis)entzündliche Darmerkrankungen: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, ZöliakieKollagenosen, z. B. Lupus erythematodesVitaminmangelkrankheiten, z. B. Skorbut |
Maligne Erkrankungen | Oralkarzinome, z. B. MundbodenkarzinomNon-Hodgkin-Lymphom |
Weitere Erkrankungen | Lichen planus mucosae (Knötchenflechte)Erythema exsudativum multiforme (akute immunologische Haut-/Schleimhautreaktion)Stevens-Johnson-Syndrom (infekt- oder arzneimittelallergisch bedingte Schleimhautreaktion)Pemphigus vulgaris (blasenbildende Autoimmundermatose), vernarbendes Schleimhautpemphigoid |
Physikalische und chemische Reize | scharfkantige Zähne, Wangenbisseschlecht sitzende Zahnprothesen, harte Zahnbürstenschlechte Zahn- und/oder ProthesenhygieneMundatmung mit nachfolgender Mundtrockenheit (Xerostomie)Kaffee-, Alkoholabusus, scharfe Gewürze, saure Lebensmittelheiße Speisen und Getränke |
Medikamente | Zytostatika, Goldverbindungen, NSAR, Barbiturate, Iodide, Nicorandil (Dancor® u. a.) |
Speichel schützt
Physiologisch hat der Mundspeichel eine gewisse protektive Funktion, da er
- nicht nur durch seinen Calcium- und Phosphatanteil die Auflösung der Zahnhartsubstanz verhindert,
- sondern auch die Mundschleimhaut feucht hält und mit einem Proteinfilm beschichtet, der sie vor mechanischen und chemischen Einflüssen sowie vor Mikroorganismen und Toxinen schützt.
Daher kann auch eine Mundtrockenheit (Xerostomie), etwa als Nebenwirkung bestimmter Medikamente (z. B. Anticholinergika) zu sämtlichen Formen von Stomatitis prädisponieren.
Ulzerationen verschiedener Größe
Bevor sich die Geschwüre bilden, können die Betroffenen als Prodromi schon ein bis zwei Tage vorher Schmerzen und Brennen verspüren. Bläschen haben in der Mundhöhle nur eine kurze Lebensdauer, meist sieht der Arzt bei der Inspektion die nachfolgenden Erosionen bzw. Ulzerationen. Bei den chronisch rezidivierenden Aphthen lassen sich klinisch-morphologisch drei Erscheinungsformen unterscheiden, von denen die erstgenannte mit 80 bis 90 Prozent am weitaus häufigsten in Erscheinung tritt:
- Kleine orale Aphthen (Minor-Typ, Mikulicz) zeigen einen Durchmesser von bis zu 1 cm (zumeist 2 – 5 mm) und heilen in der Regel spontan nach vier bis 14 Tagen aus. Narben bilden sich nur selten.
- Große orale Aphthen (Major-Typ, Sutton) können bis zu 3 cm groß werden. Oft sind sie tiefer induriert und bestehen zwischen zehn Tagen und sechs Wochen. In etwa 60 Prozent der Fälle können Narben entstehen.
- Herpetiforme Aphthen sind gruppierte, sehr kleine orale Aphthen von jeweils 1 bis 2 mm Durchmesser. Sie bestehen etwa sieben bis zehn Tage und bereiten starke Schmerzen. Sie können in einer Anzahl von bis zu 100 Herden auftreten und zu großflächigeren erosiven Plaques konfluieren.
Im schlimmsten Fall kein Essen möglich
Meist äußert sich eine habituelle Stomatitis aphthosa in drei bis sechs Episoden pro Jahr, es kommt hierbei zumeist zu moderaten, eher gering schmerzhaften und rasch abheilenden Ulzerationen, die auf die Mundhöhle beschränkt sind. Bei einer komplexen Aphthose können jedoch rezidivierend ausgeprägte, hochschmerzhafte und nur langsam abheilende Läsionen entstehen, die darüber hinaus auch den Genitalbereich befallen können.
Je nach Schwere und Verlauf kommt es bei den Betroffenen zu Schmerzen und Schluckstörungen, Mundgeruch, leicht auslösbaren Mundschleimhautblutungen (z. B. beim Zähneputzen), geschwollenen Lymphknoten und Inappetenz. Im Extremfall können stark schmerzhafte Ulzerationen ein normales Essen und Trinken verhindern oder zumindest einschränken.
In seltenen, aber eindrücklichen Fällen können Betroffene subjektiv unter einem starken Brennen im Mundbereich leiden, obwohl sich objektiv keinerlei Erosionen oder Ulzera nachweisen lassen: „Burning Mouth Syndrome“ (s. Kasten).
Wie wenn zu scharf gegessen: „Burning Mouth Syndrome“ (BMS)
Vor allem bei postmenopausalen Frauen kann es über einen längeren Zeitraum zu einem starken Mundbrennen kommen, ohne dass der Arzt verdächtige Läsionen in der Mundhöhle feststellen kann. Die Betroffenen klagen über ein Gefühl von tiefreichendem Brennen in der Zunge oder Mundschleimhaut, dessen Intensität im Tagesverlauf zunehmen kann. Angegeben werden auch bittere oder metallische Geschmacksempfindungen sowie das Gefühl, die Schleimhaut sei „aufgeraut“.
Der Verdacht auf eine neurologische Störung liegt nahe, jedoch konnte hierzu nie ein Nachweis erbracht werden; auch ein bestimmtes psychologisches Profil ist nicht erkennbar. Therapeutische Maßnahmen sind nicht gesichert, Patientinnen mit BMS reagieren jedoch relativ gut auf die Gabe von Antikonvulsiva oder auch Amitriptylin.
Zu Beginn immer lokal therapieren
Dass bei Stomatitis aphthosa als Begleitsymptomatik primär die zugrundeliegende Erkrankung therapiert wird, versteht sich von selbst. Vor allem zur Linderung der schmerzhaften Beschwerden ist eine lokale symptomatische Behandlung in der Regel jedoch unerlässlich. Grundsätzlich sollten die Betroffenen – wie bei allen dermatologischen Erkrankungen des Mundbereichs – auf bestimmte Verhaltensmaßnahmen hingewiesen werden (s. Kasten).
Was tun, wenn‘s brennt? – Was bei Stomatitis zu beachten ist
Um die entzündete Mundschleimhaut nicht noch weiteren Reizen auszusetzen, sind vor allem diätetische Vorsichtsmaßnahmen wichtig, das heißt der Verzicht auf
- heiße Speisen und Getränke sowie Speisen von harter Konsistenz,
- saure, salzige und stark gewürzte Speisen („Thaiküche“, Zitrusfrüchte),
- alkoholische und kohlensäurehaltige Getränke.
Täglich sollte nicht nur auf die sorgfältige Mund- bzw. Zahnhygiene geachtet werden, sondern nach jedem Essen sollte der Mund gründlich mit Wasser ausgespült werden. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass sich eine Natriumlaurylsulfat-freie Zahnpasta positiv auf die Heilung und Schmerzhaftigkeit von Aphthen auswirkt.
Ein zufriedenstellender Rückgang der Schmerzsymptomatik lässt sich oft schon durch die Gabe von Lokalanästhetika erreichen. Zur Verfügung stehen etwa
- Lidocain 1% als Creme bzw. 2% als Gel oder Spray,
- Polidocanol als Paste,
- Benzocain in Form von Lutschpastillen,
- Tetracain 0,5% kombiniert mit Polidocanol 0,5% als Pumpspray.
Zu einer signifikant stärkeren Schmerzlinderung kam es in einer doppelblinden Studie nach der Gabe von dreiprozentigem Diclofenac in 2,5-prozentigem Hyaluron-Gel im Vergleich mit dreiprozentigem Lidocain-Gel.
Mit antiseptischen und antiphlogistischen Substanzen lassen sich die Inzidenz, Dauer und Schwere von Aphthen verbessern. Generell geeignet sind Kamillenextrakt und Chlorhexidin-Präparate als Mundspülung, Gel oder Spray. Mit einer Triclosan-Mundspülung (0,15% Triclosan in Ethanol und Zinksulfat) wurde in einer skandinavischen Studie die Anzahl neuer Aphthen in 43 Prozent der Fälle und die Schmerzintensität um 45 Prozent gesenkt. Vergleichbar erhöhte die Mundspülung mit 2,5% Chlortetracyclin die aphthen- sowie schmerzfreien Tage signifikant um über 40 Prozent gegenüber der Placebogruppe.
Weitere Lokaltherapeutika, die eine Schmerzreduktion und schnellere Abheilung bewirken, sind eine fünfprozentige 5-Aminosalicylsäure-Creme, eine fünfprozentige Amlexanox-Paste und das sonst bei Magen- und Duodenalulzera angewandte Sucralfat. Alle drei Substanzen können als erste Stufe der Behandlung bei rezidivierendem und ausgeprägtem Befall eingesetzt werden (Abb. 2).
Lokale Corticoide bei hartnäckigem Befund
Zeigt die bisherige Behandlung nicht den gewünschten Erfolg, werden als nächste Stufe in der Regel lokale Corticosteroide eingesetzt. Wirksam und auch zugelassen ist die pro Tag ein- bis zweimalige Anwendung einer Mundheilpaste mit Prednisolon. Gleichermaßen bewährt hat sich die Kombination eines lokalen Anästhetikums wie Lidocain-Gel tagsüber mit einer Triamcinolon-Salbe zur Nacht. Allerdings bewirkte eine Dexamethason-Paste in einer Studie bei vergleichbarer Schmerzreduktion eine schnellere Abheilung der Aphthen als eine Triamcinolon-Paste.
Systemische Therapie kontrovers beurteilt
In Bezug auf die systemische Therapie bei rezidivierender habitueller Stomatitis aphthosa konnte in einer aktuellen Cochrane-Übersicht keine genügende Evidenz der Wirksamkeit nachgewiesen werden. Dennoch lindert Colchicin bei der Mehrzahl der Betroffenen nicht nur die Schmerzen, sondern reduziert auch die Anzahl der Aphthen, in einer größeren Studie sogar über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die empfohlene Dosis beträgt 2 × 0,5 mg oder 2 × 1 mg p. o. täglich. Einschränkend muss gesagt werden, dass die Aphthen nach Beendigung der Einnahme häufig rezidivieren und dass es bei über 40 Prozent der Patienten zu gastrointestinalen Beschwerden kommt.
Nicotin als Entzündungshemmer?
Eine auf den ersten Blick ungewöhnliche mögliche Alternative sind orale Nicotinpräparate. Die Anwendung beruht auf der Beobachtung, dass bei Rauchern die Neigung zur Ausbildung oraler Aphthen geringer ausgeprägt zu sein scheint. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in antiinflammatorischen Effekten von Nicotin auf Keratinozyten. Immerhin kam es schon vor Jahren in einer kleinen Studie mit Nicotinkautabletten zu einer kompletten Remission rezidivierender Aphthen. Nicotinpflaster freilich dürften die lokale Wirkung von Zigarettenrauch in der Mundhöhle nicht imitieren können.
In besonders schweren Fällen kann – zusätzlich zu den lokalen Maßnahmen – eine systemische Therapie mit Pentoxifyllin oder Prednisolon versucht werden, wobei Letzteres nur kurzfristig bis zu einem Monat eingesetzt werden sollte. In einer kontrollierten, allerdings drei Monate dauernden Studie erzielte eine Prednisolon-Dosis von 5 mg pro Tag eine mit Colchicin 0,5 mg pro Tag vergleichbare Wirkung. |
Literatur
[1] Altenburg A, et al. Behandlung chronisch-rezidivierender oraler Aphthen. Dtsch Arztebl Int 2014;111:665-673
[2] Madrid C, et al. Seltene, aber hartnäckige Affektionen der Mundschleimhaut. Schweiz Med Forum 2013;13(25):499-504
[3] Kettner A, Höffler D. Chronisch rezidivierende Aphthen. Arzneiverordnung in der Praxis 2014;41(3):12-15
[4] Gonsalves WC, Chi AC, Neville BW. Common Oral Lesions, Part I: Superficial Mucosal Lesions. Am Fam Physician 2007;75:501-507
[5] Das MSD Manual, 7. Aufl. www.msd-manual.de/msdmanual > Stomatitis
[6] Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Chronisch rezidivierende Aphthen. Eine wissenschaftliche Stellungnahme. Dtsch Zahnärztl Z 2005;60(6)
[7] Buchalla W. Speichel – Zusammensetzung und Funktion eines oft unterschätzten Helfers. zm-online Heft 08/2013 Titel; www.zm-online.de/hefte
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