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Goodbye Palais
Die ABDA verlässt das Mendelssohn-Palais – endlich! – und zieht in eine Interims-Immobilie
Berlin, Berlin, wir ziehen nach Berlin! Als „Signal und Chance“ feierte die ABDA Ende 2001 in einem PZ-Editorial den Beschluss nach Berlin zu ziehen und den Kauf eines neuen Gebäudes. Keine Frage, der Umzug von Eschborn nach Berlin war ein Muss. Aber die Wahl der Bleibe – sie entwickelte sich zum kleinen Millionen-Desaster. Die ABDA-Mitgliederversammlung hatte mit 73 Prozent der Stimmen den Kauf des Mendelssohn-Palais genehmigt, ein denkmalgeschütztes Bankgebäude, das von 1891 bis 1893 von den Architekten Gropius und Schmieden im Auftrag der Privatbank Mendelssohn & Co. erbaut worden war. Das Objekt befindet sich in bester Lage Berlins, Jägerstraße, Nähe Gendarmenmarkt mit Deutschem und Französischem Dom. Wer hier residieren kann, gehört zur wirtschaftlichen Elite der Hauptstadt.
„Bekenntnis zu Historie und Tradition“
Alle, die seinerzeit Kritik und Bedenken gegen den Kauf des 42,5 Millionen DM teuren Objektes anmeldeten, wurden barsch abgekanzelt. Auch an der Basis kam seinerzeit kaum Verständnis und keine Freude über den Immobilienerwerb auf. Das muss die ABDA beflügelt haben, den Kauf des Palais, seine Lage und seinen repräsentativen Charakter hochzujubeln. O-Ton aus dem ABDA-Editorial von 2001: „Das Votum für den Hauskauf ermöglicht der ABDA, in der historischen Mitte Berlins die bestehenden engen politischen Kontakte nicht nur zu pflegen, sondern gezielt auszubauen und zu nutzen.“ Und weiter: „Unser Verband hat bald die Hand am Puls der gesundheitspolitischen Meinungsbildung.“ Ob das mit dem Einzug ins Palais verbundene Wunschdenken von damals in Erfüllung gegangen ist, überlasse ich gerne jedermanns persönlicher Einschätzung.
Sprach man damals mit den führenden Berufspolitikern, gerieten sie beim Palais ins Schwärmen. Da war die Lage: in unmittelbarer Nähe zu Berlins Gendarmenmarkt. Mit der Standortwahl leiste sich die ABDA keinen Luxus, sondern sie begebe sich in die Nachbarschaft anderer Verbände und Institutionen im Gesundheitswesen sowie der Politik und Verbände, hieß es vollmundig. Von einem Prunk- und Prachtbau nach Gutsherrenart könne keine Rede sein, „das Bekenntnis unseres Berufsstandes zu Historie und Tradition passt gerade auch in unsere Zeit ...“, meinte das damalige ABDA-Triumvirat Friese, Metzger, Keller.
Kein Bürohaus für die Verbandsarbeit
Als ich zum ersten Mal das Haus besichtigen darf, kann ich es kaum fassen: Alles strahlt Macht und Glanz aus, Repräsentation und Großmannssucht. Ein zweigeschossiger Bau im Neoklassizismus. Schwere Eingangstüren führen ins Vestibül, von dem man aus nach links in die ehemalige haushohe Schalterhalle gelangt. Nach rechts oben zieht sich eine breite repräsentative mit rotem Teppich belegte Steintreppe, gesäumt von einer Balustrade. Man sieht Deckenstuck, schmiedeeiserne Geländer mit vergoldeten Schmuckornamenten, Marmorboden. Auch zwei stahlgepanzerte Tresorräume, einer davon sogar doppelstöckig mit umlaufender Galerie, sind vorhanden. Im Obergeschoss trifft man auf deckenhoch holzgetäfelte Räume, dunkelrote Tapeten und das legendäre Kaminzimmer, in dem Politiker zu Gesprächen empfangen werden sollten. Im ersten Stock findet man Korridore und Fluchten. Und dann sieht man auch die verwinkelten Gänge und Flure, die Hallenräume, die mit Trennelementen aus Glas und Stahl nachträglich in einzelne Büroparzellen für die Mitarbeiter abgeteilt wurden. Und im Keller: Hier sind die Sozialräume für die Mitarbeiter untergebracht. Spätestens da stellt sich nicht nur mir die Frage: Ist ein solches Haus wirklich als Bürogebäude für die Verbandsarbeit eines Berufes, der zukunftsgerichtet sein sollte, geeignet?
Renovieren, aufstocken, ausziehen?
Schon wenige Jahre nach dem Einzug ins Palais sollten Kritiker recht behalten: Der Platz im Apothekerhaus wird knapp. Die Arbeitsbedingungen in den Büroparzellen sind gewöhnungsbedürftig. Für ABDA-Mitgliederversammlungen musste man in teure Hotelsäle ausweichen. Viele Mitarbeiter mussten ausquartiert werden in Fremdräume, die zu vergleichsweise hohen Kosten angemietet wurden.
2010 wurde der Ruf nach einem Erweiterungsbau laut. Man diskutierte die Option, das Gebäude rechts vom Palais zu kaufen, abzureißen und einen Neubau zu errichten. Doch diesem Ansinnen wollte die Mitgliederversammlung nicht folgen. Das Gebäude fand einen anderen Käufer, der 2012 einen Neubau erstellte – mit Folgen: Durch die Bautätigkeiten erlitt das Mendelssohn-Palais empfindliche Risse im Mauerwerk und Boden, das Eingangsportal musste mit Stahlträgern abgestützt werden.
Die Platznot wuchs. Als neue Idee spielte man 2014 mit dem Gedanken, das Palais zu renovieren und um zwei Stockwerke aufzustocken – für insgesamt 26,5 Mio. Euro. Ein denkmalgeschütztes Gebäude! Da wurde es dann selbst vielen Kammer- und Verbandspräsidenten mulmig. Außerdem vermissten viele die Alternativvorschläge wie etwa den Verkauf des Palais und einen Neubau oder die Anmietung neuer Räume.
Der Befreiungsschlag
Die Mitgliederversammlung am 25. Juni 2014 brachte den Befreiungsschlag: Nein zur Aufstockung des Mendelssohn Palais, Ja zum Umzug in ein neues Gebäude. „Wir werden die Jägerstraße aufgeben“, verkündete ABDA-Präsident Schmidt. Doch ganz so einfach gestaltet sich die Trennung nicht, das alte Palais wird zum Klotz am Bein. Aufwendige Sanierungsarbeiten, Beseitigung der Risse, Erneuerung der Heizung werden notwendig. Und bevor es auf den Markt geworfen wird, müssen Brandschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Ganz abgesehen davon, dass das Haus eher den Charakter eines Liebhaberobjekts hat und eben nicht unbedingt als Büroimmobilie geeignet ist, wie die ABDA dreizehn Jahre lang selbst erfahren durfte. Potenzielle Käufer für das Palais stehen nicht Schlange, aber, klar, man ist guter Hoffnung, es soll Interessenten geben.
Vom Lindencorso zum Hauptbahnhof
Mitte 2015 präsentierte die ABDA ihre neue Immobilienstrategie: Ein Neubau soll es sein, in der Heidestraße, Nähe Berliner Hauptbahnhof. Für insgesamt rund 35 Mio. Euro wird die ABDA zwei Drittel eines noch zu errichtenden Bürokomplexes kaufen, Bauherr ist die österreichische Immobiliengesellschaft CA Immo. Immerhin, dieses Mal dürfte man vorausschauend geplant haben: Ein großer Plenarsaal ist genauso vorgesehen wie ausreichend Raumreserve.
Doch bevor man die neuen Büroräume wird genießen können – frühestens 2018, spätestens 2020 –, wird es sich die ABDA bis dahin unter den Linden gemütlich machen müssen. Und dann wäre da noch der Umzug zu stemmen, der von 12. November bis zum 17. November über die Bühne gehen soll.
Ob eine Hausabschiedsparty stattfindet und wer dem Palais eine Träne nachweinen wird, wenn die Tür abgeschlossen und das Messingschild abgeschraubt wird – wir werden es nicht erfahren. Ich bin jedenfalls nicht traurig, wenn unsere Berufsvertretung nicht mehr in der Jägerstraße sitzt, wenn das Palais Geschichte ist. Ganz abgesehen von den Räumlichkeiten, die für ein Bürogebäude vollkommen ungeeignet sind – der Habitus dieses Hauses hat zu keiner Zeit zu einem modernen Berufsbild gepasst, zu einem Beruf, der näher am Patienten sein möchte. Goodbye Palais, goodbye. |
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