Arzneimittel und Therapie

„Paradigmenwechsel in der Bluthochdrucktherapie!“

Die Deutsche Hochdruckliga nimmt Stellung zur SPRINT-Studie

DAZ/DHL® | Blutdruck runter unter 120 mmHg – das kann bei einer bestimmten Patientengruppe die Gesamtsterblichkeit im Vergleich zu einer weniger starken Blutdrucksenkung hochsignifikant reduzieren. Das ist das Ergebnis der schon vor der vollständigen Veröffentlichung für Schlagzeilen sorgenden Systolic Blood Pressure Intervention Trial, kurz SPRINT-Studie (s. a. 120 mmHg für alle? DAZ 2015, Nr. 39, S. 30). Sie wurde soeben im New England Journal of Medicine vollständig publiziert [1]. Die Deutsche Hochdruckliga e. V. (DHL®) stuft die SPRINT-Studie als Schlüsselstudie ein, die nicht ohne Einfluss auf die weiteren Empfehlungen zur Hochdruckbehandlung bleiben wird, und hat umgehend eine Stellungnahme dazu veröffentlicht [2]. Wir geben sie im Folgenden im Wortlaut wieder.
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Zu hoch für Nicht-Diabetiker mit hohem kardiovaskulärem Risiko? Die SPRINT-Studie legt eine Senkung unter 120 mmHg nahe.

Die SPRINT (Systolic Blood Pressure Intervention Trial)-Studie stellt eine absolute Schlüsselstudie für unser Verständnis einer bestmöglichen Hochdruckbehandlung dar. Diese Studie wird maßgeblichen Einfluss auf die Empfehlungen zur Bluthochdruckbehandlung haben, mit deren Überarbeitung die Deutsche Hochdruckliga DHL® bereits begonnen hat.

Warum wurde die SPRINT-Studie durchgeführt?

Weil klare Evidenzen für den anzustrebenden Zielblutdruck insbesondere für (Hochdruck-) Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Gesamtrisiko, aber ohne Diabetes mellitus fehlen.

Wer wurde untersucht?

9361 Patienten mit einem systolischen Blutdruck von 130 bis 180 mmHg und einem erhöhten Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse, beispielsweise bereits bestehende kardiovaskuläre Erkrankung oder Vorliegen einer chronischen Nierenerkrankung, einem hohen Risiko im Framingham Risk Score oder einem Alter von 75 Jahren oder älter.

Das Durchschnittsalter betrug knapp 68 Jahre, 28% waren älter als 74 Jahre, 13 –14% waren aktive Raucher, der BMI (Body-Mass-Index) lag bei 29,9 kg/m2 und der durchschnittliche Ausgangsblutdruck bei 139,7/78,2 mmHg. 20% der Patienten hatten eine vorbekannte kardiovaskuläre Erkrankung und 28% eine chronische Nierenerkrankung (glomeruläre Filtrationsrate GFR < 60 ml/min × 1,73 m2).

Ausgeschlossen waren Patienten mit Diabetes mellitus oder früherem Schlaganfall oder orthostatischer Hypotonie (systolischer Blutdruck < 110 mmHg nach einer Minute im Stehen).

Was wurde untersucht?

Eine Blutdrucksenkung auf unter 140 mmHg in den Zielbereich 135 bis < 140 mmHg im Standard-Arm im Vergleich zu einer Blutdrucksenkung mit einem Zielblutdruck von unter 120 mmHg im intensiven Behandlungsarm hinsichtlich eines primären Studienendpunktes wie Auftreten von Herzinfarkt, akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache.

Wie war der Studienaufbau?

Es erfolgte eine randomisierte, d. h. zufällige Zuteilung zu den beiden Behandlungsarmen. Die SPRINT-Studie wurde als eine kontrollierte, offene, also nicht verblindete, zweiarmige ­Studie durchgeführt. Im intensiven ­Behandlungsarm wurde eine Kombination aus Thiaziddiuretikum (vorzugsweise Chlorthalidon) und/oder ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptor-blocker und/oder Calciumantagonist (vorzugsweise Amlodipin) empfohlen, wohingegen im Standardbehandlungsarm eine Umstellung auf diese o. g. Medikamente mit der Einschränkung „falls indiziert“ vorgeschlagen wurde.

Welche Ergebnisse fanden sich?

Die Blutdrucksenkung erfolgte im Studienverlauf auf durchschnittlich 134,6 mmHg im Standardbehandlungsarm und auf durchschnittlich 121,5 mmHg im intensiven Behandlungsarm unter Verwendung von 1,8 bzw. 2,8 verschiedenen antihypertensiven Substanzklassen (im intensiven Behandlungsarm wurden entsprechend bei 21,5% häufiger ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptorblocker, bei 24,1% häufiger Diuretika, bei 21,7% häufiger Calciumantagonisten und bei 10,3% häufiger Betablocker eingesetzt). Nach einer medianen Behandlungsdauer von 3,26 Jahren trat der primäre Endpunkt um 25% hochsignifikant seltener unter intensiver Blutdrucksenkung auf (1,65% pro Jahr im Vergleich zu 2,19% pro Jahr), und die Gesamtsterblichkeit war ebenfalls hochsignifikant um 27% vermindert. Allerdings kam es im intensiven Behandlungsarm zu mehr schweren Nebenwirkungen wie Hypotonie (um 67%), Synkope (um 33%), Hypokaliämie (um 50%), Hyponatriämie um (76%) und akutem Nierenversagen (um 66%).

Schlussfolgerungen

Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, aber ohne Diabetes mellitus oder früherem Schlaganfall sollte der systolische Blutdruck auf Werte um 120 mmHg gesenkt werden, um das Risiko tödlicher und nichttödlicher kardiovaskulärer Ereignisse und die Gesamtsterblichkeit zu senken. Dies stellt einen eindeutigen Paradigmenwechsel dar. Die Ergebnisse der SPRINT-Studie lassen sich allerdings nicht ohne Weiteres auf alle Hochdruckkranken, beispielsweise auf Patienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko, übertragen. Gleichzeitig unterstreicht die SPRINT-Studie die Sinnhaftigkeit der Behandlung eines relativ milden Bluthochdrucks, wenngleich nur ein Teil der Studienpatienten die Definition einer „milden“ Hypertonie erfüllt hat.

Möglichen Nebenwirkungen unter intensiver Blutdrucksenkung muss jedoch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden beispielsweise durch die Erfassung einer orthostatischen Hypotonie vor Behandlungsintensivierung und Laborkontrollen der Nierenfunktion und der Serumelektrolyte Kalium und Natrium unter Behandlung – die Überwachung der Patienten hinsichtlich des Auftretens von Nebenwirkungen und deren Management erfordern im klinischen Alltag ebenfalls eine besondere Beachtung. Angesichts der Tatsache, dass die durchschnittlichen systolischen Blutdruckwerte der deutschen Bevölkerung im Alter von über 60 Jahren bei fast 130 mmHg liegen – gemäß der jüngsten Erhebung des Robert-Koch-Instituts –, ist möglicherweise eine intensive antihypertensive Therapie bei Millionen Menschen zusätzlich zu erwägen. Die notwendige engmaschige Kontrolle der Patienten – in der Studie gegeben – zur rechtzeitigen Entdeckung und Behandlung von Nebenwirkungen der intensiven Therapie wird für das deutsche Gesundheitssystem eine erhebliche Herausforderung darstellen. Inwieweit substanzspezifische Vorteile der in der SPRINT-Studie empfohlenen Blutdrucksenker zum guten Ergebnis der intensiven Blutdrucksenkung beigetragen haben könnten, bleibt derzeit offen bzw. müsste durch Subgruppenuntersuchungen geklärt werden. |

Quelle

[1] The SPRINT Research Group: A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med. November 9, 2015 DOI: 10.1056/NEJMoa1511939

[2] Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL Stellungnahme zu den Ergebnissen der SPRINT-Studie. 22 November 2015 www.hochdruckliga.de

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