Arzneimittel und Therapie

Todesfälle durch Acinetobacter?

du | Wenn in Deutschlands Kliniken Probleme mit multiresistenten Keimen auftreten, handelt es sich meistens um Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme. Deutlich seltener wurden bislang in Deutschland nosokomiale Infektionen durch multiresistente gramnegative Acinetobacter-Stämme hervorgerufen. Jetzt sorgt Acinetobacter baumannii am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel für Unruhe.

Uniklinikum Kiel kämpft gegen multiresistenten Erreger

Bei Vertretern der Gattung Acinetobacter handelt es sich um gramnegative Bakterien, die Haut-, Harnwegs- und Atemwegsinfektionen hervorrufen können. Besonders gefürchtet sind nosokomiale Pneumonie und Sepsis bei Intensivpatienten.

Kein unbekanntes Problem

Eindringlich wurde im August 2013 im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts vor dem bedrohlichen Entwicklungspotenzial des Krankenhauskeims Acinetobacter baumannii gewarnt, auch wenn 2012 die Prävalenz von nosokomialen Pneumonien mit Acinetobacter baumannii in Deutschland mit 2% noch relativ niedrig war [1]. Anders sieht die Situation beispielsweise in osteuropäischen Ländern aus. Schon 2009 lag hier die Prävalenz bei 17%. Dieser multiresistente gramnegative Erreger (MRGN) erweist sich als zunehmend resistent gegenüber vier Antibiotikagruppen (4MRNG): den Penicillinen, Cephalosporinen, Fluorochinolonen und Carbapenem. Nur noch vereinzelte Antibiotika wie Tigecyclin und Colistin stehen als Reserve zur Verfügung.

Nosokomiale Ausbrüche mit multiresistenten Acinetobacter baumannii kommen in Deutschland immer wieder vor.

Oft handelt es sich um Patienten, die schon im Ausland in Kliniken behandelt worden waren. Der Patient, über den der Keim auf die Intensivstation des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vermutlich eingeschleppt worden ist, war am 11. Dezember 2014 aus der Türkei nach Kiel verlegt worden. Er war, wie eine Vertreterin des Klinikums auf Nachfrage der DAZ mitteilte, auf multiresistente Erreger gescreent worden, jedoch nicht auf Acinetobacter baumannii. Der Keim wurde inzwischen bei zwölf verstorbenen Patienten des Kieler Klinikums nachgewiesen (Stand 27. Januar 2015). Allerdings soll in neun Fällen eine Infektion eindeutig als Todesursache ausgeschlossen worden sein. Zudem wurden weitere Patienten des Klinikums positiv auf Acinetobacter baumannii getestet, nicht jeder soll Symptome einer Infektion zeigen. Schon am 24. Dezember 2014 hatte das Uniklinikum das Gesundheitsamt über eine Häufung der Infektionen informiert. Eine erste Phase von Übertragungen soll mit dem 3. Januar 2015 abgeklungen gewesen sein. Mit dem jetzt bekannt gewordenen erneuten Ausbruch wurden umfassende Hygiene- und Isolationsmaßnahmen eingeleitet. Patienten werden gescreent und bei Keimnachweis isoliert. Künstliche Beatmungen internistischer Notfallpatienten werden zurzeit wegen des Übertragungsrisikos nicht durchgeführt.

Hohes Übertragungspotenzial

Acinetobacter baumannii kann durch direkten Kontakt, aber auch über die Luft und indirekt durch kontaminierte Materialien übertragen werden. Das Übertragungspotenzial soll deutlich höher sein als das Methicillin-resistenter Staphylococcus-aureus-Stämme. Zudem erweist sich Acinetobacter baumannii als sehr widerstandsfähig. Auch nach Austrocknen können die Erreger wochenlang überleben und zudem schützende Biofilme bilden. |

Quelle

[1] Acinetobacter baumannii – ein Krankenhauskeim mit beunruhigendem Entwicklungspotenzial. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts Nr. 32 vom 12. August 2013

[2] Infektion von zwölf Patienten mit MRGN-Keim am Campus Kiel. Pressemitteilung des Universitätsklinikums Schleswig-­Holstein vom 23. Januar 2014

Search and Destroy Ein Kommentar von Doris Uhl

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel sorgt für Schlagzeilen. Bei zwölf verstorbenen Patienten wurde ein multiresistentes Bakterium namens Acinetobacter baumannii nachgewiesen. Noch wird gestritten, ob dieses in Deutschland in der Rangfolge multiresistenter Keime eher weniger bedeutende Bakterium für den Tod der Patienten verantwortlich war oder die Schwere der Grunderkrankung. Doch ungeachtet dessen sorgt dieser Fall wieder einmal für Diskussionen in Sachen Hygienemanagement an deutschen Kliniken. Sicher ist es absolut unbefriedigend, wenn nach multiresistenten Keimen erst gefahndet wird, wenn ein Patient auf Antibiotika nicht mehr anspricht. Denn bestätigt sich dann der Verdacht, hatte der Keim genügend Zeit, sich munter weiter zu verbreiten – im Zweifel gefördert durch ein schlechtes Hygienemanagement. Gerne wird in diesem Zusammenhang auf das Vorbild Niederlande verwiesen. Dort wurde mit dem Konzept Search and Destroy ein System etabliert, bei dem alle Risikopatienten bei der Aufnahme zumindest auf Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Keime (MRSA) gescreent werden. Keimträger kommen dort dann unter Quarantäne und werden behandelt, bis sichergestellt ist, dass sie frei von MRSA sind. Wie erfolgreich das niederländische Konzept ist, zeigt die im Vergleich zu Deutschland deutlich niedrigere Rate an MRSA-Infektionen.

Auch in Kiel soll der initiale Patient bei Aufnahme auf multiresistente Erreger gescreent worden sein, allerdings nicht auf Acinetobacter baumannii. Für diesen Keim gebe es kein spezifisches Screeningverfahren, er sei in Kiel bisher nicht gehäuft nachgewiesen worden, so eine Vertreterin des Uniklinikums Schleswig-Holstein. Und auch in den Niederlanden wäre dieser Patient nur dann zuvor isoliert worden, wenn im Rahmen der Search-and-Destroy-Strategie auch nach multiresistenten gramnegativen Acinetobacter-Stämmen gefahndet worden wäre.

Das Kieler Beispiel zeigt damit zwar auf der einen Seite, wie wichtig ein gut durchdachtes und dann auch konsequent umgesetztes Hygiene­kon­zept ist. Es zeigt aber auch, dass es keinen 100%igen Schutz vor Klinikinfektionen geben kann. Denn heute ist es ein multiresistenter Acinetobacter, morgen ein anderer multi­resistenter Keim, mit dem niemand gerechnet hat. Und auch das muss berücksichtigt werden: Search and Destroy ist zwar ein kluges, aber auch ein kostspieliges Konzept. Denn für die Isolierung müssen geeignete Räumlichkeiten vorhanden sein. Schon allein daran dürfte das Konzept in manch einer deutschen Klinik scheitern.

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