Arzneimittel und Therapie

Schulschwänzen – Schulangst – Schulphobie

Wenn Kinder nicht zur Schule gehen (wollen)

Bis zu 10% der Schülerinnen und Schüler nehmen häufig und regelmäßig nicht am Schulunterricht teil. Die Gründe dafür sind vielfältig. Je nachdem, ob es sich bei dem schulvermeidenden Verhalten um Schulschwänzen, Schulphobie oder Schulangst handelt, muss anders reagiert werden. Differenzialdiagnostisch kann auch der Blick auf das Verhalten der Eltern weiterhelfen. Zugrunde liegende psychische Probleme, wie Angststörungen und Depressionen, aber auch eine Somatisierung müssen erkannt und eine Chronifizierung vermieden werden – mit dem Ziel, den Schulerfolg durch die Fehlzeiten nicht zu gefährden.
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Schule schwänzen In den wenigsten Fällen ist der Grund für dauerhaftes Fehlen keine Lust auf Schule. Oft stecken Depressionen oder Ängste dahinter.

„Ich gehe nicht zur Schule“: Wenn Kinder und Jugendliche das umsetzen, hilft schimpfen wenig. Zumal es viele verschiedene Gründe gibt, weshalb Kids ihren Fuß nicht über die Schwelle der Schul­tür setzen. „Schulschwänzen, Schulphobie oder Schulangst – all das kann dahinterstecken, wenn Kinder oder Jugendliche ein schulvermeidendes Verhalten an den Tag legen“, so Dr. Gabriele Trost-Brinkhues, Aachen, auf der 111. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Gelegentliches Schulschwänzen gehört aus ihrer Sicht allerdings zum Schulalltag. „Wer nie geschwänzt hat, hat eine Pathologie“, so Trost-Brinkhues. Sprich: Ab und an dem Unterricht fernzubleiben, ist bei Kindern und Jugendlichen „normal“. Etwa 60% der Kinder und Jugendlichen haben es schon einmal getan. Allerdings, und hier wird es kritisch, verweigern 5% bis 10% der Schüler und Schülerinnen den Schulbesuch regelmäßig und in erheblichem Ausmaß, Jungen etwa doppelt so häufig wie Mädchen, am häufigsten Kinder aus Haupt- und Förderschulen. Zu erkennen ist auch eine Abhängigkeit von Bildung- und Sozialstatus und der beruflichen Situation der Eltern.

Schulschwänzer: „Null-Bock“ und negatives Selbstkonzept

Um bei Schulverweigerern adäquat reagieren zu können, dürfen Kinder, die nicht zur Schule gehen, nicht in einen Topf geworfen werden. Trost-Brinkhues unterschied bei schulvermeidendem Verhalten das Schulschwänzen und die Schulverweigerung. Dem Schulschwänzen liegt eine Störung des Sozialver­haltens oder auch eine oppositionelle Störung zugrunde. Kinder, die zu den Schulschwänzern gehören, schwänzen die Schule allein oder auch in der Gruppe. Sie täuschen den Schulbesuch vor, streunen aber in der Gegend herum. Typisch ist eine „ Null-Bock“-Mentalität, Antriebsarmut, ein negatives Selbstkonzept, Versagensängste und eine geringe Frustrationstoleranz. Oft liegen auch fehlende Leistungsvoraussetzungen vor, betonte Trost-Brinkhues. Daraus resultiert eine Perspektivlosigkeit, die in einem dissozial-aggressiven Verhalten münden kann.

Schulangst: Angst vor Mitschülern und Prüfungen

Charakteristisch bei Schulverweigerern sind dagegen emotionale Probleme, Depressionen, Somatisierungsstörungen, Phobie und Panikattacken. Hier wird differenziert in Kinder mit Schulangst und Kinder mit Schulphobie. Schulangst geht mit einer umfassenden Angst vor dem Schulalltag einher: Angst vor Prüfungen, vor Mobbing, vor dem Kontakt mit Mitschülern oder auch Angst, einen Text vorzulesen. Schüler mit Schulangst sind oft ausgesprochen schüchtern. Und sie leiden häufig unter körperlichen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen. Damit einher können die klassischen Angstsymptome gehen – mit Schweißausbrüchen, Flush, Atemnot und Angst vor Kon­trollverlust.

Schulphobie: auch die ­Mutter leidet

Bei der Schulphobie steht eine emotionale Störung mit Trennungsangst im Vordergrund. Die Mutter-Kind-Beziehung ist oft sehr eng. Die Kinder wollen sich, etwa bei der Einschulung, nicht von der Mutter trennen. „Die Mütter leiden dabei oft genauso stark“, so Trost-Brinkhues. Und sie unterstützten damit das schulvermeidende Verhalten ihres Kindes. Kinder mit einer Schul­phobie sind oft intelligent. Es gibt Fälle, in denen Kinder ihre Mütter schützen, etwa weil sie wissen, dass der Vater die Mutter schlägt, wenn sie das Haus verlassen. Bei drohender oder bestehender Trennungssituation können somatische Beschwerden auftreten, die die Mutter dazu veranlassen, mit dem Kind von einem Arzt zum anderen zu gehen. Dieses Ärzte-Hopping „kann Züge eines Münchhausen-Syndroms annehmen.“

Chronifizierung vermeiden!

Gehen Kinder häufig und regelmäßig nicht zur Schule, müssen die Ursachen erforscht werden. Nur eine genaue Anamnese kann das Schulschwänzen von Schulphobie und Schulangst abgrenzen. Wird über Ängste in der Schule berichtet oder auch über körperliche Beschwerden, spricht dies eher für eine Schulverweigerung als für Schulschwänzen. Differenzialdiagnostisch lohnenswert kann auch ein genauerer Blick auf die Eltern sein. Bei Kindern mit Schulphobie sind sie überprotektiv und binden das Kind an sich, bei Kindern mit Schulangst ist das Verhalten eher unspezifisch, wogegen Schulschwänzer von ihren Eltern oft vernachlässigt werden. Wichtig ist es, mögliche psychische Krankheitsbilder, die der Schulvermeidung zugrunde liegen können, wie Angststörungen, Depressionen oder eine „Somatisierung“, nicht zu übersehen. Eine Chronifizierung muss durch eine frühzeitige Intervention vermieden werden. Bei Bauch- und Kopfschmerzen sollte allerdings nicht stets die Psyche als alleinige Ursache gesehen werden, sondern auch an körperliche Erkrankungen gedacht werden, die es zu behandeln gilt. Wichtig ist es zu erreichen, dass das Kind wieder zur Schule geht. Denn längere Fehlzeiten gehen langfristig mit mangelndem Schulerfolg einher. |

Apothekerin Dr. Beate Fessler

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