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Problematische Hilfsstoffe

Schwein, Rind und Co. – Arzneimittel enthalten oft Substanzen tierischen Ursprungs

Zahlreiche Arzneimittel enthalten Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs. Das ist zum einen für Menschen mit streng veganer Ernährungsweise ein Problem, aber unter Umständen auch für Patienten, die aus religiösen Gründen den Verzehr bestimmter Tiere ablehnen.

Eine junge Frau kommt in die Apotheke. Sie erzählt, dass sie demnächst die Pille absetzen möchte, um schwanger zu werden. Ihre Frauenärztin habe ihr geraten, Folsäure einzunehmen. Sie legt ein grünes Rezept über Folio® forte vor und fragt nach den Inhaltsstoffen des empfohlenen Präparates. Der Apotheker erklärt ihr, dass 800 µg Folsäure, 150 µg Iod sowie 10 µg Vitamin B12 enthalten sind. Folio® forte ist daher geeignet ab dem Zeitpunkt des Kinderwunsches bis zur zwölften Schwangerschaftswoche. Folat und Iod sind die einzigen Nährstoffe, für die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung die Supplementierung pauschal für alle Schwangeren empfiehlt, wobei mit Folsäure schon vor der Empfängnis begonnen werden soll. Aus fachlicher Sicht gibt es also keinerlei Einwände gegen die Empfehlung der Frauenärztin. Die junge Frau ist mit dieser Auskunft aber noch nicht ganz zufrieden. Sie fragt, ob die Tabletten Stearate enthalten. Sie esse aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch oder andere Erzeugnisse aus Schwein. Stearate könnten unter Umständen vom Schwein sein.

Fakten-Check:

Geschlecht: weiblich

Alter: 29 Jahre

Kundenwunsch: Folsäure-Supplementation wegen Kinderwunsch

Besonderheiten: Präparat darf aus religiösen Gründen keine Substanzen enthalten, die vom Schwein stammen

Stearate vom Schwein - stimmt das?

In Folio ist tatsächlich Magnesiumstearat enthalten. Das Magne­siumsalz der Stearinsäure wird als Schmiermittel bei der Tablettenherstellung eingesetzt. Als Ausgangsbasis für die Gewinnung der Stearinsäure können pflanzliche Fette wie Raps-, Maiskeim- oder Sojaöl, aber auch Milchfett, Rindertalg oder Schweineschmalz, also tierische Fette, verwendet werden. Die Bedenken der Frau sind also grundsätzlich gerechtfertigt.

Die Nachfrage beim Hersteller ergibt aber, dass das enthaltene Magnesiumstearat ausschließlich pflanzlicher Herkunft ist. Auch auf der Website ist in der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ diese Information zu finden. Die Kundin ist dennoch weiter skeptisch. Sie möchte lieber ein Präparat ganz ohne Magnesiumstearat. Da es ihr primär um die Folsäure-Supplementation geht, wird schließlich das Präparat Folate 400 von der Firma Pure Encapsulations vorgeschlagen. Es enthält 400 µg Folsäure als Calcium-L-Methylfolat ohne weitere Hilfsstoffe in einer Kapsel aus Cellulose. Auch die Frauenärztin erklärt sich mit dieser Variante einverstanden. Sie weist aber darauf hin, dass die Frau zusätzlich, spätestens wenn sie dann schwanger ist, ein geeignetes Iod-Präparat einnehmen muss. Bei der Mehrheit der Iodid-haltigen Arzneimittel stellt sich aber das gleiche Problem wie zuvor. Die meisten Tabletten enthalten Magnesiumstearat, was die Kundin partout ablehnt. Doch findet sich auch hier eine Lösung: Jodetten® 150 Henning. Sie enthalten als Hilfsstoffe leichtes basisches Magnesiumcarbonat, mikrokristalline Cellulose, Hypromellose, Crospovidon, Rizinusöl und hy­driertes Natriumcyclamat – also Substanzen pflanzlichen, mineralischen oder synthetischen Ursprungs. Auch die Dosierung ist mit 150 µg Iodid geeignet für schwangere Frauen.

Bedenkenswert:

Einige Hilfsstoffe können tierischen Ursprungs sein. So können Magnesiumstearat und Gelatine vom Schwein stammen. Magnesiumstearat ist allerdings in pharmazeutischen Produkten meist pflanzlichen Ursprungs.

Mittlerweile werben viele Hersteller damit, dass ihre Produkte „vegan“ sind. Außer bei dieser speziellen Kundin in unserem Beispiel, die ganz auf Nummer sicher gehen wollte, sind diese Produkte meist eine gute Lösung.

Was wäre, wenn ...

... die Kundin sich vegetarisch ernährt?

Die Empfehlung Iod und Folsäure zu supplementieren, gilt für alle Schwangeren unabhängig von der Ernährungsweise. Frauen, die Milch und Eier essen, können mit entsprechender Lebensmittelauswahl den Bedarf an den meisten Nährstoffen decken. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt insbesondere Getreideprodukte (bevorzugt Vollkorn), Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Milch/Milchprodukte, Eier, Nüsse/Samen, Pflanzenöle. Frauen, die keine Meeresfische essen, sollten laut DGE jedoch unter Umständen langkettige Omega-3-Fettsäuren supplementieren. Kritisch kann außerdem die Eisen-Versorgung sein, da Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln schlechter resorbiert wird als aus tierischen. Eisen-Präparate sollten aber grundsätzlich nur gezielt nach entsprechender Diagnostik auf Empfehlung des Arztes eingenommen werden. Bei Eisenmangel-Anämie werden diese auch von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet (auch für Nicht-Schwangere).

... die Kundin sich vegan ernährt?

Bei rein veganer Ernährung kann nach Ansicht der DGE der Nährstoffbedarf in der Schwangerschaft nicht allein durch eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden. Und nicht nur das – eine rein vegane Ernährung in der Schwangerschaft birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken. Kritisch ist neben Vitamin B12, dessen ausreichende Zufuhr bei veganer Ernährung generell ein Problem ist, vor allem die Versorgung mit Proteinen, Eisen, Calcium, Iod, Zink und Vitamin D. Veganerinnen, die planen schwanger zu werden, sollten sich daher medizinisch beraten lassen und gezielt Supplemente einnehmen. Bei der Auswahl ist dann darauf zu achten, dass keine tierischen Stoffe enthalten sind, zum Beispiel Lactose, Gelatine oder eben die bereits genannten Stearate. Informationen über die Herkunft der jeweiligen Hilfsstoffe geben die Hersteller bzw. deren Internetseiten. 

... die Kundin während ihrer Schwangerschaft gegen ­Eisenmangel Ferro Sanol® Duodenal verordnet bekommt?

Ferro Sanol® Kapseln enthalten tierische Gelatine gemischter Herkunft (Rind, Schwein, Geflügel). Sie sind also für diese Patientin nicht geeignet. Die Pellets können zwar ohne Kapsel eingenommen werden. Ob das akzeptabel ist, muss jede Patientin für sich entscheiden. Eine denkbare Alternative wären hier Ferro Sanol® Tropfen. Ferro Sanol® Dragees und Plastufer® enthalten ebenfalls Gelatine, sind also keine Option. Ferrlecit® 2 enthält wie andere Präparate auch pflanzliches Magnesiumstearat und sonst keine tierischen Bestandteile, wäre also in diesem besonderen Fall auch keine Lösung, grundsätzlich aber schon. Im Zweifelsfall gilt: beim Hersteller nachfragen. Bei Unverträglichkeit der Oralia kann eine parenterale Eisen-Substitution in Erwägung gezogen werden.

Grundsätzlich können flüssige Zubereitungen eine Alternative zu festen Arzneiformen mit kritischen Hilfsstoffen wie Gelatine sein. Doch auch hier lauern Fallstricke. Häufig ist in Tropfen Alkohol enthalten. Darauf muss der Kunde hingewiesen werden und selbst entscheiden, ob das akzeptabel ist. |

Autorin

Julia Borsch, Apothekerin, Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Redakteurin bei der Deutschen Apotheker Zeitung.

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